Gewalt von Extremisten nimmt zu
Der Innenminister warnt im Verfassungsschutzbericht: Die Szene nutzt verstärkt das Internet, um ausländerfeindliche Stimmung zu erzeugen. Warum auch „Allgida“in Kempten beobachtet wird
München Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt vor wachsender Gewaltbereitschaft und Enthemmung bei Extremisten auf allen Seiten des politischen Spektrums: „Wir erkennen, dass sich die konfrontative Stimmung gegenseitig hochschaukelt“, sagte er bei der Vorstellung des Halbjahresberichts des Verfassungsschutzes.
Vor allem im Internet „fallen zunehmend die Grenzen des Denkund Sagbaren“, findet der Innenminister: „Und der Weg vom Gedanken über das Wort bis hin zur Tat ist schnell zurückgelegt.“Einer weiteren Eskalation der Gewaltbereitschaft müsse der Staat auch mit den Mitteln des Verfassungsschutzes entschieden entgegentreten.
Vor allem die rechtsextreme Szene in Bayern versucht laut Herrmann verstärkt das Internet zu nutzen – „um ausländerfeindliche Stimmungen zu erzeugen oder zu verstärken“. Dabei wirke das Thema Asyl „einheitsstiftend“auch auf bisher verfeindete Gruppierungen wie etwa die NPD und die Partei „Die Rechte“.
Mit einem Erscheinungsbild weit jenseits von Springerstiefeln und Bomberjacken versuchten Gruppen wie die „Identitäre Bewegung“ihren Rechtsradikalismus als „Lifestyle“zu verpacken, um so gezielt
Die Mehrheit der Täter hat Gemeinsamkeiten
Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen. Eine Strategie, die „zumindest partiell anschlussfähig“ist, wie der Verfassungsschutz warnt: So war die große Mehrheit der Täter von insgesamt 65 Anschlägen auf Asylunterkünfte in Bayern im ersten Halbjahr 2016 zwischen 18 und 25 Jahren alt, aus der direkten Nachbarschaft – und zuvor nicht als Mitglied der Neonazi-Szene bekannt.
In der Pegida-Bewegung in Bayern prägten zunehmend bekannte Rechtsextremisten die Veranstaltungen. Der Verfassungsschutz beobachtet schon länger die Ableger in Würzburg, München und Nürnberg. Seit Mai wird nun auch die „Allgida“in Kempten beobachtet.
Auch in der linksextremen Szene ist laut Herrmann „das Gewaltpotenzial massiv angewachsen“. Insbesondere gegenüber Polizisten sinke die Hemmschwelle für Gewalt: So waren von 30 linksextremen Gewalttaten im ersten Halbjahr 2016 19 gegen Polizisten gerichtet.
Darüber hinaus diene vor allem die AfD als Feindbild für Linksextreme: Die Partei werde dort als „faschistisch“eingestuft, was als Legitimation gesehen werde, selbst mit Straf- und Gewalttaten gegen AfDFunktionäre vorzugehen.
Im Bereich des Islamismus sieht der Verfassungsschutz neben eingeschleusten IS-Tätern auch islamistische Rückkehrer aus Syrien oder dem Irak als Gefahr. Über 90 Personen aus Bayern kämpften im Nahen Osten auf Seiten der Islamisten, acht seien dort bereits gestorben. Gefährlich sei zudem die Radikalisierung Minderjähriger durch Salafisten in Deutschland. In Bayern gibt es laut Verfassungsschutz rund 650 Salafisten, rund ein Drittel davon werde als gewaltbereit eingestuft.
Auch die Spannungen in der Türkei führen zu einer Zunahme von Gewalt in Bayern: Vor allem zwischen der linksextremen kurdischen PKK und rechtsextremen Türken der „Grauen Wölfen“komme es „zu gegenseitigen Provokationen“und auch zu Gewalt. Laut Herrmann hat die PKK, die von deutschen Linksextremisten unterstützt werde, in Bayern rund 1800 Anhänger, die „Grauen Wölfe“rund 1250.
Auch Angriffe von Anhängern des türkischen Präsidenten Erdogan auf Einrichtungen der Gülen-Bewegung seien in Bayern bereits registriert worden. »Kommentar