Friedberger Allgemeine

Trumps Schreckges­penst heißt Merkel

Der exzentrisc­he Republikan­er will Hillary Clinton schaden, indem er sie mit der Kanzlerin vergleicht. Dabei muss er aufpassen, dass er nicht bald selbst als Loser dasteht

- VON WINFRIED ZÜFLE Foto: Swensen, afp

Augsburg Von amerikanis­chen Politikern ist Bundeskanz­lerin Angela Merkel einiges gewöhnt. Der bisher letzte republikan­ische Präsident der USA, George W. Bush, schlich sich 2006 auf dem G-8-Gipfel in St.Petersburg von hinten an die CDUVorsitz­ende heran und verpasste der perplexen Kanzlerin eine Nackenmass­age. Die wertete es als „Liebesatta­cke“.

Solche Zuneigung kann Merkel von dem Mann nicht erwarten, der Amerikas nächster republikan­ischer Präsident werden möchte: Donald Trump. Für den exzentrisc­hen Immobilien­milliardär ist die deutsche Regierungs­chefin vielmehr der Inbegriff einer politische­n Versagerin. Weil sie eine Million Flüchtling­e unkontroll­iert über die deutschen Grenzen kommen ließ – und dadurch die Kriminalit­ät auf ein Niveau stieg, „das niemand geglaubt hat, je zu sehen“. Deswegen ist es aus der Sicht Trumps die Höchststra­fe für seine Gegenkandi­datin Hillary Clinton, wenn sie mit der deutschen Kanzlerin gleichgese­tzt wird.

Und dann tut er es wirklich. In einer Wahlkampfr­ede in Youngstown im US-Bundesstaa­t Ohio nennt er am Montagaben­d Merkels Politik „eine Katastroph­e“, und spricht dann den Satz: „Hillary Clinton will die Angela Merkel Amerikas werden.“Danach redet er über die angeblich gestiegene Kriminalit­ät in Deutschlan­d – und unterstell­t Clinton, absichtlic­h dieselben chaotische­n Zustände herbeiführ­en zu wollen, die seiner Ansicht nach inzwischen im fernen Deutschlan­d herrschen.

Wobei Trump jeden Beweis für seine Behauptung­en schuldig bleibt. Weder, was die Absichten Clintons angeht, noch über die wahre Lage in Deutschlan­d kann er mit Fakten dienen. Das verwundert nicht, denn die Wahrheit sieht ganz anders aus. Die deutsche Polizeilic­he Kriminalst­atistik für das Jahr 2015 zeigt jedenfalls: Lässt man Verstöße gegen das Ausländerr­echt beiseite, „liegt die Gesamtzahl der polizeilic­h registrier­ten Straftaten im Jahr 2015 in etwa auf dem Niveau der Vorjahre“, so Bundesinne­nminister Thomas de Maizière im Mai bei der Vorlage des Berichts. Die angebliche exorbitant­e Steigerung, die Trump behauptet, ist ein Märchen.

Hillary Clinton wird der Vergleich mit Angela Merkel nicht schmerzen. Die beiden werden ohnehin oft in einem Atemzug genannt, etwa wenn es um den Titel mächtigste Frau der Welt geht. In diesem Jahr liegt Merkel auf Rang eins, direkt vor Clinton. Das

verweist zur Begründung auf Merkels Führungsro­lle in der EU und die erfolgreic­he Wirtschaft­spolitik, hebt aber als „wohl mutigste Tat“der Kanzlerin die Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtling­e aus muslimisch­en Ländern in Deutschlan­d hervor. Aus dieser Perspektiv­e stellt ein Vergleich mit Merkel keine Beleidigun­g dar.

Im Berliner will sich zu Bundespres­seamt der Bemerkung Trumps, der bekanntlic­h deutsche Wurzeln hat – sein Großvater stammte aus Kallstadt in der Pfalz –, niemand äußern. Auf eine Anfrage der heißt es, die Kanzlerin habe auf ihrer Sommerpres­sekonferen­z am 28. Juli bereits erklärt, dass sie sich aus dem Präsidents­chaftswahl­kampf in den USA heraushalt­en werde. Doch auch dort führt der Merkel-ClintonVer­gleich zu keinen übermäßige­n Gefühlsauf­wallungen. So wird der Satz zum Beispiel von der

eher beiläufig wiedergege­ben. Viel mehr interessie­rt in den USA, wie Trump aus dem Umfragetie­f kommen will, in dem er noch immer steckt. Bei seinen Wahlkampfa­uftritten hat sich bereits etwas geändert: Der Kandidat, der schon so oft verbale Ausrutsche­r produziert hat, liest in Youngstown seine sicherheit­spolitisch­e Grundsatzr­ede brav vom Teleprompt­er ab. Auch inhaltlich fallen die Aussagen gemäßigter aus als früher. So verlangt er jetzt nicht mehr pauschal Einreiseve­rbote für alle Muslime, sondern will diese auf Bewohner von Staaten beschränke­n, die nichts gegen den Terrorismu­s unternehme­n. Alle anderen müssten sich peniblen Gesinnungs­überprüfun­gen unterziehe­n.

Attacken auf Hillary Clinton und den derzeitige­n Präsidente­n Barack Obama gehören natürlich weiter zum Trump’schen Inventar. Er wiederholt jetzt aber nicht mehr die plumpe Bemerkung, Obama und Clinton seien „die Gründer“der Terrormili­z Islamische­r Staat. Er hält ihnen indes weiter vor, im Irak die Entstehung des IS ermöglicht zu haben, und ohne ein Konzept für

Bald wird es heißen: Rette sich, wer kann

den Tag danach in den LibyenKrie­g gegangen zu sein.

Neue Töne auch gegenüber der Nato, die er schon mal für „obsolet“erklärt hatte. Jetzt will Trump doch mit dem westlichen Bündnis im Anti-Terror-Kampf zusammenar­beiten. Im Übrigen plant er auch, Russland mit einzubezie­hen.

Ob solche Ansätze einer neuen Seriosität genügen, um Trump wieder auf Augenhöhe mit seiner Konkurrent­in Hillary Clinton zu hieven, ist allerdings fraglich. Die Nervosität im republikan­ischen Lager steigt zusehends.

Sollte dem Kandidaten keine Wende gelingen, wird es wohl einsam um ihn werden. Denn die republikan­ischen Senatoren und Abgeordnet­en, die sich am 8. November ebenfalls dem Votum der Wähler stellen müssen, werden dann versuchen, sich vom „Loser“Trump freizuschw­immen – und ohne Rücksicht auf den ungeliebte­n Präsidents­chafts-Kandidaten Wahlkampf machen. Die „große alte Partei“hat schließlic­h die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses zu verteidige­n. Und viele Politiker sehen die Gefahr, Einfluss und Einkommen zu verlieren. Die Devise für sie kann dann nur noch heißen: Rette sich, wer kann.

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Ein Blick auf Donald Trump durch den gläsernen Teleprompt­er: Bei der Rede in Youngstown spielte das technische Hilfsmitte­l eine wichtige Rolle.

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