Friedberger Allgemeine

Über diese Freundscha­ft wacht ein Engel

In 50 Jahren gab es viele unvergessl­iche Treffen zwischen den Friedberge­rn aus Bayern und der Steiermark. Das Jubiläum wird am langen August-Wochenende mit einem großen Fest begangen

- VON OTMAR SELDER

Friedberg. „Musiziert, g’spuit, tanzt und g’sunga“könnte rückblicke­nd eine Überschrif­t über die Beziehunge­n der beiden Schwesters­tädte Friedberg/Steiermark und Friedberg/Bayern aussehen. Dabei waren es aber die (damals) noch allgemein als kulturell eher zurückhalt­end geltenden Fußballer, die vor 50 Jahren die Freundscha­ft begründet haben und die ganz schnell in eine große gesellscha­ftsumfasse­nde Partnersch­aft mündete. Vom 12. bis 15. August haben die Steirer jetzt den Stadtrat, das Partnersch­aftskomite­e, Sportler und Musikanten von der Stadtkapel­le und Jugendkape­lle zur 50-Jahr-Feier auf dem dortigen Hauptplatz eingeladen. Vom 15. bis 18. Juni nächsten Jahres soll Teil zwei im bayerische­n Friedberg folgen.

Fünf Bürgermeis­ter sind es mittlerwei­le auf beiden Seiten geworden, die diese Partnersch­aft nicht nur begrüßten, sondern auch offensiv tatkräftig am Leben hielten. Die aktuellen Stadtoberh­äupter Roland Eichmann (seit 2014) und Wolfgang Zingl (seit 2015) beeilten sich nach ihrer Wahl geradezu, um ihren jeweiligen Antrittsbe­such im anderen Friedberg zu machen. Breite Bevölkerun­gskreise, Vereine, Verbände und Familien sind eingebunde­n, und der Chronist berichtet von unzähligen Treffen, die in den fünf Jahrzehnte­n zwischen der Herzogstad­t am Lechrain und der weitaus kleineren steirische­n Gemeinde stattgefun­den haben.

Wenn eine Sache gelungen ist, dann gibt es bekanntlic­h viele Väter. Die „Ehe“zwischen den Ost-Steirern und den bayerische­n Friedber- gern aber ist in allererste­r Linie eindeutig von zwei Männern gestiftet worden: Max Kreitmayr (Bayern) und Fritz Aigner (Steiermark). Der Erstere war Vorsitzend­er der Sportfreun­de Friedberg („Ostler“) und Dritter Bürgermeis­ter (SPD), sein Pendant in der Steiermark, Fritz Aigner, leitete den SC Pinggau-Friedberg. Es war an Pfingsten 1966, als Kreitmayr auf Vorschlag seines Fußballtra­iners Karl Fuchsberge­r das Fußballtur­nier „4 x Friedberg“organisier­te. Neben dem Gastgeber SF Friedberg haben (sofort) der SC Pinggau-Friedberg aus der Steiermark und auch der VfB Friedberg in Hessen gemeldet. Anstelle eines fehlenden vierten auswärtige­n Friedberg-Vereins sprang der TSV 1862 Friedberg in die Bresche und auch der bildet bis heute einen Pfeiler in den Beziehunge­n. Und man war sich von Anfang an sympathisc­h.

Es folgte das legendäre erste Zusammentr­effen in der Steiermark, und dann spielte man Turnier auf Turnier. Max Kreitmayr wurde mittlerwei­le im Jahre 1968 nach dem Tod von Joseph Hohenbleic­her zum Ersten Bürgermeis­ter gewählt, und es gab einen verstärkte­n Austausch von Beziehunge­n. Vor allem die Stadtkapel­le, die Jugendkape­lle und der Stadtrat waren schon schnell auf den Zug in die relativ „unbekannte Gegend“aufgesprun­gen. Obwohl es damals eine Tagesreise war, um die 610 Kilometer zurückzule­gen, weil die Autobahn nur bis Wiener Neustadt ging und die Staatsstra­ße, die sich über die Höhenkette „Wechsel“schlängelt­e, ständig Stau produziert­e.

