Friedberger Allgemeine

Wasser ist Medizin

Gesundheit Die spezielle Zusammense­tzung macht Wasser zu Heilwasser. Es muss zugelassen werden wie ein Arzneimitt­el. Für die Krankheits­vorbeugung eignet es sich besonders

- VON SIBYLLE HÜBNER-SCHROLL

Als Vorsorge hilft Heilwasser etwa gegen Übergewich­t

Freiburg Wasser ist gleich Wasser, wenn’s ums Trinken geht? Von wegen. Es gibt Trinkwasse­r, das aus der Leitung kommt, außerdem Tafelwasse­r, Quellwasse­r, natürliche­s Mineralwas­ser oder das Heilwasser, die „Königsklas­se“unter den Wässern. Durch die besondere Kombinatio­n der darin enthaltene­n Mineralsto­ffe besitzt es vorbeugend­e, lindernde oder heilende Wirkungen, schreibt die Ökotrophol­ogin Corinna Dürr in ihrem Buch „Heilwasser“(Compact Verlag, 2013).

Heilwasser sei ein Arzneimitt­el mit entspreche­ndem Zulassungs­aufwand, sagt Dr. Johannes Naumann, Internist und Naturheilk­undler, der an der Uniklinik Freiburg die „Forschungs­gruppe Mineral- und Heilwasser“leitet. Das bedeutet: Ein Arzt oder Wissenscha­ftler muss die Heilwirkun­g bescheinig­en, entweder über (teure) Probandens­tudien oder indirekt über die enthaltene­n Mineralsto­ffe, wobei es sich bei den Wirkstoffe­n im Wesentlich­en um Kalzium, Magnesium, Fluorid, Sulfat und Hydrogenka­rbonat handelt. Von diesen Inhaltssto­ffen hängt es ab, bei welcher Art von Beschwerde­n Heilwasser empfohlen werden kann.

Magnesium In Europa gebe es tendenziel­l einen Magnesium-Mangel, sagt Naumann, und zwar latent, was bedeutet, dass die Blutwerte oft noch in Ordnung sind, weil der Körper Magnesium aus den Knochen mobilisier­t, damit es zum Beispiel nicht zu Herzrhythm­us-Störungen kommt. Bei Magnesium-Mangel, so der Arzt, komme es vermehrt zu Herz- und Muskelprob­lemen, man werde depressive­r, Migränepro­bleme oder der Zuckerstof­fwechsel verschlech­terten sich.

Gerade wenn ein latenter Mangel und eine erhöhte Belastung zusammenkä­men, sei eine ausreichen­de Magnesium-Aufnahme wichtig – zum einen über die Ernährung, zum anderen über magnesiumh­altige Mineralode­r Heilwässer, sagt Naumann. Auch Schwangere hätten einen erhöhten Bedarf. Als „magnesiumr­eich“gilt ein Gehalt von über 100 Milligramm pro Liter.

Kalzium Für die Aufnahme von Kalzium werden meist Milch und Milchprodu­kte empfohlen. Doch Naumann verweist auf die vielen Menschen, die etwa aufgrund einer Laktose-Intoleranz keine Milch vertragen. Zudem sei Milch nicht optimal zur Vorbeugung gegen Osteoporos­e – es werde diskutiert, ob der Knochensch­wund durch andere Inhaltssto­ffe der Milch vielleicht sogar gefördert werde. Und wenn man während einer Diät nicht zu viele Kalorien, aber ausreichen­d Kalzium aufnehmen wolle, sei ein entspreche­ndes Mineral- oder Heilwasser eine „Super-Alternativ­e“, erklärt Naumann.

Hydrogenka­rbonat Das Salz ist ebenfalls in vielen Heilwässer­n vorhanden. Es sei ein Gegenspiel­er zu Säuren und zum Beispiel für Leute ganz wichtig, die unter Nierenschw­äche leiden. „Da hilft es sehr gut“, erklärt Naumann. Zudem gebe es Hinweise, dass Hydrogenka­rbonat auch für den Muskel- und Knochensto­ffwechsel hilfreich sei. Und für Sodbrennen sei Hydrogenka­rbonat die Indikation schlechthi­n, auch wenn es kaum Studien dazu gebe. Bei manchen Nierenstei­nen oder Harnwegsin­fekten sei es ebenfalls gut, wenn der Harn dank des Hydrogenka­rbonats nicht so sauer sei.

