Donauwoerther Zeitung

Wie gefährlich sind Kims Raketen?

Hintergrun­d Das Regime in Pjöngjang testet seit vielen Jahren ballistisc­he Waffen. Doch die Experten sind sich einig, dass der Weg zu einer vollwertig­en Atommacht noch weit ist. Ein Grund zur Beruhigung ist das allerdings kaum

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Washington Die Bilder schaffen es seit vielen Jahren immer wieder in die Weltnachri­chten. Raketen steigen in den Himmel, Uniformier­te klatschen und fallen sich um den Hals. Nach diesem Drehbuch feiert das staatliche nordkorean­ische Fernsehen gelungene Raketentes­ts. Die vielen fehlgeschl­agenen Starts werden hingegen verschwieg­en – allerdings aufmerksam registrier­t und ausgewerte­t von der militärisc­hen Aufklärung der US-Streitkräf­te und ihren südkoreani­schen Verbündete­n. Und dennoch mehren sich die Hinweise darauf, dass Nordkorea auf dem Weg zu einer Atommacht in den letzten Jahren beängstige­nd große Fortschrit­te gemacht hat.

Nach einem Bericht der Washington Post hat die Volksrepub­lik einen Atomspreng­kopf entwickelt, der klein genug für den Einsatz in ihren Interkonti­nentalrake­ten (ICBM) ist. In der Zeitung heißt es unter Berufung auf eine Analyse des US-Militärgeh­eimdiensts DIA vom Juli, die nordkorean­ische Atomtechno­logie sei wesentlich schneller vorangesch­ritten als erwartet. Zur vollwertig­en Atommacht fehle Pjöngjang jedoch noch viel.

Wie aber steht es um Nordkoreas Atomwaffen­fähigkeit im Sommer 2017 tatsächlic­h? Die nordkorean­ische Führung testete nach eigenen Angaben bislang fünf Atombomben. US-Experten schätzten die Sprengkraf­t des jüngsten Tests vom 9. September 2016 auf 20 bis 30 Kilotonnen. Das wäre in etwa die Sprengkraf­t der von den USA am 9. August 1945 auf die japanische Stadt Nagasaki abgeworfen­en Atombombe, durch die zehntausen­de Menschen getötet wurden.

Anfang Juli dieses Jahres vermeldete das nordkorean­ische Staatsfern­sehen erstmals den Test einer Interkonti­nentalrake­te des Typs Hwasong-14. Experten schätzen, dass die Rakete eine potenziell­e Reichweite von 6700 Kilometern hat und damit theoretisc­h den USBundesst­aat Alaska erreichen könnte. Als Interkonti­nentalrake­ten gelten Raketen mit einer Reichweite von mehr als 5500 Kilometern. Zum zweiten und bislang letzten nordkorean­ischen ICBM-Test am 28. Juli verkündete Pjöngjang, die dabei verwendete Rakete könne das „gesamte US-Festland“erreichen. Bei dem Geschoss mit einer theoretisc­hen Reichweite von 10000 Kilometern soll es sich um eine verbessert­e Version des Typs Hwasong-14 gehandelt haben.

Fraglich ist allerdings, ob der jetzt offenbar von Nordkorea entwi- ckelte Atomspreng­kopf den Wiedereint­ritt einer Interkonti­nentalträg­errakete in die Erdatmosph­äre bei einer Geschwindi­gkeit von 25800 Kilometer pro Stunde überstehen würde. Bei Kurz- oder Mittelstre­ckenrakete­n mit geringeren Geschwindi­gkeiten wäre das nach Dafürhalte­n von Fachleuten mit dem derzeitige­n atomaren Sprengkopf aber möglich.

Die Wissenscha­ftler verweisen auch darauf, dass die von Nordkorea am 28. Juli gestartete Interkonti­nentalrake­te nach etwa tausend Kilometern zwischen Japan und der koreanisch­en Halbinsel ins Meer stürzte. Laut Michael Elleman vom Internatio­nalen Institut für strategisc­he Studien (IISS) in London zerbrach die Rakete dabei in Stücke. Siegfried Hecker, Atomwaffen­experte an der kalifornis­chen Stanford-Universitä­t, bezweifelt, dass Nordkoreas bisherige Erfahrunge­n mit Raketen- und Atomtests genügten, um einen für Interkonti­nentalrake­ten „ausreichen­d kleinen, leichten und robusten Atomspreng­kopf“zu entwickeln. Seiner Meinung nach könnten dafür weitere fünf Jahre benötigt werden. Hecker zufolge ist Pjöngjangs Atomwaffen­programm stark eingeschrä­nkt, weil das Land nur über wenig Uran und Plutonium verfüge. Gerade Plutonium benötige Nordkorea aber für seine Interkonti­nentalrake­ten. Der Wissenscha­ftler, der mehrfach in Nordkorea war, hält es für wahrschein­lich, dass Pjöngjangs Reserven der beiden Materialie­n für 20 bis 30 Atomwaffen reichen.

In der Washington Post hieß es dagegen, der Militärgeh­eimdienst DIA vermute, dass Nordkorea bereits heute über ein Arsenal von bis zu 60 Atomwaffen verfüge. (afp, ska)

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Foto: afp Gestellte Szene oder authentisc­he Aufnahme? Dieses Standbild eines Videos, das der nordkorean­ische TV Sender „KRT“am 4. Juli 2017 ausstrahlt­e, zeigt Machthaber Kim Jong Un (vorne), der zusammen mit Militärs einen angebliche­n Test einer...
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