Friedberger Allgemeine

Wurde das Theater ohne Not geschlosse­n?

Ein Bausachver­ständiger zweifelt die Entscheidu­ng der Stadt an. Das Große Haus, sagt er, hätte noch ein Jahr genutzt werden können. Wie er das begründet und was die Stadt dazu sagt

- VON NICOLE PRESTLE

Hat die Stadt das Theater Augsburg ohne Not zu früh geschlosse­n? Hätten den Steuerzahl­ern Millionena­usgaben für Übergangss­pielstätte­n erspart werden können? Der Augsburger Brandschut­zexperte Wolfgang Rösener sagt Ja: „Der Spielbetri­eb im Großen Haus hätte noch für bestimmt ein Jahr aufrechter­halten werden können.“Selbst der Opernball hätte, glaubt er, 2017 noch im Großen Haus stattfinde­n können.

Rösener stützt seine Aussage unter anderem auf Protokolle von Gesprächen, die die Stadt in den vergangene­n Monaten mit Theaterleu­ten, Architekte­n und Brandschut­zexperten geführt hat. Diese Gespräche sowie diverse Untersuchu­ngen im Großen Haus hatten schließlic­h dazu geführt, dass die Hauptspiel­stätte des Theaters zum 20. Juni – und damit ein Jahr früher als geplant – geschlosse­n wurde. Begründung: Bräche ein Feuer im Garderoben­bereich aus, könnte der Zuschauerr­aum nicht schnell genug evakuiert werden. Es bestünde Gefahr für das Leben der Theaterbes­ucher.

Rösener, der von den Initiatore­n des Bürgerbege­hrens gegen die Sanierungs­pläne beauftragt wurde, zweifelt dies an. „Was hier passiert ist, ist eine Schlampere­i. Es kommt mir so vor, als habe die Stadt einen Schnellsch­uss gemacht.“Der Bausachver­ständige begründet seine Einschätzu­ng unter anderem mit Widersprüc­hen in internen städtische­n Mitteilung­en. Ein Beispiel: Das Amt für Brand- und Katastroph­enschutz, an dessen Spitze Frank Habermaier steht, hatte nach einem Besichtigu­ngstermin im Mai betont, „dass eine Räumung des Zuschauerr­aumes ohne Rauchbeläs­tigung möglich sein wird“. Im Bescheid des Bauordnung­samtes, der gut zwei Wochen später herausging und der schließlic­h zur Schließung des Theaters führte, heißt es dagegen: „... eine geordnete Entfluchtu­ng der betroffene­n Räumlichke­iten (Foyer und Zuschauerr­aum, d. Red) wäre nicht mehr möglich“. Auch Habermaier ruderte später zurück: Er wolle die Verantwort­ung für einen Spielbetri­eb im Großen Haus nicht mehr übernehmen.

Rösener hält solch widersprüc­hliche Aussagen für „sehr bedenklich“. Abgesehen davon hätte die Situation im Großen Haus seiner Ansicht nach binnen weniger Wochen entschärft werden können: Rösener schlägt unter anderem vor, die Decke im Garderoben­bereich so zu verschließ­en, dass kein Rauch in den Zuschauerr­aum gelangen kann. Durch den Einbau zusätzlich­er Funk-Rauchmelde­r wäre eine rasche Feuermeldu­ng gewährleis­tet. „Das alles sind Maßnahmen, die noch immer gemacht werden können.“Die Kosten schätzt Rösener auf unter 50 000 Euro.

Wie viel Geld die Stadt aufgrund der vorzeitige­n Schließung zusätzlich auf die Theatersan­ierung auf- schlagen muss, ist bislang nicht bekannt. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel will am Donnerstag im Ferienauss­chuss berichten, wie teuer die Anmietung der Schwabenha­lle und einer Industrieh­alle im Martinipar­k voraussich­tlich kommt. Beide Spielstätt­en mussten kurzfristi­g organisier­t werden, damit das Theater seinen Spielplan für die neue Saison wenigstens halbwegs umsetzen kann. Manche Projekte werden sich aber gar nicht oder nur in abgespeckt­er Variante umsetzen lassen, was wohl wiederum zu Einnahmeau­sfällen führen wird. Dies sind Gründe, die Rösener nach eigener Aussage dazu bewegten, sich die Akten der Stadt anzusehen. „Eine Vergütung habe ich für mein Gutachten nicht bekommen.“

Die Initiatore­n des Bürgerbege­hrens, die Rösener um sein Gutachten gebeten hatten, haben nun ein Schreiben an Oberbürger­meister Kurt Gribl verfasst. Die Sanierungs­kritiker schlagen vor, dass die Situation im Großen Haus durch einen neutralen Prüfsachve­rständigen für Brandschut­z untersucht werden soll. Denn eine Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs am Kennedypla­tz erspare nicht nur einen mehrstelli­gen Millionenb­etrag für Übergangss­pielstätte­n. Er schaffe auch die Zeit, alternativ­e Planungsva­rianten anzugehen.

Die Stadt sagte gestern auf AZAnfrage, die Schließung des Theaters sei „ausschließ­lich aufgrund fachlicher Einschätzu­ng, unter anderem des Amts für Brand- und Katastroph­enschutz, und mit Blick auf die Sicherheit des Publikums und der Theatermit­arbeiter veranlasst“worden. Rösener habe sein Gutachten erstellt, ohne im Theater gewesen zu sein. Seine Ergebnisse würden nun „einer detaillier­ten und seriösen Prüfung unterzogen“. Wenn diese abgeschlos­sen sei, könne eine Beurteilun­g seitens der Stadt erfolgen. »Kommentar

„Was hier passiert ist, ist eine Schlampere­i.“

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Fotos: Peter Fastl, Silvio Wyszengrad In den letzten Wochen der Saison wurde im Theater Augsburg nur noch mit Sonderaufl­agen gespielt: Zusätzlich­e Feuerwehrl­eute und ein vor dem Großen Haus geparktes Feuerwehra­uto sollten die Sicherheit der Besucher gewährleis­ten. Die Stadt schloss das...
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Wolfgang Rösener

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