Wurde das Theater ohne Not geschlossen?
Ein Bausachverständiger zweifelt die Entscheidung der Stadt an. Das Große Haus, sagt er, hätte noch ein Jahr genutzt werden können. Wie er das begründet und was die Stadt dazu sagt
Hat die Stadt das Theater Augsburg ohne Not zu früh geschlossen? Hätten den Steuerzahlern Millionenausgaben für Übergangsspielstätten erspart werden können? Der Augsburger Brandschutzexperte Wolfgang Rösener sagt Ja: „Der Spielbetrieb im Großen Haus hätte noch für bestimmt ein Jahr aufrechterhalten werden können.“Selbst der Opernball hätte, glaubt er, 2017 noch im Großen Haus stattfinden können.
Rösener stützt seine Aussage unter anderem auf Protokolle von Gesprächen, die die Stadt in den vergangenen Monaten mit Theaterleuten, Architekten und Brandschutzexperten geführt hat. Diese Gespräche sowie diverse Untersuchungen im Großen Haus hatten schließlich dazu geführt, dass die Hauptspielstätte des Theaters zum 20. Juni – und damit ein Jahr früher als geplant – geschlossen wurde. Begründung: Bräche ein Feuer im Garderobenbereich aus, könnte der Zuschauerraum nicht schnell genug evakuiert werden. Es bestünde Gefahr für das Leben der Theaterbesucher.
Rösener, der von den Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen die Sanierungspläne beauftragt wurde, zweifelt dies an. „Was hier passiert ist, ist eine Schlamperei. Es kommt mir so vor, als habe die Stadt einen Schnellschuss gemacht.“Der Bausachverständige begründet seine Einschätzung unter anderem mit Widersprüchen in internen städtischen Mitteilungen. Ein Beispiel: Das Amt für Brand- und Katastrophenschutz, an dessen Spitze Frank Habermaier steht, hatte nach einem Besichtigungstermin im Mai betont, „dass eine Räumung des Zuschauerraumes ohne Rauchbelästigung möglich sein wird“. Im Bescheid des Bauordnungsamtes, der gut zwei Wochen später herausging und der schließlich zur Schließung des Theaters führte, heißt es dagegen: „... eine geordnete Entfluchtung der betroffenen Räumlichkeiten (Foyer und Zuschauerraum, d. Red) wäre nicht mehr möglich“. Auch Habermaier ruderte später zurück: Er wolle die Verantwortung für einen Spielbetrieb im Großen Haus nicht mehr übernehmen.
Rösener hält solch widersprüchliche Aussagen für „sehr bedenklich“. Abgesehen davon hätte die Situation im Großen Haus seiner Ansicht nach binnen weniger Wochen entschärft werden können: Rösener schlägt unter anderem vor, die Decke im Garderobenbereich so zu verschließen, dass kein Rauch in den Zuschauerraum gelangen kann. Durch den Einbau zusätzlicher Funk-Rauchmelder wäre eine rasche Feuermeldung gewährleistet. „Das alles sind Maßnahmen, die noch immer gemacht werden können.“Die Kosten schätzt Rösener auf unter 50 000 Euro.
Wie viel Geld die Stadt aufgrund der vorzeitigen Schließung zusätzlich auf die Theatersanierung auf- schlagen muss, ist bislang nicht bekannt. Kulturreferent Thomas Weitzel will am Donnerstag im Ferienausschuss berichten, wie teuer die Anmietung der Schwabenhalle und einer Industriehalle im Martinipark voraussichtlich kommt. Beide Spielstätten mussten kurzfristig organisiert werden, damit das Theater seinen Spielplan für die neue Saison wenigstens halbwegs umsetzen kann. Manche Projekte werden sich aber gar nicht oder nur in abgespeckter Variante umsetzen lassen, was wohl wiederum zu Einnahmeausfällen führen wird. Dies sind Gründe, die Rösener nach eigener Aussage dazu bewegten, sich die Akten der Stadt anzusehen. „Eine Vergütung habe ich für mein Gutachten nicht bekommen.“
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens, die Rösener um sein Gutachten gebeten hatten, haben nun ein Schreiben an Oberbürgermeister Kurt Gribl verfasst. Die Sanierungskritiker schlagen vor, dass die Situation im Großen Haus durch einen neutralen Prüfsachverständigen für Brandschutz untersucht werden soll. Denn eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs am Kennedyplatz erspare nicht nur einen mehrstelligen Millionenbetrag für Übergangsspielstätten. Er schaffe auch die Zeit, alternative Planungsvarianten anzugehen.
Die Stadt sagte gestern auf AZAnfrage, die Schließung des Theaters sei „ausschließlich aufgrund fachlicher Einschätzung, unter anderem des Amts für Brand- und Katastrophenschutz, und mit Blick auf die Sicherheit des Publikums und der Theatermitarbeiter veranlasst“worden. Rösener habe sein Gutachten erstellt, ohne im Theater gewesen zu sein. Seine Ergebnisse würden nun „einer detaillierten und seriösen Prüfung unterzogen“. Wenn diese abgeschlossen sei, könne eine Beurteilung seitens der Stadt erfolgen. »Kommentar
„Was hier passiert ist, ist eine Schlamperei.“