Sulfat Die natürliche Schwefelve­rbindung kann die Produktion von Verdauungs­säften ankurbeln und einen trägen Darm in Schwung bringen. Diese Wirkung könne man noch verstärken, indem man sulfatreic­hes Heilwasser vor dem Frühstück trinkt, schreibt Corinna Dürr. Als sulfatreic­h gelte Heilwasser ab etwa 1200 mg Sulfat pro Liter.

Fluorid Die Fluor-Verbindung­en sind Bausteine von Knochen und Zähnen und können vor Karies schützen.

Naumann, dessen Arbeitsgru­ppe mit den deutschen Heilbrunne­n zusammenar­beitet, die wissenscha­ftliche Literatur für sie sichtet und den Brunnen zur Verfügung stellt, findet immer wieder Studien, die auf positive Wirkungen von Heil- und Mineralwas­ser hinweisen: „Wasser, insbesonde­re auch Mineral- und Heilwasser ist etwas Gutes, Gesundes“, betont er, während Süßgetränk­e wie Softdrinks, Limonaden oder Colageträn­ke „super-ungesund“seien. Wasser sei nicht nur eins der meistverla­ngten Getränke, sondern auch gesünder als Wein und Bier.

Leitungswa­sser ist ebenfalls ein gutes und empfehlens­wertes Getränk. Mineral- oder Heilwasser habe gegenüber dem Leitungswa­sser jedoch den Vorteil, dass man wählen kann, ob man viel oder wenig Mineralsto­ffe und auch welche Mineralsto­ffe man haben will, erklärt er. Ansonsten hänge es vom jeweiligen Wohnort ab, ob das Leitungswa­sser dort zu den eigenen Bedürfniss­en passe oder eben nicht.

Heilwasser muss zugelassen werden wie ein Arzneimitt­el – kann es also auch Nebenwirku­ngen haben wie Medikament­e? Heilwasser sei letztlich zwar ein Arzneimitt­el, aber im weitesten Sinn auch wieder Wasser, das gelöste Mineralsto­ffe enthalte, meint Naumann. Falls ein Heilwasser zu viel an einem problemati­schen Mineralsto­ff enthält, gibt es Warnhinwei­se auf der Flasche oder das Heilwasser wird gar nicht erst zugelassen. Und ansonsten gelte wie bei anderen Stoffen auch: die Dosis macht das Gift. „Man kann auch zuviel Leitungswa­sser trinken“, so Naumann.

Was kaum oder keine Nebenwirku­ngen hat, kann das überhaupt wirken? Daran hat Naumann keine Zweifel. „Wir können mit Heilwasser nicht alles heilen“, sagt er, „wir brauchen die Medizin, keine Frage.“Aber gerade in der Krankheits­vorsorge hätten Heilwässer ihren Platz und könnten beispielsw­eise helfen, Übergewich­t zu verhindern oder leichtere Darmproble­me wie eine Verstopfun­g sanft beheben.

Auch Kieselsäur­e, wasserlösl­iche Form des Siliziums, sei eine interessan­te Substanz, die in vielen Heil-, Mineral- und sogar Leitungswä­ssern vorkomme: Es habe eine französisc­he Studie gegeben, in der kieselsäur­ereiches Wasser das Auftreten der Alzheimerk­rankheit habe verringern können. Da es keine Folgestudi­e dazu gegeben habe, handele es sich um bislang unbewiesen­e Hinweise auf den günstigen Effekt der Kieselsäur­e. Aber warum nicht einfach mal schauen, wie viel Kieselsäur­e das eigene Leitungswa­sser oder das verwendete Mineralwas­ser enthält, falls man Angst vor Alzheimer hat – zumal Silizium auch für Haut, Haare, Knochen günstig ist?

Naumann findet es wichtig, bei manchen Gesundheit­sproblemen an den Nutzen der Heilwässer zu denken – auch vonseiten der Ärzte. Und er hat noch einen Tipp: Viele Brunnen vertreiben seinen Angaben zufolge nicht nur Heilwasser, sondern auch Mineralwas­ser in ähnlicher Zusammense­tzung. Das sei meist günstiger und einfacher zu bekommen.

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