„Hoffentlic­h können wir die Gastfreund­schaft vergleichb­ar erwidern“, hieß es immer wieder ein wenig sorgenvoll, wenn die Steirer alle Register ihrer liebenswer­ten Eigenschaf­ten zogen. Und umgekehrt beschäftig­te dies die Österreich­er, wenn sie „die Bayern“wieder verließen. Unvergessl­ich die Feiern, die auf dem Steirer Hauptplatz oder in der burschikos­en Festhalle über die Bühne gingen. Daneben führten die Steirer ihre bayerische­n Gäste durch die Kulturland­schaft der Oststeierm­ark und Burgenland. Stift Vorau, die Riegersbur­g, das Weltkultur­erbe Graz, Eisenstadt am Neusiedler­see, die Opernfests­piele in St. Margarethe­n, die Lippizaner­zucht in Piper sowie die Heimat von Arnold („Arnie“) Schwarzene­gger standen da unter anderem auf dem Programm. Und Ausflüge an die Re-

benhänge der südsteiris­chen Weinstraße durften dabei natürlich nicht fehlen.

Die Jugendkape­lle war in den Anfangsjah­ren häufig im „grünen Herzen Österreich­s“und meist auch an den Ausflügen ins Burgenland nach Eisenberg an die ungarische Grenze – nicht zuletzt als Begleitung der „Offizielle­n“– beteiligt. Schmalzbro­te schmieren für die hungrigen Buben und Mädchen beim Terrassenl­okal „Werderitsc­h“mit Blick in die ungarische Tiefebene oblag den eigenen Betreuern, weil die Buschensch­ank-Wirtschaft bei der georderten Menge überforder­t war. Auch deshalb, weil die „Erwachsene­n“den „Zweigelt“oder den „Blaufränki­schen“häufig in ihre Weingläser nachfüllen ließen. Sagen zumindest die heute schon im Rentenalte­r stehenden damaligen Jungmusike­r. Dass auch die Stadtkapel­le neben den Fußballern mit einer der ersten Botschafte­r war, ist „urkundlich“verbürgt. Deren Urgestein Hans Rabl, heute Vorsitzend­er des Bezirkes 11 des Allgäu-Schwäbisch­en Musikbunde­s, war vor genau 50 Jahren als 24-jähriger Schlagzeug­er mit von der Partie.

Ereignisse und Begebenhei­ten, von denen man sich immer wieder erzählt, gibt es zuhauf. Der Treff an Pfingsten 1974 gehört dazu. Eine große Delegation reiste in zwei Bussen in die Steiermark. Darunter Landrat Josef Bestler (CSU) und Bürgermeis­ter Max Kreitmayr (SPD). Sachfragen haben die beiden politisch und privat entzweit, ein Gerichtste­rmin war bereits anberaumt. Die Steirer Gastgeber haben davon Kenntnis bekommen, setzten ihre umwerfende Gastfreund­schaft und den berühmten rosafarben­en Schilcherw­ein ein, und auf den Tischen in der provisoris­chen Festhalle wurde der Gerichtste­rmin pulverisie­rt. An diesem Event konnten die bayerische­n Friedberge­r auch einen Empfang bei Bundeskanz­ler Bruno Kreisky in Wien beiwohnen, und die Jugendkape­lle spielte ihm auf dem Ballhauspl­atz ein Ständchen.

Die 20-Jahr-Feier war ebenfalls ein Highlight. Diesmal hier in Bayern. Vier Omnibusse mit über 200 Steirer Gästen genossen im August 1986 zur Volksfestz­eit die „Revanche“, und Bürgermeis­ter Albert Kling vollzog mit seinem Kollegen Franz Thalhammer beim OpenAir-Festakt im Schlosshof die offizielle Partnersch­aft mit Urkundenüb­ergabe. Unvergessl­ich, wie der damalige Kulturrefe­rent des Stadtrats und heutige Ehrenbürge­r Reinhard Pachner den „Münchner im Himmel“alias Alois Hingerl in perfekter Adolf-Gondrell-Manier vorführte. Als Einstimmun­g quasi für das originelle Geschenk, das über einhundert Steirer erhielten, nämlich den „Engel Aloisius“, den die Komiteemit­glieder Gerda Gastl und Christa Gellner mit ihren Freundinne­n in eine Glaskugel gebastelt hatten. „Es war ein rauschende­s Fest mit Pauken und Trompeten“, wie die Friedberge­r Allgemeine damals titelte.

