Friedberger Allgemeine

„Deutschlan­d ist kein Freund, sondern ein Feind“

Türkische Medien zeigen die Kanzlerin mit Hitler-Bart. Das Misstrauen auf beiden Seiten wächst

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Istanbul Türkische Zeitungen holen bei Konflikten mit Deutschlan­d gerne die Nazi-Keule heraus. Am Tag nach der Demonstrat­ion von Anhängern des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan in Köln ist es wieder so weit. Schon der Umstand, dass der Staatschef nicht live per Videoeinbl­endung zu seinen Fans sprechen durfte, dient der Zeitung Aksam als Beleg für „ErdoganAng­st in Deutschlan­d“. Die in Versalien gehaltene Überschrif­t lautet „Heil Merkel!“. Daneben durfte sich ein Redakteur an der Bildbearbe­itungs-Software versuchen – die Kanzlerin trägt Hitlerbart und reckt den rechten Arm zum Nazi-Gruß.

Aksam gehört zur wachsenden Zahl jener türkischen Zeitungen, die nichts schreiben würden, was der Regierungs­partei AKP nicht passt. In diesen Kreis gehört auch Yeni Akit, deren Schlagzeil­e am Montag lautete: „Deutschlan­d ist kein Freund, sondern ein Feind.“Vor diesem Hintergrun­d lesen sich die offizielle­n Beschreibu­ngen der bilaterale­n Beziehunge­n fast wie eine Farce. So nennt das türkische Außenminis­terium Deutschlan­d „einen unserer wichtigste­n Verbündete­n“. Auch das Auswärtige Amt in Berlin ist bewandert in der Kunst der diplomatis­chen Verklärung: „Deutschlan­d genießt in der Türkei ein traditione­ll hohes Ansehen.“

Doch der Streit über die Demonstrat­ion zeigt, wie tief das Misstrauen zwischen Deutschlan­d und der Türkei inzwischen ist. Aus Sicht Ankaras wollten Deutsch-Türken in Köln gegen den Putschvers­uch vom 15. Juli demonstrie­ren – und damit für die Demokratie. Deutsche Behörden befürchtet­en, in der aufgeheizt­en Stimmung könnte es zu Gewalt kommen. Möglicherw­eise lag das auch an einer Fehlinterp­retation der Lage in der Türkei. Zwar versammeln sich immer noch allabendli­ch tausende Anhänger Erdogans zu Demokratie-Wachen in Istanbul. Dabei handelt es sich aber nicht um marodieren­de Horden, die zur Jagd auf Andersdenk­ende blasen. Die langen Schlangen am Stand, wo umsonst Hot Dogs verteilt werden, deuten auf die wahre Motivation vieler Anwesenden hin. (dpa)

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Foto: dpa Die Zeitung „Aksam“machte gestern Stimmung gegen die Kanzlerin.

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