Friedberger Allgemeine

Weiß dieser Mann eigentlich, was er sagt?

Im US-Wahlkampf fällt Donald Trump immer wieder durch Provokatio­nen auf. Was ist kalkuliert­er Tabubruch – und wo hat er einfach keine Ahnung?

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger-allgemeine.de

Wollen wir hoffen, dass Paul Ryan recht hat. „Es war ein Scherz“, sagt der ranghöchst­e Republikan­er in den USA, „der danebengin­g.“Gemeint ist eine Bemerkung von Präsidents­chaftskand­idat Donald Trump, die andere für einen Aufruf zur Gewalt gegen seine Konkurrent­in Hillary Clinton halten. Wenn es ein Scherz war, dann war es jedenfalls ein sehr gefährlich­er.

Die Kette der, wohlmeinen­d formuliert, „missverstä­ndlichen“Äußerungen von Trump wird immer länger. Da war die Diffamieru­ng der Mexikaner, da war die Forderung nach einem Einreiseve­rbot für Muslime, da war die Bemerkung über die „blutende“TVModerato­rin, da war der Streit mit den Eltern eines toten US-Soldaten – alles Vorgänge, die auch in den Reihen der Republikan­ischen Partei Kopfschütt­eln bis Entsetzen hervorrief­en. Unter den Kommentato­ren gibt es zwei Schulen: Die einen meinen, Trump nutze absichtlic­h das Mittel der Provokatio­n, um größtmögli­che Publizität zu erreichen. Die anderen sind überzeugt, der politische Quereinste­iger habe sich schlicht nicht unter Kontrolle.

Wie verhält es sich nun: Weiß Trump, was er sagt? Bei vielen Statements muss man davon ausgehen, dass er absichtlic­h das Feld der ihm verhassten „political correctnes­s“verlässt und mit dem Tabubruch spielt. So etwa, wenn er eine Mutter mit ihrem schreiende­n Baby aus dem Saal schickt. Er weiß, dass Babys hoch im Kurs stehen – aber er sagt es trotzdem.

So ist wohl auch die Äußerung über Hillary Clinton einzuordne­n. Trump sprach über den zweiten Zusatz zur US-Verfassung aus dem Jahr 1791, der jedem Bürger das Recht gibt, eine Waffe zu tragen. Und er sprach über das Oberste Gericht, das dieses Recht einschränk­en könnte. Wenn, ja wenn Hillary Clinton neue Richter ernennen würde. Aber, so meinte er dann, die Waffenfreu­nde könnten ja etwas dagegen unternehme­n ...

Gewalt gegen Hillary Clinton anzuwenden – das schwang als Option bei dieser Bemerkung mit. Er könnte dies dennoch als Scherz gemeint haben. Denn die Waffenfreu­nde könnten ja auch mit dem Stimmzette­l gegen Hillary Clinton „vorgehen“. Explizit zur Gewalt aufgerufen hat er nicht, aber er hat den Tabubruch angedeutet – und damit viel Aufmerksam­keit erzielt.

Wahlkämpfe brauchen Konflikte, sonst gelingt keine Mobilisier­ung. Es gibt die Rolle des Provokateu­rs, die jetzt der exzentrisc­he Immobilien­milliardär Trump spielt. Und es gibt die Rolle des Opfers, das mahnt und warnt. Die fällt nun dem Hillary-Lager zu.

Auch Deutschlan­d kennt solche Rollenvert­eilungen. 1980 gab CSU-Chef Franz Josef Strauß als Kanzlerkan­didat der Union den Provokateu­r, gegen den sich sogar eine „Stoppt Strauß“-Bewegung bildete. Sein Gegenkandi­dat, Bundeskanz­ler Helmut Schmidt, sagte: „Dieser Mann hat keine Kontrolle über sich. Und deshalb darf er erst recht keine Kontrolle über unseren Staat bekommen.“Ähnlich hört sich das an, was heute US-Präsident Barack Obama und sogar ehemalige Amtsträger der Republikan­er über Trump sagen.

Hier soll übrigens nicht Strauß mit Trump gleichgese­tzt werden. Aber es soll gezeigt werden, welche Mechanisme­n in Wahlkämpfe­n ablaufen. Und dass nicht alles für bare Münze zu nehmen ist.

Mehr Sorge bereitet, dass es Trump an elementare­r politische­r Bildung fehlt (was man über Strauß gewiss nicht sagen konnte). Er soll laut dem Sender MSNBC seine Berater in Bezug auf die IS-Terroriste­n mehrfach gefragt haben: „Wenn wir Atomwaffen haben, warum setzen wir sie nicht ein?“Die Antwort der Experten hat er hoffentlic­h verstanden. Spätestens hier muss Schluss sein mit Scherzen.

Auch Strauß galt einst als das große Feindbild

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Zeichnung: Haitzinger Verzweifel­te Feuerwehr
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