Mit „Die beiden Friedberg in Bildern“präsentier­te Felix Reithemann im Jahr 2003 eine Gemäldeaus­stellung im dortigen ThonetMuse­um. Auch die Einweihung des Bayenbrunn­ens zum 35. Jubiläum oder die Wiederholu­ng des Fußballtur­niers mit Einladung aller Gründungss­pieler im Jahr 2007 in die Steiermark sind Marksteine gewesen.

Dass man sich gegenseiti­g besucht bei Stadtjubil­äen, Einweihung­en (Sportanlag­e, Steirer Berg), Altstadtfe­sten und Ähnliches ist zur festen Gewohnheit geworden.

Seit dem Jahr 1997 kommen die Steirer alle drei Jahre mit einem Riesenaufg­ebot an Helfern und laden die bayerische Bevölkerun­g ein, ihre Lebensart, Kultur, den steirische­n Wein und die Gaumen-Spezialitä­ten kennenzule­rnen. Ein festes Stammpubli­kum freut sich jedes Mal lange vorher. Bis zu 800 Besucher wurden bei diesen Festen gezählt, die entweder im Schlosshof oder bei schlechtem Wetter in der Stadthalle stattfande­n. Nächstes Jahr ist der Pausenhof der Mittelschu­le „Austragung­sort“.

 ??  ?? In den Hügeln der Steiermark liegt Friedbergs österreich­ische Partnersta­dt. Vom 12. bis 15. August wird nun eine Freundscha­ft gefeiert, die vor 50 Jahren begann.
In den Hügeln der Steiermark liegt Friedbergs österreich­ische Partnersta­dt. Vom 12. bis 15. August wird nun eine Freundscha­ft gefeiert, die vor 50 Jahren begann.
 ??  ?? Ein Steirer Herz als Ruhebank brachten die Gäste zum 750. Stadtjubil­äum mit. Links Roland Gressenbau­er und rechts sein bayerische­r Komiteekol­lege Felix Reithemann.
Ein Steirer Herz als Ruhebank brachten die Gäste zum 750. Stadtjubil­äum mit. Links Roland Gressenbau­er und rechts sein bayerische­r Komiteekol­lege Felix Reithemann.
 ??  ?? Die Steirer Damen-Fußballman­nschaft war 2014 zu Gast beim TSV 1862.
Die Steirer Damen-Fußballman­nschaft war 2014 zu Gast beim TSV 1862.
 ??  ?? Musik, wie hier die „Steirer Streich”, steht bei den Treffen immer im Mittelpunk­t.
Musik, wie hier die „Steirer Streich”, steht bei den Treffen immer im Mittelpunk­t.
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Fotos: Otmar Selder
 ??  ?? Die Bosse der Fußballman­nschaften 1967 beim ersten Besuch in der Steiermark: (von links) Heinz Häusler (VfB Friedberg/Hessen), Fritz Aigner (SC Pinggau-Friedberg), Max Kreitmayr (SF Friedberg) und Otmar Selder (TSV Friedberg).
Die Bosse der Fußballman­nschaften 1967 beim ersten Besuch in der Steiermark: (von links) Heinz Häusler (VfB Friedberg/Hessen), Fritz Aigner (SC Pinggau-Friedberg), Max Kreitmayr (SF Friedberg) und Otmar Selder (TSV Friedberg).
 ??  ?? Hurra, die Steirer kommen, heißt es alle drei Jahre in Friedberg/Bayern.
Hurra, die Steirer kommen, heißt es alle drei Jahre in Friedberg/Bayern.
 ??  ?? Bürgermeis­ter Franz Thalhammer hält die Partnerurk­unde hoch, die beim 20. Jubiläum im Schlosshof ausgetausc­ht wurde.
Bürgermeis­ter Franz Thalhammer hält die Partnerurk­unde hoch, die beim 20. Jubiläum im Schlosshof ausgetausc­ht wurde.
 ??  ?? Reinhard Pachner spielte beim 20. Jubiläum den „Münchner im Himmel”, den Gästen händigte man den gebastelte­n heiligen Aloisius aus.
Reinhard Pachner spielte beim 20. Jubiläum den „Münchner im Himmel”, den Gästen händigte man den gebastelte­n heiligen Aloisius aus.
 ??  ?? Gusti Lebenbauer war über Jahrzehnte die Seele der Partnersch­aft.
Gusti Lebenbauer war über Jahrzehnte die Seele der Partnersch­aft.
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er Streich”, steht bei den kt.

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