„Man muss auch mal anecken“
Wahlen Albert Riedelsheimer aus Donauwörth ist Kandidat der Grünen für den Bundestag. Wo er seine Stärken sieht und was ihn schon sein halbes Leben lang begleitet
Donauwörth Irgendwie war sie ja immer sein Thema: die Umwelt, die Natur. Als praktizierender Katholik würde Albert Riedelsheimer vielleicht auch „Schöpfung“dazu sagen. Den Bezug dazu hat man ihm vielleicht schon in die Wiege gelegt, ihm, dem Spross einer Nordheimer Landwirtsfamilie. Aber das, was in der Politik so alles unter dem Begriff „Ökologie“firmiert, soll nicht das einzige Thema des hiesigen GrünenKandidaten für den Deutschen Bundestag sein. Ein anderes nämlich hat ihn zwar nicht schon seit der Kindheit begleitet – allerdings seit der späten Jugend: Migration, Flucht, Asyl. Es ist für ihn gleichermaßen Beruf wie auch Berufung.
Riedelsheimer schlägt Brücken in Donauwörth: In Nordheim bewirtschaftet er den elterlichen Hof, zu Hause ist er allerdings schon länger im Stadtteil Riedlingen. Seiner Arbeit geht er hauptsächlich in der Parkstadt nach, als Diplom-Sozialpädagoge der Diakonie in der AsylErstaufnahme. Das Schicksal von Menschen auf der Flucht begleitet den 50-Jährigen aber nicht erst seit der Asylkrise des Jahres 2015, sondern seit über drei Jahrzehnten. Das Thema hat ihn, wenn auch auf Umwegen, zu den Grünen gebracht.
Am Anfang stand der Zivildienst in Neuburg, könnte man zusammenfassend sagen. Der junge Riedelsheimer lehnte 1985 den Wehrdienst ab und ergatterte eine Ersatzdienst-Stelle in der Asylunterkunft im Nachbarlandkreis. Das Thema, die Schicksale, das bannte ihn, er entschied sich in der Folge für ein Studium der Sozialen Arbeit ab 1987 in München, wo er bis vor wenigen Jahren als Sozialarbeiter tätig war. Die jüngste Asylkrise brachte ihn hauptberuflich in seine Heimatstadt. Seitdem berät der Vater zweier inzwischen erwachsener Söhne (und frischgebackene Großvater) Asylbewerber in der Alfred-DelpKaserne auf dem Schellenberg.
Der Fall der drohenden Abschiebung des in Deutschland geborenen Kindes Stephan Asumang aus dem Landkreis Donau-Ries nach Ghana habe ihn um die Jahrtausendwende Jahren politisiert, berichtet Riedelsheimer. Er habe damals zahlreiche Briefe und Eingaben geschrieben an Behörden und Politiker.
Lediglich die Grünen hätten sich damals als Partei nachhaltig für das Thema interessiert. Das wiederum habe ihn beeindruckt – und in die Partei gebracht. Als Landwirtssohn bei den Grünen – das sieht der Nordheimer nicht als Widerspruch. Es sei mittlerweile keine ausgemachte Sache mehr, meint er, dass die Landwirte ausschließlich christ- sozial wählen. Die Grünen hätten früh Probleme angesprochen, vor denen andere offenbar zu lange die Augen verschlossen: etwa die Risiken der Atomkraft, den Flächenfraß, die Notwendigkeit ökologischer Energieerzeugung, artgerechte Tierhaltung, ein ausgewogenes Verhältnis von Mensch und Natur... Mittlerweile ist dies kein Alleinstellungsmerkmal der Öko-Partei mehr, die Bewahrung der Schöpfung darf wohl auch in keinem anderen Parteiprogramm fehlen. Gleichwohl sieht Riedelsheimer die Aufgabe der Grünen nach wie vor darin, auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, sozusagen „die Finger in die Wunde“zu legen. „Man muss auch mal anecken“, meint der Nordheimer. Aber man dürfe nicht oberlehrerhaft wirken: „Ich lache auch gern – und ich fahre auch Auto.“Das grüne Image sei aber oft ein anderes: „Wir werden leider zu oft als Meckerer wahrgenommen.“Veggie-Tag, Forderungen nach höheren Benzinpreisen, das möglicherweise zu ausgeprägte Fokussieren auf vermeintliche „Rand-Themen“. Die Grünen lieferten nicht immer die populärsten Punkte, weiß der Stadt- und Kreisrat. Und doch rechne er sich Chancen aus für seine Partei Ende September, weil die aktuellen Probleme auch eine kritische ökologische Antwort erforderten. Bei der Windkraft etwa müsse man – wolle man denn weg von Atom und Kohle – liberaler denken, die 10-H-Regelung gehöre abgeschafft, die erneuerbaren Energien stärker gefördert und ausgebaut. Es gebe viel zu tun. Drittstärkste Kraft im Bund, das sei die Zielmarke.
Aussichtsreich ist Riedelsheimers bayerischer Listenplatz (31) bei den Grünen derweil nicht – doch darum gehe es ihm eher weniger, sagt Riedelsheimer. So viele Stimmen wie möglich zu sammeln „für grüne Politik“sei sein Ziel. Jene grüne Politik beinhalte die ökologische Wende, die bei Weitem noch nicht abgeschlossen sei; sie sei des Weiteren eine „gerechtere Asylpolitik“– nach wie vor ein brisantes Thema, das nach Lösungen verlange.
Hier sieht er seine persönlichen Stärken – in beiden Bereichen hat der Landwirt und Sozialarbeiter ja schon vor Jahren Beruf und Berufung gefunden.