Wie sich Sorglosigkeit rächt
Nicht nur Cyber-Kriminelle stellen eine Gefahr im Online-Alltag dar, sondern auch die Unwissenheit der Nutzer selbst. Was ein Augsburger Internet-Fahnder zu berichten weiß
Der moderne Mensch ist nahezu nonstop online – sei es am Computer oder per Smartphone. In den meisten Fällen eine Bereicherung, doch bringt die digitale Welt auch Gefahren mit sich. Bisweilen sind es nicht Cyber-Verbrecher, die den größten Schaden anrichten, sondern die Unwissenheit der User selbst. Was das Problembewusstsein in unserem digitalen Alltag angeht, herrscht großer Nachholbedarf. Geschädigte unterschätzen die Tücken meist, bis es zu spät ist.
Bei der Augsburger Kriminalpolizei widmet sich ein eigenes Fachkommissariat 11 der Bekämpfung von Verbrechen in der digitalen Welt – neudeutsch Cybercrime. Die Täter von heute haben es nicht nur auf das Geld ihrer Opfer abgesehen, sondern auch auf eine völlig neue Währung: private Daten. Kriminaloberkommissar Thomas Effinger vom Kommissariat 11 nennt ein Beispiel: „Ich möchte einen Gegenstand nicht selbst bezahlen. Dann kaufe ich mir im Schwarzmarkt für einen kleinen Geldeinsatz Kreditkartendaten oder einen PayPal-Account und bezahle darüber meine teure Anschaffung.“
Auch lassen sich die gestohlenen Daten nutzen, um die eigene Identität zu verschleiern. „Erstelle ich mit den Daten einer fremden Person einen Account, um später strafbare Handlungen auszuführen, wird der erste Verdacht zuerst die fremde Person treffen“, erklärt Thomas Effinger. Hacker nutzen falsche Identitäten auch für das sogenannte „Social Engineering“. Dabei versuchen Cyber-Täter, mit der geklauten Persönlichkeit das Vertrauen der Opfer zu erlangen, um diese zu Handlungen oder der Preisgabe von Informationen zu bewegen.
Nicht immer sind die Täter im Web professionelle Verbrecher. Auch bis dato unbescholtene Bürger können sich strafbar machen. Dass auch die Meinungsfreiheit Grenzen hat, scheint vielen Usern nicht bewusst. Diese sind in Artikel 5 Absatz II des Grundgesetzes verankert.
Wer in sozialen Medien wie Facebook sich zu Beleidigungen, übler Nachrede oder Verleumdung hinreißen lässt, muss juristische Konsequenzen befürchten. „Auch der Paragraf 130, der das Thema Volksverhetzung behandelt, spielt leider in der heutigen Zeit eine immer größere Rolle in Bezug auf die Meinungsäußerung im Internet“, verrät der Cybercrime-Experte Effinger vom K11.
Mit der Video-Funktion von Facebook sowie auf Plattformen wie YouNow oder Periscope können Jugendliche und Kinder ihre Videos direkt vom Smartphone live in die ganze Welt übertragen. Bei der digitalen Suche nach Aufmerksamkeit bedenken die jungen Leute aller- dings die Fallstricke viel zu selten. „Filme ich mich selbst und meine Umgebung, dann veröffentliche ich höchstpersönliche Informationen aus meinem privaten Umfeld“, mahnt Kriminaloberkommissar Effinger. „Der Betrachter sieht zum Beispiel, wann ich mich wo befinde, wie es zu Hause in meiner Wohnung aussieht oder erkennt meine Vorlieben – Informationen, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und nur im Freundeskreis bekannt sein sollten.“
Der Live-Stream verschwindet doch direkt nach dem Senden einfach aus dem Internet? Ein Irrglaube! Jedes Video kann vom Zuschauer dauerhaft gespeichert und für eigene Zwecke genutzt werden. So besteht die Gefahr, durch eine unüberlegte Handlung vor der Kamera erpressbar zu werden.
Spätestens seit bekannt wurde, dass der Münchner Amokläufer seine Waffe im Darknet gekauft hatte, kennen auch Laien diese finstere Seitenstraße des Internets. Das Darknet bietet verschlüsselte und anonymisierte Kommunikation, was es nicht nur als Plattform für politisch Verfolgte spannend macht, sondern auch für Verbrecher. „Natürlich gilt das Strafrecht und andere Gesetze auch im Darknet“, sagt Kriminaloberkommissar Effinger. „Ich habe also nicht die Erlaubnis, mir dort Waffen oder Drogen zu beschaffen, es wird mir nur enorm erleichtert.“
Kühlschrank, Waschmaschine, Fenster-, Licht- oder Türsteuerungen – geht es nach den Herstellern, sollen immer mehr Geräte vernetzt werden. „Jedes dieser Geräte ist ein kleiner Computer, der den gleichen Gefahren wie jedes andere mit dem Internet verbundene Endgerät ausgesetzt ist“, weiß der CybercrimeExperte Effinger. Leider erfüllen sie bisweilen nicht die gleichen Sicherheitsanforderungen, die für Computer als selbstverständlich gelten.
Drei mögliche Szenarien: Ein Täter erlangt durch eine Sicherheitslücke Zugriff auf die Türsteuerung und braucht keinen Dietrich mehr, um die Wohnungstür zu öffnen. Oder eine Sicherheitslücke erlaubt es dem Angreifer, die Einstellungen der vernetzten Heizung zu manipulieren. Besonders unangenehm ist das dritte Szenario: Die Überwachungskamera in den eigenen vier Wänden wird gehackt. Was der eigenen Sicherheit dienen sollte, wird gegen den Betreiber angewendet, der nun ungeahnt von einem Fremden beobachtet wird.
Um derartige Gefahren zu vermeiden, gilt es, sich vor dem Kauf fachmännisch beraten zu lassen und nicht am falschen Ende – nämlich der eigenen Sicherheit – zu sparen. Und was die anderen Risiken der digitalen Welt angeht: In den meisten Fällen hilft es, wenn erst der gesunde Menschenverstand und danach der Computer eingeschaltet wird.