Scharfer Streit um Islamist Erhan A.
Innenminister Herrmann (CSU) verteidigt Abschiebung des Mannes aus Kempten, der offenbar in Syrien den Tod fand. Grüne sprechen von „Terrorexport“
München Der mutmaßliche Tod des aus Bayern ausgewiesenen Allgäuer Islamisten Erhan A. im Krieg in Syrien hat eine heftige Debatte über den Umgang mit potenziellen Gewalttätern in Bayern ausgelöst. Der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, übte scharfe Kritik am bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Gewalttäter, die in Bayern aufgewachsen sind und sich in Bayern radikalisiert haben, müssen in Bayern bestraft und möglichst resozialisiert werden. Ein Terrorexport von Gewalttätern löst keine Probleme.“
Der Innenminister wies diese Kritik im Gespräch mit unserer Zeitung zurück und verteidigte die Abschiebung des türkischen Staatsbürgers in die Türkei. „Ich stehe zu 100 Prozent zu dieser Entscheidung. Wir hatten es damals mit einer Bedrohung im eigenen Land zu tun.“Es habe sich, so Herrmann, um einen Ausnahmefall gehandelt. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebung sei gerichtlich ausdrücklich bestätigt worden.
Erhan A., der im Alter von zwei Jahren mit seinen Eltern nach Kempten kam, dort zur Schule ging, Abitur machte und sogar ein Wirtschaftsstudium begann, war 2014 bekannt geworden. Er hatte damals im Alter von 22 Jahren dem Magazin der
ein Interview gegeben, darin seine Radikalisierung beschrieben, sich zur Terrormiliz Islamischer Staat bekannt und unter anderem gesagt: „Ich würde sogar meine eigene Familie töten, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stellt.“
Wenige Tage nach dem Interview ließ Herrmann den jungen Mann, der schon zuvor unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestanden hatte, festnehmen. Erhan A. kam in Abschiebehaft und wurde kurze Zeit später in sein Heimatland ausgeflogen – in Absprache mit den türkischen Behörden. Herrmanns Begründung damals: „Jemand, der in aller Öffentlichkeit die Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat gutheißt, das Köpfen von Journalisten rechtfertigt und nicht davor zurückschreckt, seine eigene Familie zu töten, wenn sie sich nicht an die islamischen Gesetze hält, hat bei uns nichts zu suchen.“
Auch nach den Berichten über den angeblichen Tod des Kemptener Islamisten vertritt der Innenminister diese Auffassung. Normalerweise würden Gefährder aus Deutschland an der Ausreise gehindert. Erhan A. aber sei ein Ausnahmefall gewesen, weil er ganz konkret mit Straftaten in Deutschland gedroht habe. Dass Erhan A. es aus der Türkei nach Syrien geschafft habe, liege außerhalb des Verantwortungsbereichs bayerischer Behörden. Eigentlich, so der ursprüngliche Plan, hätten die türkischen Behörden ihn unter Beobachtung halten sollen.
Grünen-Fraktionschef Hartmann sieht sich dagegen in seiner Kritik bestätigt. Er wies gestern darauf hin, dass sowohl der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch das Bundesinnenministerium verhindern wollen, dass militante Islamisten in die Kriegsgebiete nach Syrien ausreisen können. Die Grünen hätten schon damals befürchtet, dass die Türkei für Erhan A. nur Transitland auf dem Weg zur Front sei. Er habe sich, wie erwartet, in Syrien militanten islamistischen Gruppen angeschlossen. Sollten sich die Bebundesweit richte über seinen Tod bestätigen, zeige dies deutlich die verfehlte CSU-Politik. Die Abschiebung habe nicht zur Sicherheit beigetragen, sondern ganz im Gegenteil einen weiteren Kämpfer in die Region gebracht. Hartmann fordert: „Gegen islamistischen Terrorismus muss konsequent vorgegangen, islamistische Strukturen müssen lückenlos überwacht und Gefährder an der Ausreise gehindert werden.“Außerdem müsse mehr für Prävention und Deradikalisierung getan werden.
In diesem letzten Punkt stimmt auch Herrmann dem Fraktionschef der Grünen zu. Sein Ministerium, so sagte er gestern, sei gerade dabei, ein Konzept gegen die Anwerbung von Flüchtlingen durch Islamisten zu entwickeln.
Im Zeitraum von September 2015 bis Juli 2016 hat der Verfassungsschutz in Bayern rund 100 Hinweise auf mutmaßliche Kontaktaufnahmen von Islamisten zu Flüchtlingen bekommen. „Das ist ein Thema, das uns große Sorgen bereitet“, sagte Innenminister Herrmann. Hier müssten alle zusammen helfen – das Personal in den Aufnahmeeinrichtungen, die vielen ehrenamtlichen Helfer und die große Mehrheit der Flüchtlinge, die vor dem Terror geflohen sind. »Kommentar
„Ich stehe zu 100 Prozent zu der Entscheidung. Wir hatten es mit einer Bedrohung im eigenen Land zu tun.“Bayerns Innenminister
Joachim Herrmann