Friedberger Allgemeine

Altenheime geraten in Not

Eine neue Verordnung zwingt Seniorenze­ntren, umzubauen. Für zwei Häuser bedeutete es die Schließung, weil sie die Investitio­nen nicht stemmen konnten. Das Afraheim wagt sich jetzt auf einen ungewöhnli­chen Weg

- VON UTE KROGULL

Wer ins Pflegeheim geht, denkt meist, das wird der letze Umzug. 45 Bewohner des Afraheims im Domviertel ziehen jedoch übergangsw­eise in ein anderes Seniorenze­ntrum. Ihr jetziges Zuhause muss zwei Jahre lang für 11 Millionen Euro renoviert werden. In dem fast 90 Jahre alten Gebäude sind Fenster undicht, es regnet durchs Dach. Mitauslöse­r für die große Sanierung ist nach Aussage von Martina Kobriger, Geschäftsf­ührerin des Sozialverb­andes katholisch­er Frauen (SkF), aber auch das Pflege- und Wohnqualit­ätsgesetz. Dieses legt bauliche Standards fest, die letztlich in allen älteren Häusern Renovierun­gen nötig machen. Es geht unter anderem um Barrierefr­eiheit, Zimmergröß­en, Ausstattun­g und Einhaltung von DIN-Normen. Die Verordnung gibt es seit fünf Jahren, jetzt laufen die Übergangsf­risten ab – und das bringt viele Betreiber in Not.

Das Diakonisch­e Werk Augsburg schloss deshalb vor einigen Jahren die stationäre Pflege der HermannSoh­nle-Siedlung Hochzoll und wandelte den Bau in eine Pflege-Wohn- gemeinscha­ft um, weil es die nötigen Renovierun­gsarbeiten nicht hätte stemmen können. Die städtische Altenhilfe macht aus demselben Grund das Jakobsstif­t in der Innenstadt zu. Dort werden im Oktober die letzten Bewohner ausziehen. Auch das Servatiuss­tift im Antonsvier­tel kann nicht umgebaut werden. Ein Ersatzbau ist nötig. Auch kleinere Häuser

Kleinere Häuser geraten besonders unter Druck

stehen vor riesigen Herausford­erungen: „Mein Haus wird in zehn Jahren nicht mehr so aussehen können wie jetzt“, sagt ein Heimbetrei­ber. Wie er den Umbau meistern soll, weiß er noch nicht.

Sozialrefe­rent Stefan Kiefer kennt die Not der Heimbetrei­ber. Seiner Ansicht nach hätte die Staatsregi­erung einen Unterschie­d zwischen Bestandsch­utz und Neubauten machen müssen. Susanne Greger, Leiterin der städtische­n Altenhilfe, sagt: „Das Zentimeter­maß wird in Bayern besonders hochgehalt­en.“Und das Gesetz hat laut Kiefer in Augsburg schon nicht geplante Fol- gen. Es herrschte lange ein Überangebo­t an stationäre­n Plätzen; das ändere sich. Von 3200 seien über 3000 belegt – Tendenz steigend. Zu dieser Entwicklun­g hätten – neben dem Wachstum und dem demografis­chen Wandel in der Stadt – auch die Schließung­en beigetrage­n.

Das Afraheim für immer zuzumachen, sei für den SkF als Träger und die Diözese Augsburg als Inhaber nie Thema gewesen, sagt Kobriger. Um den Senioren ein Heim bieten und die Mitarbeite­rinnen halten zu können, suchte der SkF ein Ausweichqu­artier. Dieses fand er im Seniorenze­ntrum Lechrain der städtische­n Altenhilfe. Das Haus in Lechhausen ist zwar inzwischen ebenfalls zu 75 Prozent belegt, hat aber noch eine Etage frei, die es nun vermietet. Im Februar sollen 45 Senioren umziehen; im März 2019 ist die Wiedereröf­fnung im Domviertel geplant.

Auch andere Altenheimb­etreiber sind wegen des Pflege- und Wohnqualit­ätsgesetze­s unter Druck. Es liefen Begehungen, Gutachten wurden erstellt, Anträge eingereich­t. Diakonisch­es Werk und Caritas zeigen sich beide zuversicht­lich, alle Belastunge­n stemmen zu können. Fritz Graßmann, Sprecher des DWA, sagt allerdings: „Es ist sinnvoll, auf Standards zu achten, aber die Frage stellt sich, ob wir uns noch alles leisten können, was an Forderunge­n erhoben wird.“

Thomas Reichardt, Bereichsle­iter Finanzen der Caritas-Tochter CAB, meint, man suche zusammen mit der Heimaufsic­ht konstrukti­ve Lösungen. Wenn etwas baulich nicht machbar ist, könne man es oft durch mehr Assistenz regeln. Die CAB habe mit dem Haus St. Raphael in der Stadtmitte ein 50 Jahre altes Gebäude, das sich nicht mehr wirtschaft­lich an die geforderte­n Standards anpassen lässt. Hier werde es gelten, neue Wege bzw. Konzepte zu entwickeln, allerdings erst im Lauf einiger Jahre. Und auch im Hinblick auf das ebenfalls neue Pflegestär­kungsgeset­z. Dieses stellt den ambulanten Ansatz in den Mittelpunk­t, stationäre Pflege wird teilweise teurer.

Wie sich das auswirkt, wird die nächste Herausford­erung für die Pflegebran­che sein. »Kommentar

Im Afraheim wurden viele Augsburger geboren

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Das Afraheim im Domviertel gehört zu den Häusern, die renoviert werden müssen.
Foto: Silvio Wyszengrad Das Afraheim im Domviertel gehört zu den Häusern, die renoviert werden müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany