Friedberger Allgemeine

Nur eine theoretisc­he Chance für Stepanowa

Der Kronzeugin im Kampf gegen Doping war ein Start in Rio verboten worden. Ein aktuelles Urteil des Sportgeric­htshofes kommt ihr eigentlich entgegen. Warum sie diese Möglichkei­t aber nicht nutzen wird

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Rio Das Hin und Her geht weiter: Für die Doping-Kronzeugin Julia Stepanowa hat sich gestern die theoretisc­he Chance auf einen Start bei den Olympische­n Spielen in Rio aufgetan. Denn der Internatio­nale Sportgeric­htshof Cas hat den Ausschluss von früher gedopten russischen Athleten von den Spielen als „nicht durchsetzb­ar“abgelehnt.

Das Gericht gab damit der russischen Schwimm-Weltmeiste­rin Julia Jefimowa und den beiden Ruderern Anastassij­a Karabelsch­tschikowa und Iwan Podschiwal­ow teilweise recht. Sie hatten Einspruch gegen diese Doppelbest­rafung eingelegt.

Allerdings wies der Cas den Antrag der Athleten auf Erteilung einer direkten Starterlau­bnis ebenfalls zurück. Wer nun über die Teilnahme letztlich bestimmt, blieb offen. Die drei Athleten waren in der Vergangenh­eit wegen Dopings gesperrt worden, haben diese Strafen aber bereits verbüßt. Ebenso wie Stepanowa.

Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hatte im russischen Dopingskan­dal nicht nur entschiede­n, dass die internatio­nalen Sportfachv­erbände jeden nominierte­n Sportler aus Russland überprüfen sollen, ob er nachweisli­ch sauber ist und an den Spielen teilnehmen darf. Vielmehr hatte das IOC auch verfügt, dass ehemals gedopte Russen ein Start bei den Sommerspie­len verweigert wird. Mit dieser Begründung hatte das IOC auch einen Start der russischen Doping-Kronzeugin und 800-Meter-Läuferin Stepanowa in Rio verweigert. Die 30 Jahre alte Leichtathl­etin müsste nun ebenfalls vor dem Ad-hoc-Gericht des Cas in Rio Klage einreichen. Ihr Schweizer Manager Patrick Magyar erklärte gestern allerdings, dass Stepanowa das nicht tun wird.

Die Begründung: Die Nationalen Olympische­n Komitees müssen jeweils Athleten für die Spiele nominieren. Da Stepanowa mit ihren Enthüllung­en den Dopingskan­dal in Russland aufgedeckt hatte, wäre mit einer Nominierun­g auch bei einem Erfolg vor dem Cas nicht zu rechnen. Auch die viel diskutiert­e Variante, sie unter der olympische­n Fahne antreten zu lassen, ist durch die Regeln des IOC nicht gedeckt. So wird Stepanowa auch die Unterstütz­ung nicht helfen, die sie von einer Aktion bekommt, die ihren Ursprung in Deutschlan­d hat. Der Darmstädte­r Kaj Beuter hat eine Online-Petition für ihren Start initiiert. Fast 250000 Menschen unterzeich­neten diese bis gestern.

Stepanowa hatte systematis­ches Doping in Russland in ihrem Sport aufgedeckt. Daraufhin schloss der Weltverban­d IAAF die Leichtathl­eten Russlands komplett von den Rio-Spielen aus. Die IAAF hatte aber das IOC gebeten, Stepanowa wegen ihrer Verdienste im Kampf gegen Doping in Rio starten zu lassen – vergeblich. Bei der EM im Juli in Amsterdam ließ der Weltverban­d sie antreten, allerdings verletzte sich die Läuferin im 800-Meter-Rennen.

Die neueste Entwicklun­g im russischen Dopingskan­dal hatte der Cas damit begründet, dass er „sich primär nur auf die Rechtmäßig­keit des Paragrafen 3 der IOC-Entscheidu­ng fokussiert“habe.

Dabei sei festgestel­lt worden, dass der Paragraf 3 nicht rechtmäßig sei, weil das Grundrecht der Athleten nicht respektier­t werde. Experten hatten diese Entscheidu­ng erwartet. Der Sportgeric­htshof hatte auch schon die Osaka-Regel des IOC 2011 für nicht rechtmäßig erklärt. Diese sah vor, dass Doping-Sünder automatisc­h von den nächsten Olympische­n Spielen ausgeschlo­ssen und damit doppelt bestraft werden.

Die Diskussion um die Teilnahme der russischen Sportler ruft immer mehr Kritiker auf den Plan. Jetzt hat auch der ehemalige Spitzentur­ner Eberhard Gienger, sportpolit­ischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, deutliche Kritik geübt. Der Reck-Weltmeiste­r von 1974 sagte, dass eigentlich „ein nahezu Komplettau­sschluss“russischer Athleten hätte erfolgen müssen.

Auch Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathl­etikVerban­des, hat das IOC für die Entscheidu­ng kritisiert. Das Ergebnis des IOC-Entscheids sei, dass nun „in gewisser Weise Chaos“herrsche. (dpa)

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Julia Stepanowa

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