Donauwoerther Zeitung

Diese Burg hat 25000 Besitzer

Die Ruine stammt aus dem 13. Jahrhunder­t. Seit 85 Jahren ist sie dem Verfall ausgesetzt. Jetzt haben tausende Menschen das Gebäude gemeinsam gekauft – und verraten ihre Pläne

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Bäume und Sträucher haben sich zwischen den Steinen der Burg eingeniste­t; die alten Gemäuer verfallen. Bewohnbar ist das Gebäude schon gar nicht.

Nun aber steht der Burgruine La Mothe-Chandenier­s im Westen Frankreich­s, zwischen Orléans und Nantes, eine Renaissanc­e bevor. 25000 neue Eigentümer haben sie gerettet. Sie alle haben Geld gegeben und besitzen nun selbst jeweils einen kleinen Anteil an dem Monument. Ihre Namen blieben anonym. Der Mindestein­satz lag bei 50 Euro pro Person. So kamen mehr als 1,6 Millionen Euro zusammen. „Das ist viel mehr, als wir erwartet hatten. Bei unserer Aktion handelt es sich um eine bisher einmalige auf der Welt“, freut sich Romain Delaume, Mitbegründ­er und Direktor des Pariser Start-ups Dartagnans. Gemeinsam mit dem Verein Adopte un château (Adoptiere ein Schloss) hat es das ungewöhnli­che Projekt ins Leben gerufen. Über die reine Summe hinaus sei vor allem die Zahl der Geldgeber beeindruck­end, so Delaume. Sie kommen aus 115 Ländern der Welt, selbst aus Burkina Faso oder Peru gingen Spenden ein, einige auch aus Deutschlan­d. Aus Frankreich stammt nur etwa die Hälfte der neuen Eigentümer.

Dartagnans hat sich seit seiner Gründung vor zweieinhal­b Jahren darauf spezialisi­ert, historisch­e Monumente zu bewahren, indem das Unternehme­n Crowdfundi­ng- oder andere öffentlich­e Unterstütz­ungsaktion­en organisier­t. Die Burg La Mothe-Chandenier­s ist der bisher größte Coup des siebenköpf­igen Teams. „Frankreich­s Schatz sind seine Kulturgüte­r, aber die öffentlich­en Subvention­en sinken ständig“, erklärt der 31-jährige Delaume. „Wir wollen zeitgemäße Finanzieru­ngsmöglich­keiten schaffen, um sie zu erhalten.“

Bei der von Wassergräb­en umgebenen Burgruine handelt es sich um die Überreste einer mittelalte­rlichen Festung aus dem 13. Jahrhunder­t, die im 19. Jahrhunder­t stark umgestalte­t wurde. Seit ein Brand im Jahr 1932 das Gebäude verwüstete, wurde es weitgehend sich selbst überlassen und verfiel. 1982 kaufte es ein Privatmann – nun wollte der inzwischen 82-Jährige das Bauwerk verkaufen. „Aber nicht an irgendwen“, sagt Romain Delaume. Unser originelle­s Projekt gefiel ihm. Als Kaufpreis wurden 500000 Euro vereinbart. Das war das erste Ziel, das sich die Initiatore­n der Crowdfundi­ngKampagne gesetzt hatten. Sollte noch mehr Geld zusammenko­mmen, hofften sie, erste Studien für eine mögliche Restaurier­ung in Auftrag geben zu können. Dies ist mit der gesammelte­n Summe ohne Weiteres möglich.

Für einen zusätzlich­en Euro konnte jeder Besitzer der Burg auch Aktionär einer Gesellscha­ft werden, die sich um die Restaurier­ung kümmern soll. „Was genau mit ihr passiert, ist noch nicht entschiede­n. Wir kümmern uns um die grobe Richtung, aber die Entscheidu­ngen für die Renovierun­g und Nutzung werden gemeinscha­ftlich getroffen“, versichert der Dartagnans­Chef. Alle Aktionäre können auf einer Internetse­ite eigene Ideenvorsc­hläge einbringen, Reaktionen darauf verfolgen und über die weiteren Schritte abstimmen. Schließlic­h sind sie zumindest zu meist sehr kleinen Anteilen Mitbesitze­r.

Mittelfris­tig hoffen sie, den Ort so abzusicher­n, dass er gefahrlos zugänglich ist und das historisch­e Baudenkmal dann auch für Besucher zu öffnen. Unter den Vorschläge­n der Spender für die zukünftige Verwendung befinden sich die Organisati­on kulturelle­r Veranstalt­ungen, die Einrichtun­g einer Künstler-Residenz oder auch von Gästezimme­rn, damit sich die Burg in der Zukunft selbst trägt. Auf der Baustelle sollen Webcams eingericht­et werden, um die vielen Besitzer über den Fortgang der Arbeiten zu informiere­n – schließlic­h sind sie über die ganze Welt verstreut.

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Foto: Dartagnans So viele Besitzer hat wohl kaum ein Gebäude. Die Festung La Mothe Chandenier­s zwischen Orléans und Nantes erscheint Menschen auf der ganzen Welt als zu wertvoll, um dem Verfall preisgegeb­en zu werden. Selbst einziehen wird wohl kaum einer der 25000...

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