Wo der Bürgermeister Eis verkauft
Im Oberallgäuer Tourismusort Ofterschwang sorgt die Gemeinde selbst für die Erfrischung von Einheimischen und Gästen. Entstanden ist die Idee aus der Not heraus
Ofterschwang Die Gemeinde Ofterschwang verkauft Eis. Was nicht gerade nach der Kernaufgabe einer kommunalen Verwaltung klingt, ist in dem kleinen Oberallgäuer Dorf schon seit drei Jahren Normalität. Inzwischen spült der Eisladen, der bei Gästen wie Einheimischen sehr beliebt ist, jährlich etwa 48 000 Euro in die Gemeindekasse. Entstanden ist die Idee aus der Not heraus.
Als der Landwirt, der im Ortskern selbst gemachtes „BauernhofEis“verkaufte, im Jahr 2013 überraschend starb, stand das frühere Postgebäude leer. Die Gemeinde fand keinen Pächter. „Ich hätte mich auch zurücklehnen und mich beklagen können, dass ich niemanden habe“, sagt Bürgermeister Alois Ried. Doch das ist nicht die Art des 49-Jährigen, der seit 2003 im Ofterschwanger Rathaussessel sitzt. Der gelernte Koch nimmt Dinge gerne selbst in die Hand und er hatte eine Idee: Die Mitarbeiter der Gästeinformation auf der anderen Straßenseite könnten Eis verkaufen. „So haben wir keine Personalkosten“, sagt Ried. „Und bei schlechtem Wetter lassen wir den Laden einfach zu.“
Jetzt brauchte die Gemeinde nur noch jemanden, der das Eis produziert. Auch den fand Ried in der Gemeinde: Massimo Maguolo wohnt im Ortsteil Westerhofen und betreibt ein Eiscafé im benachbarten Sonthofen. Er war bereit, das Eis herzustellen. Also baute die Gemeinde das Postgebäude in eine Eisdiele um. „Alles, was man macht, muss zur örtlichen Struktur passen und hochwertig sein“, ist der Bürgermeister überzeugt. „Die Menschen merken das.“Deswegen hat sich die Gemeinde den gepflasterten kleinen Platz vor dem Eiscafé knapp 75000 Euro kosten lassen. Und es scheint sich gelohnt zu haben: Bei schönem Wetter sammeln sich dort Gäste wie Einheimische.
Das Ofterschwanger Eis wird aus heimischer Milch hergestellt. „Das ist mehr eine moralische Unterstüt- zung für die Landwirte“, sagt Ried. Denn es sind nur etwa 20 Liter am Tag, die Maguolo jeden Morgen bei einem Hof in Hüttenberg holt. Aber es hat in Ofterschwang Tradition, auf heimische Produkte zu setzen, seit die Gemeinde 2009 selbst das Zertifikat „Gutes vom Dorf“entwickelt hat. Das sorgte für beachtliche Zugewinne für die heimische Sennerei im Ortsteil Hüttenberg und den Schlachthof, den Ofterschwang gemeinsam mit den Nachbargemeinden betreibt. Der bisherige Höhepunkt der „Gutes vom Dorf“-Kampagne war der Ski-Weltcup 2013. Dabei bewirtschafteten die Ofterschwanger das Festzelt mit 2 000 Plätzen nur mit regionalen Produkten und ehrenamtlichen Helfern.
Inzwischen werden auch im Ofterschwanger Dorfladen heimische Produkte verkauft. Das Geschäft hat die Gemeinde übernommen und saniert, weil die langjährige Betreiberin aufhörte und der Laden drohte zu schließen. „Wenn ein Problem da ist, muss ich das im Sinne der Gemeinde lösen“, sagt Ried. So hat die Gemeinde seit 2004 fast drei Millionen Euro in einen neuen Ortskern investiert. 600 000 Euro kamen aus einem Förderprogramm für Dorferneuerung. Ein neues Rathaus mit Gästeinformation wurde errichtet, Eisdiele und Dorfladen übernommen und die Straße umgestaltet – mit Ruhebänken, die zum Verweilen einladen. Das nächste Projekt ist die Sanierung eines alten Bauernhauses. Dort will Ried Gästen die Allgäuer Käseproduktion nahebringen. Auch eine Schnapsbrennerei plant der Rathauschef – eine interessante Ergänzung für die heimische Produktpalette. Aber es sei nicht so leicht, an eine Lizenz zu kommen.
An sonnigen Tagen bilden sich lange Schlangen vor dem Ofterschwanger Eisladen. Um im Gespräch zu bleiben, wird dort jedes Jahr eine neue Sorte mit Bezug zur Region kreiert. In diesem Jahr kommt Hanfeis in die Waffel. Es soll an die Tradition der Hanfverarbeitung im Allgäu erinnern. Hergestellt wird die neue Sorte, die sich zum Verkaufsschlager entwickelt hat, aus legalem Hanfpulver, erzählt Ried. „Der Hanfanbau in Ofterschwang war leider nicht erlaubt.“