Italienische Banken in Schieflage
Vor allem ein Institut mit langer Geschichte in Siena bereitet der Finanzwelt Sorgen. Die Börse hat auf diese Entwicklung schon panisch reagiert. Trotz eines Rettungsplans wachsen die Zweifel
Rom Vor fünf Jahren positionierte der italienische Künstler Maurizio Cattelan die Statue einer überdimensionalen Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger vor der Börse in Mailand. Die umstrittene Skulptur ist längst wieder weg, aber es gibt Italiener, die sich das provokante Denkmal zurück wünschen, wenn
Normalbürger können das schwer nachvollziehen
sie von den gegenwärtigen Problemen im italienischen und europäischen Banken- und Börsenleben hören.
Wenn, wie zuletzt, die Kurse der italienischen Banken abstürzten und so schwankten, dass sie teilweise ausgesetzt werden mussten, dann sind das die Resultate einer Entwicklung, die die Fachwelt wochenlang in Atem gehalten hat, die der italienische Normalbürger aber nur schwer nachvollziehen kann. Die Sorge der letzten Wochen war, eine Bankenpleite in Italien könne die gesamte Eurozone in eine neue, tiefe Krise stürzen und damit eine Rezession und unter anderem den Verlust von Arbeitsplätzen verursachen.
Es war nur ein Test, der die jüngsten Kursstürze in Mailand auslöste. Die Europäische Bankenaufsicht hatte 53 europäische Geldinstitute auf ihre Stabilität hin überprüft und die Ergebnisse unlängst bekannt gegeben. Besonders im Rampenlicht standen die italienischen Banken, vor allem das älteste Kreditinstitut Europas, die Banca Monte dei Paschi di Siena, das am schlechtesten von allen abschnitt. „Monte“, also Berg, nennen die Seneser ihre Hausbank, die wie eine uneinnehmbare Festung auf einem Hügel mitten in der Stadt liegt.
Während andere Staaten ihre Institute nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 saniert haben, verließ man sich in Italien auf das Funktionieren des Systems. Viele der über 600 Banken in Italien sind in ein undurchsichtiges Netz aus Lokalpolitik und Wirtschaft gebettet. Die 1472 gegründete Monte dei Paschi ist dafür das beste Beispiel. Reichtum und Gefälligkeiten waren über die Jahre so selbstverständlich, dass der Blick für die Realität getrübt wurde. Auf dem „Monte“wurden nach der Jahrtausendwende 15 Milliarden Euro mit zweifelhaften Geschäften verbrannt.
Auch viele andere italienische Banken vergaben leichtfertig Kredite, deren Sicherheit nicht gewährleistet war. Bis zu 360 Milliarden Euro betrug deren Wert zuletzt italienweit, das entspricht einem Fünftel des italienischen Bruttoinlandsprodukts. Die Wirtschaftsflaute blähte das Volumen dieser faulen Kredite zusätzlich auf. Die Branche rätselt deshalb nach wie vor, wie es etwa Unicredit, der einzigen italienischen Bank von Weltbedeutung, geht. Auch wenn die Großbank im Stresstest nicht schlecht abschnitt, steht demnächst offenbar eine Kapitalerhöhung von bis zu zehn Milliarden Euro bevor. Italiens Banken verfügen laut Experten über zu wenig Kapital. Stattdessen sind in ihren Büchern überdurchschnittlich viele faule, also vom Ausfall bedrohte Kredite notiert. Allein bei Monte dei Paschi fallen Rückzahlungen von bis zu 27 Milliarden Euro aus. Derartig große Löcher sind ein Grund für Börsenspekulanten, gegen die am Aktienmarkt gehandelte Bank zu wetten. Ohne massive finanzielle Unterstützung von außen droht dem Institut die Pleite, mit unvorhersehbaren Folgen für die Wirtschaft des Kontinents.
Die italienische Regierung mit Premier Matteo Renzi versuchte deshalb lange, einen staatlich finanzierten Rettungsplan durchzusetzen, den die EU-Kommission in Brüssel aber untersagte. Nach den seit Anfang des Jahres geltenden neuen EURegeln zur Bankenrettung sind staatliche Hilfen nicht mehr möglich, im Notfall sollen die Gläubiger der Banken selbst an den Kosten beteiligt werden. An Monte dei Paschi entwickelte sich ein politisches Armdrücken:
Politisches Armdrücken um eine Bank
Brüssel und Berlin bestanden auf der Einhaltung der neuen Regeln. Renzi versuchte, zehntausende Kleinanleger von Monte dei Paschi zu schützen. Deren Gunst benötigt er im Herbst, wenn die Italiener über eine Verfassungsreform abstimmen, an deren Ausgang der Premier seine politische Zukunft geknüpft hat.
Als Ergebnis wurde ein Rettungsplan vorgelegt, demzufolge die nicht bedienbaren Kredite in einen Fonds ausgelagert werden. Anschließend soll eine Kapitalerhöhung von rund fünf Milliarden Euro folgen. Die Branche reagierte zunächst beruhigt, Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan lobte die „effektiven und nachhaltigen Marktlösungen“. Dann folgten die Kurseinbrüche. Kritiker hegen Zweifel an der Durchführbarkeit der Maßnahmen. Unklar sei etwa, ob sich überhaupt genügend Interessenten für die Kapitalerhöhung bei Monte dei Paschi finden. Vielleicht, sagen Skeptiker, wurde das Problem schlicht vertagt.