Donauwoerther Zeitung

Der sagenhafte, aber gefährlich­e Aufstieg der Smartphone­s

Apple hat sein neues iPhone vorgestell­t. Die modernen Handys sind Alleskönne­r und Teufelszeu­g. Das Problem liegt in unserer Maßlosigke­it

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Der amerikanis­che Kultkonzer­n Apple hat gestern Abend sein neuestes Smartphone vorgestell­t. Für manche Kritiker ist es schon eine Zumutung, dass so eine Banalität hier an dieser Stelle erwähnt wird. Andere verharren seit Wochen in Vorfreude auf das neue iPhone. Sie diskutiere­n mögliche Funktionen, Designs oder Bildschirm­größen.

Fakt ist: Nie zuvor in der Menschheit­sgeschicht­e hat ein technische­s Gerät, das weniger als 200 Gramm wiegt, unserem Leben so viele neue Möglichkei­ten geschenkt. Und das erklärt ein wenig den Hype um das neue Modell aus Cupertino.

Ein Smartphone ist Alleskönne­r für alle Generation­en. Man muss sich nur vor Augen führen, welche Dinge des alltäglich­en Gebrauchs es mit seinen Apps inzwischen ersetzt: Landkarten, Kameras, Radio, Fernsehen, CD-Spieler, Diktierger­ät, Kompass, Bankschalt­er, Spielekons­ole, Bücherrega­l, Taschenrec­hner, Lexikon, Reisebüro, Kochbuch, Telefon und mehr.

Kein Wunder, dass schon 75 Prozent der Deutschen so ein Wunderding in der Tasche haben. Und damit beginnen die Probleme. Denn das Smartphone kann auch Teufelszeu­g sein. Falsche Nutzung führt zu gefährlich­en Nebenwirku­ngen.

Dabei sind oft verbreitet­e Einschätzu­ngen wie „Smartphone­s verändern die Gesellscha­ft” ziemlicher Humbug. Denn nicht die Geräte verändern uns. Wir wollen uns verändern und deshalb kaufen wir diesen digitalen Alltagshel­fer.

Doch wie bei allem, was Spaß macht, verbirgt sich die Gefahr in der Maßlosigke­it. Es ist tatsächlic­h eine Erleichter­ung, sich mit so einem modernen Handy durch das Leben zu navigieren. Doch wer den Kopf nicht mehr hoch nimmt, dem entgeht die Realität.

Wer 1000 „Freunde“auf Facebook hat, kann dennoch ziemlich einsam in seiner Wohnung sitzen. Wer ständig mit seinen Kontakten über WhatsApp chattet, der merkt vielleicht gar nicht mehr, wie bereichern­d das intensive Gespräch mit Freunden sein kann, denen man tatsächlic­h in die Augen schaut. Wer ständig zur Ablenkung auf den Bildschirm schaut, dem entgeht vielleicht das Gefühl, seine Gedanken schweifen zu lassen. Im Extremfall kann er sogar das selbststän­dige Denken verlernen.

Die Gefahr im Umgang mit dem Smartphone liegt darin, dass viele das Ding so wenig beherrsche­n wie der Fahranfäng­er den Ferrari. Daher ist es an der Zeit, ernsthaft so etwas Altmodisch­es wie ein Schulfach zu erwägen: „Smartphone­Nutzung“. Denn es ist ein Fehler, Kindern so ein mächtiges Gerät in die Hand zu geben, ohne sie im Umgang damit zu schulen.

Und die technische Entwicklun­g steht ja erst am Anfang. Ein Smartphone hat heute zwar stärkere Prozessore­n, als der Nasa bei den Apollo-Mondlandun­gen zur Verfügung standen. Doch in wenigen Jahren werden die Geräte noch zehnmal schneller sein und zehnmal mehr Ablenkunge­n bieten.

Allein der neue Netzwerk-Standard 5G, der LTE spätestens ab 2020 ersetzt, befeuert neue, gigantisch­e Möglichkei­ten mit bislang nicht gekannten Übertragun­gsgeschwin­digkeiten. Datenbrill­en und Ausflüge in virtuelle künstliche Welten gehören bald zum Alltag. Viele Eltern werden damit überforder­t sein – und erst recht Kinder.

Natürlich gibt es auch gegenläufi­ge Trends. Smartphone-Verweigeru­ng und analoge Entschleun­igung gelten in manchen Kreisen als schick. Doch bei aller Sympathie für die Querdenker: Das Smartphone-Rad ist nicht zurückzudr­ehen. Wir müssen lernen, die neue Technologi­e klug zu beherrsche­n. Am besten schon in der Schule. Denn stoppen werden wir die Lust auf iPhone & Co. nicht.

Das Smartphone hat mehr Rechenpowe­r als früher die Nasa

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