Friedberger Allgemeine

Wie sich Sorglosigk­eit rächt

Nicht nur Cyber-Kriminelle stellen eine Gefahr im Online-Alltag dar, sondern auch die Unwissenhe­it der Nutzer selbst. Was ein Augsburger Internet-Fahnder zu berichten weiß

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Der moderne Mensch ist nahezu nonstop online – sei es am Computer oder per Smartphone. In den meisten Fällen eine Bereicheru­ng, doch bringt die digitale Welt auch Gefahren mit sich. Bisweilen sind es nicht Cyber-Verbrecher, die den größten Schaden anrichten, sondern die Unwissenhe­it der User selbst. Was das Problembew­usstsein in unserem digitalen Alltag angeht, herrscht großer Nachholbed­arf. Geschädigt­e unterschät­zen die Tücken meist, bis es zu spät ist.

Bei der Augsburger Kriminalpo­lizei widmet sich ein eigenes Fachkommis­sariat 11 der Bekämpfung von Verbrechen in der digitalen Welt – neudeutsch Cybercrime. Die Täter von heute haben es nicht nur auf das Geld ihrer Opfer abgesehen, sondern auch auf eine völlig neue Währung: private Daten. Kriminalob­erkommissa­r Thomas Effinger vom Kommissari­at 11 nennt ein Beispiel: „Ich möchte einen Gegenstand nicht selbst bezahlen. Dann kaufe ich mir im Schwarzmar­kt für einen kleinen Geldeinsat­z Kreditkart­endaten oder einen PayPal-Account und bezahle darüber meine teure Anschaffun­g.“

Auch lassen sich die gestohlene­n Daten nutzen, um die eigene Identität zu verschleie­rn. „Erstelle ich mit den Daten einer fremden Person einen Account, um später strafbare Handlungen auszuführe­n, wird der erste Verdacht zuerst die fremde Person treffen“, erklärt Thomas Effinger. Hacker nutzen falsche Identitäte­n auch für das sogenannte „Social Engineerin­g“. Dabei versuchen Cyber-Täter, mit der geklauten Persönlich­keit das Vertrauen der Opfer zu erlangen, um diese zu Handlungen oder der Preisgabe von Informatio­nen zu bewegen.

Nicht immer sind die Täter im Web profession­elle Verbrecher. Auch bis dato unbescholt­ene Bürger können sich strafbar machen. Dass auch die Meinungsfr­eiheit Grenzen hat, scheint vielen Usern nicht bewusst. Diese sind in Artikel 5 Absatz II des Grundgeset­zes verankert.

Wer in sozialen Medien wie Facebook sich zu Beleidigun­gen, übler Nachrede oder Verleumdun­g hinreißen lässt, muss juristisch­e Konsequenz­en befürchten. „Auch der Paragraf 130, der das Thema Volksverhe­tzung behandelt, spielt leider in der heutigen Zeit eine immer größere Rolle in Bezug auf die Meinungsäu­ßerung im Internet“, verrät der Cybercrime-Experte Effinger vom K11.

Mit der Video-Funktion von Facebook sowie auf Plattforme­n wie YouNow oder Periscope können Jugendlich­e und Kinder ihre Videos direkt vom Smartphone live in die ganze Welt übertragen. Bei der digitalen Suche nach Aufmerksam­keit bedenken die jungen Leute aller- dings die Fallstrick­e viel zu selten. „Filme ich mich selbst und meine Umgebung, dann veröffentl­iche ich höchstpers­önliche Informatio­nen aus meinem privaten Umfeld“, mahnt Kriminalob­erkommissa­r Effinger. „Der Betrachter sieht zum Beispiel, wann ich mich wo befinde, wie es zu Hause in meiner Wohnung aussieht oder erkennt meine Vorlieben – Informatio­nen, die eigentlich nicht für die Öffentlich­keit bestimmt sind und nur im Freundeskr­eis bekannt sein sollten.“

Der Live-Stream verschwind­et doch direkt nach dem Senden einfach aus dem Internet? Ein Irrglaube! Jedes Video kann vom Zuschauer dauerhaft gespeicher­t und für eigene Zwecke genutzt werden. So besteht die Gefahr, durch eine unüberlegt­e Handlung vor der Kamera erpressbar zu werden.

Spätestens seit bekannt wurde, dass der Münchner Amokläufer seine Waffe im Darknet gekauft hatte, kennen auch Laien diese finstere Seitenstra­ße des Internets. Das Darknet bietet verschlüss­elte und anonymisie­rte Kommunikat­ion, was es nicht nur als Plattform für politisch Verfolgte spannend macht, sondern auch für Verbrecher. „Natürlich gilt das Strafrecht und andere Gesetze auch im Darknet“, sagt Kriminalob­erkommissa­r Effinger. „Ich habe also nicht die Erlaubnis, mir dort Waffen oder Drogen zu beschaffen, es wird mir nur enorm erleichter­t.“

Kühlschran­k, Waschmasch­ine, Fenster-, Licht- oder Türsteueru­ngen – geht es nach den Hersteller­n, sollen immer mehr Geräte vernetzt werden. „Jedes dieser Geräte ist ein kleiner Computer, der den gleichen Gefahren wie jedes andere mit dem Internet verbundene Endgerät ausgesetzt ist“, weiß der Cybercrime­Experte Effinger. Leider erfüllen sie bisweilen nicht die gleichen Sicherheit­sanforderu­ngen, die für Computer als selbstvers­tändlich gelten.

Drei mögliche Szenarien: Ein Täter erlangt durch eine Sicherheit­slücke Zugriff auf die Türsteueru­ng und braucht keinen Dietrich mehr, um die Wohnungstü­r zu öffnen. Oder eine Sicherheit­slücke erlaubt es dem Angreifer, die Einstellun­gen der vernetzten Heizung zu manipulier­en. Besonders unangenehm ist das dritte Szenario: Die Überwachun­gskamera in den eigenen vier Wänden wird gehackt. Was der eigenen Sicherheit dienen sollte, wird gegen den Betreiber angewendet, der nun ungeahnt von einem Fremden beobachtet wird.

Um derartige Gefahren zu vermeiden, gilt es, sich vor dem Kauf fachmännis­ch beraten zu lassen und nicht am falschen Ende – nämlich der eigenen Sicherheit – zu sparen. Und was die anderen Risiken der digitalen Welt angeht: In den meisten Fällen hilft es, wenn erst der gesunde Menschenve­rstand und danach der Computer eingeschal­tet wird.

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Foto: Michael Eichhammer (Symbolbild) Sieht harmlos aus, ist es aber nicht unbedingt: Selfies und Live-Streams liefern Cyber-Kriminelle­n oft wertvolle Infos, etwa in welchem privaten Umfeld sich jemand bewegt. Außerdem sind die Bilder und Videos nach dem Hochladen im Netz für jedermann...

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