Wird unser Wahlkampf auch so aggressiv?
Immer mehr Amerikaner finden: Donald Trump geht zu weit. Was bedeutet das für Populisten in Europa?
Washington Donald Trump führt einen Populisten-Wahlkampf wie aus dem Lehrbuch. Er präsentiert einfache und radikale Lösungen für komplizierte Probleme. Er macht Ausländer und Muslime zu Sündenböcken und gibt vor, für das „wahre Volk“zu sprechen. Er prangert das politische Establishment als abgehoben, unfähig und korrupt an. Und er spielt die Rolle des energischen Machers, eines mutigen Mannes, der Tabus bricht und möglichst politisch unkorrekt ist. Er verspricht, dass er das Land quasi über Nacht auf Vordermann bringen wird. Lange Zeit brachte ihm dieser Kurs Erfolg auf Erfolg ein, jetzt gerät er ins Stolpern. Das wird man auch in Europa aufmerksam verfolgen. Trumps Wahlkampf – und sein politisches Schicksal – könnten wegweisend sein für das weltweite Phänomen des Populismus.
Bei allen Unterschieden zwischen den USA und jenen EU-Staaten, in denen rechtspopulistische Gruppen auf dem Vormarsch sind, gibt es eben ganz wichtige Parallelen. Viele Trump-Wähler werden von ähnlichen Motiven getrieben wie die Anhänger der Alternative für Deutschland oder der FPÖ in Österreich: Sie haben Angst. Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg, vor Ausländern, vor Überfremdung und vor dem Islam. Sie haben Angst vor der Globalisierung. Sie glauben den etablierten Parteien und deren Politikern nicht mehr. Sie suchen nach einer unverbrauchten Führung, die Schluss macht mit dem ewigen Gezänk und dem Kompromiss-Kult in den Parlamenten.
Auch die Reaktionen des Establishments auf den Aufstieg der Populisten gleichen sich. Zuerst wurde Trump als chancenloser Clown abgetan, jetzt gilt er als Bedrohung für die Demokratie und als gefährlicher Verrückter, der aus einer Laune heraus glatt einen Atomkrieg auslösen könnte. Trumps derzeitige Selbstdemontage durch seine rhetorischen Ausrutscher und Angriffe auf eine muslimische Soldatenfamilie werden geradezu erleichtert kommentiert.
Doch noch ist Trump nicht am Ende. Er kann sich auf die Loyalität von Millionen Wählern verlassen, die in ihm ihre letzte Hoffnung auf Bewahrung eines von weißen Christen dominierten Landes sehen.
Aufschlussreich wird sein, wie Trump auf die Kollision dieser Vision der Erzkonservativen mit der Realität fallender Umfragewerte und komplexer gesellschaftlicher Verhältnisse reagieren wird: Muslimische Patrioten wie die Eltern des getöteten US-Soldaten Khan stellen ihn vor ein Dilemma. Er wirkt momentan recht ratlos. Die beinahe einhellige Welle der Empörung über seinen rüden Umgang mit der Familie Khan – selbst konservative Veteranenverbände verurteilen Trump – zeigt dem Populisten, dass es eben doch Grenzen im Umgang miteinander gibt.
Was also tut ein Populist, wenn selbst seine potenziellen Anhänger finden, dass er zu weit gegangen ist? Sollte Trump seinen Kurs und seine Wortwahl mäßigen und damit in Richtung politische Mitte steuern, wäre das ein Zeichen dafür, dass selbst ein Volkstribun gewisse politische Benimmregeln wahren muss, wenn er Wahlen gewinnen will, dass
Ändert er seinen Kurs, wartet schon das nächste Problem
der Rand eben nicht den Takt vorgibt. Zugleich würde dies allerdings die „bürgerlichen“Politiker aufwerten, die zwar langweilig sein mögen, aber eben auch berechenbarer sind als ein radikaler Hansdampf in allen Gassen. Das will Trump natürlich verhindern.
Bisher gibt es kaum Anzeichen für eine echte Mäßigung des lautstarken Milliardärs, den manche als politischen Bulldozer bezeichnen. Hat er nichts gelernt? Oder bleibt er bewusst auf Kurs, um seine meisten Anhänger nicht zu verprellen? Viele Beobachter erwarten, dass er so weitermachen wird wie bisher – weil der raubeinige Dauerangriff auf alles und jeden eben seinem Naturell entspricht. Weil er von seiner KernAnhängerschaft weiter bejubelt wird und weil er ohnehin nicht anders kann.
Daraus ergibt sich die spannendste Frage von allen: Kann einer wie Trump in einer westlichen Demokratie siegen? Oder steht die spektakuläre Explosion einer politischen Supernova bevor, die am robusten Werterahmen einer bürgerlichen Republik zerbricht? Etablierte Parteien wie populistische Demagogen in Europa werden das „Testlabor“Amerika aufmerksam beobachten.