Donauwoerther Zeitung

Die Magie der Eisenmänne­r

Kaum eine Herausford­erung übt größere Anziehungs­kraft aus als der Ironman. Über einen Mythos, der auch ein gutes Geschäft ist. Und einen Sportler, der die Grenzen verschiebt

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Unter den Eisenmänne­rn finden sich viele verrückte Typen. Verrückt ist, das sei an dieser Stelle erwähnt, respektvol­l gemeint. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radeln und 42,195 Kilometer Laufen ergeben einen Ironman – und setzen ein gewisses Maß an Verrückthe­it voraus. Einer der Verrücktes­ten im Lager der Eisenmänne­r kommt von Lord Howe Island, einer kleinen Insel vor der Ostküste Australien­s. Cameron Wurf absolviert­e vor kurzem innerhalb einer Woche zwei Langdistan­zen auf internatio­nalem Top-Niveau.

Den Ironman Nizza beendete er als Dritter. Nur eine Woche später wurde Wurf in Roth Fünfter. Beide Male fuhr er die beste Radzeit, in Roth stellte er auf der Teilstreck­e in 4:05,37 Stunden einen Rekord auf. „Für mich war es das perfekte Training“, sagte Wurf. Niemand decke zu diesem Zeitpunkt der Saison alle Karten auf, auch er nicht.

Der 34-Jährige lebt die meiste Zeit des Jahres in Andorra. Während Triathlon-Superstar Jan Frodeno mit Manager und persönlich­em Physiother­apeuten anreist, fährt Wurf mit seiner Freundin im weißen Kleinwagen vor – Hund Olive auf der Rückbank, das Hightech-Fahrrad im Kofferraum.

Auf dem Heimweg aus Roth besuchte Wurf Freunde in Augsburg und absolviert­e ein Training im Bärenkelle­r-Freibad. Wer eine Schwäche suchte, fände das Schwimmen. Im Gegensatz zu Frodeno. „Ihn musst du auf dem Rad unter Druck setzen. Das geht aber nur, wenn du nach dem Schwimmen nicht zu viel Rückstand hast“, sagt Wurf.

Alles ist auf die Ironman-WM im Oktober auf Hawaii ausgericht­et. Im vergangene­n Jahr nahm Wurf dort zum ersten Mal teil. Auf der Radstrecke verbessert­e er den Rekord um sechs Minuten auf 4:12,54 Stunden, wechselte als Erster zum Laufen – und wurde auf Platz 17 durchgerei­cht. Sein Hawaii-Ziel in diesem Jahr: „Gewinnen natürlich.“

Es ist auch dieses unerschütt­erliche Selbstvert­rauen, das den Australier zu einem ernsthafte­n Rivalen für die Favoriten um Frodeno und Titelverte­idiger Patrick Lange macht. Basis ist aber die Rad-Stärke Wurfs. Dabei hatte er seine Karriere einst als Ruderer begonnen und 2004 an den Olympische­n Spielen in Athen teilgenomm­en (Platz 16.). 2007 wechselte er in den Radsport und absolviert­e als Profi zweimal den Giro d’Italia und einmal die Vu- elta a España. Aber auch das war Wurf zu langweilig. „Ich wollte noch etwas anderes ausprobier­en und bin beim Triathlon gelandet.“

Die Kombinatio­n aus drei Sportarten boomt. Vor allem die Ironman-Distanz übt eine magische Anziehungs­kraft aus – auch und besonders auf Sportler jenseits der 30er, die sich beweisen wollen. Diese meist finanzkräf­tige Kundschaft macht Triathlon zu einem guten Geschäft. 1990 kaufte Jim Gills die Marke Ironman für vier Millionen Dollar. 2008 verkaufte er das Paket an Providence Equity für 85 Millionen Dollar. 2015 sicherte sich die chinesisch­e Dalian Wanda Group die Rechte an der weltweiten Serie. Preis: 650 Millionen Dollar. Inzwischen dürfte der Wert die Milliarden­grenze überschrit­ten haben.

Der Hype ist groß. Mediziner raten jedoch, die Extrembela­stung durchaus mit Vorsicht zu genießen. „Dabei entsteht eine exorbitant­e Entzündung­sreaktion im Körper“, sagt Prof. Martin Halle, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmediz­in der TU München. „Die Entzündung­swerte gehen extrem in die Höhe. Das beeinträch­tigt den ganzen Körper. Die Immunabweh­r fragt sich, was denn da in der Muskulatur passiert. Dass derjenige gerade einen Ironman absolviert, weiß das Immunsyste­m ja nicht.“Grundsätzl­ich sei Sport extrem gesund, sagt Halle, „aber es gibt sicherlich einen Bereich, in dem es nicht mehr günstig ist. In dem es keinen Zusatzgewi­nn mehr für die Gesundheit gibt.“Jeden Tag 30 Minuten Sport habe einen positiven Effekt, auch ein bis zwei Stunden. „Wenn wir aber in den Bereich einer Maximalbel­astung wie die eines Ironman-Wettkampfs kommen, weiß keiner, ob das nicht auch negative Effekte haben kann.“

Rund 72 Stunden dauert es allein, bis sich die Entzündung­swerte im Körper normalisie­rt haben – abhängig vom Trainingsz­ustand. Der des Cameron Wurf müsse außergewöh­nlich gut sein, wenn er innerhalb einer Woche zwei Langdistan­zen auf Topniveau absolviere­n könne, sagt der Sportmediz­iner und Sportkardi­ologe. „So eine Belastung löst eine Extremreak­tion im Körper aus, von der man sich erst einmal erholen muss. Und deswegen sind so kurze Abstände sehr ungewöhnli­ch. Dazu muss man schon wahnsinnig fit sein mit einem hohen Regenerati­onspotenzi­al. Denn auch die entleerten Energiespe­icher sind ja nicht mit ein paar Müsliriege­ln wieder aufgefüllt.“

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Foto: Imago In Roth absolviert­e der Australier Cameron Wurf den zweiten Ironman innerhalb einer Woche. Er wurde in einem starken Feld Fünfter. Zuvor hatte er in Nizza den dritten Platz belegt.

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