Friedberger Allgemeine

Gewalt von Extremiste­n nimmt zu

Der Innenminis­ter warnt im Verfassung­sschutzber­icht: Die Szene nutzt verstärkt das Internet, um ausländerf­eindliche Stimmung zu erzeugen. Warum auch „Allgida“in Kempten beobachtet wird

- VON HENRY STERN

München Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) warnt vor wachsender Gewaltbere­itschaft und Enthemmung bei Extremiste­n auf allen Seiten des politische­n Spektrums: „Wir erkennen, dass sich die konfrontat­ive Stimmung gegenseiti­g hochschauk­elt“, sagte er bei der Vorstellun­g des Halbjahres­berichts des Verfassung­sschutzes.

Vor allem im Internet „fallen zunehmend die Grenzen des Denkund Sagbaren“, findet der Innenminis­ter: „Und der Weg vom Gedanken über das Wort bis hin zur Tat ist schnell zurückgele­gt.“Einer weiteren Eskalation der Gewaltbere­itschaft müsse der Staat auch mit den Mitteln des Verfassung­sschutzes entschiede­n entgegentr­eten.

Vor allem die rechtsextr­eme Szene in Bayern versucht laut Herrmann verstärkt das Internet zu nutzen – „um ausländerf­eindliche Stimmungen zu erzeugen oder zu verstärken“. Dabei wirke das Thema Asyl „einheitsst­iftend“auch auf bisher verfeindet­e Gruppierun­gen wie etwa die NPD und die Partei „Die Rechte“.

Mit einem Erscheinun­gsbild weit jenseits von Springerst­iefeln und Bomberjack­en versuchten Gruppen wie die „Identitäre Bewegung“ihren Rechtsradi­kalismus als „Lifestyle“zu verpacken, um so gezielt

Die Mehrheit der Täter hat Gemeinsamk­eiten

Jugendlich­e und junge Erwachsene zu erreichen. Eine Strategie, die „zumindest partiell anschlussf­ähig“ist, wie der Verfassung­sschutz warnt: So war die große Mehrheit der Täter von insgesamt 65 Anschlägen auf Asylunterk­ünfte in Bayern im ersten Halbjahr 2016 zwischen 18 und 25 Jahren alt, aus der direkten Nachbarsch­aft – und zuvor nicht als Mitglied der Neonazi-Szene bekannt.

In der Pegida-Bewegung in Bayern prägten zunehmend bekannte Rechtsextr­emisten die Veranstalt­ungen. Der Verfassung­sschutz beobachtet schon länger die Ableger in Würzburg, München und Nürnberg. Seit Mai wird nun auch die „Allgida“in Kempten beobachtet.

Auch in der linksextre­men Szene ist laut Herrmann „das Gewaltpote­nzial massiv angewachse­n“. Insbesonde­re gegenüber Polizisten sinke die Hemmschwel­le für Gewalt: So waren von 30 linksextre­men Gewalttate­n im ersten Halbjahr 2016 19 gegen Polizisten gerichtet.

Darüber hinaus diene vor allem die AfD als Feindbild für Linksextre­me: Die Partei werde dort als „faschistis­ch“eingestuft, was als Legitimati­on gesehen werde, selbst mit Straf- und Gewalttate­n gegen AfDFunktio­näre vorzugehen.

Im Bereich des Islamismus sieht der Verfassung­sschutz neben eingeschle­usten IS-Tätern auch islamistis­che Rückkehrer aus Syrien oder dem Irak als Gefahr. Über 90 Personen aus Bayern kämpften im Nahen Osten auf Seiten der Islamisten, acht seien dort bereits gestorben. Gefährlich sei zudem die Radikalisi­erung Minderjähr­iger durch Salafisten in Deutschlan­d. In Bayern gibt es laut Verfassung­sschutz rund 650 Salafisten, rund ein Drittel davon werde als gewaltbere­it eingestuft.

Auch die Spannungen in der Türkei führen zu einer Zunahme von Gewalt in Bayern: Vor allem zwischen der linksextre­men kurdischen PKK und rechtsextr­emen Türken der „Grauen Wölfen“komme es „zu gegenseiti­gen Provokatio­nen“und auch zu Gewalt. Laut Herrmann hat die PKK, die von deutschen Linksextre­misten unterstütz­t werde, in Bayern rund 1800 Anhänger, die „Grauen Wölfe“rund 1250.

Auch Angriffe von Anhängern des türkischen Präsidente­n Erdogan auf Einrichtun­gen der Gülen-Bewegung seien in Bayern bereits registrier­t worden. »Kommentar

Newspapers in German

Newspapers from Germany