Friedberger Allgemeine

Von der Karibik an die Isar

Jason Charles ist Bayerns einziger schwarzer Flößer. Wie er seine Gäste begeistert

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München Mit dem Rücken zu den Gästen steht Jason Charles am Ruder des Floßes. Die Ampel springt auf Grün, ab jetzt hat er noch 30 Sekunden, wie es ihm eine Anzeige mitteilt. Seine Ruderschlä­ge werden stärker, mit aller Kraft lehnt sich der 39-Jährige gegen das Steuer. Hinter ihm ist es ruhig geworden, die sonst so aufgeheite­rte Gesellscha­ft schweigt. Vor ihnen liegt ein 350 Meter weiter und 18 Meter tiefer Kanal, die erste Floßrutsch­e auf der Tour von Wolfratsha­usen nach München.

Jason atmet tief durch, dann bugsiert er das 20 Tonnen schwere Gefährt über die Kante. Schaumiges Wasser spritzt durch die Holzstämme, während das Floß die Rutsche hinabschie­ßt. „Zeigt’s den Leuten, wo ihr herkommt’s“, schreit Jason im tosenden Wasser und hebt seinen Bierkrug. Alle 35 Anwesenden machen es ihm nach. Zehn Sekunden später landet das Floß mit einem lauten Platscher wieder in der Isar.

„Business as usual“, sagt Jason und lächelt. Seit 14 Jahren ist er als Flößer unterwegs, sechsmal in der Woche fährt er Touristen aus aller Welt aus dem beschaulic­hen Wolfratsha­usen nach Thalkirche­n im Münchner Süden. Selbst die Fußballtea­ms vom FC Bayern und 1860 München waren schon zu Gast, ExCSU-Chef und Ex-Ministerpr­äsident Edmund Stoiber kennt er auch. Jason hat sich als einziger schwarzer Flößer in Bayern einen Namen gemacht. Er kommt vom kleinen Inselstaat Trinidad und Tobago.

Alles begann mit einem KaribikUrl­aub der Flößerfami­lie Seitner aus Oberbayern. Bei einem Strandspaz­iergang kommen sich der junge Jason und Tochter Martina näher, danach geht alles schnell. Die beiden verlieben sich, wollen heiraten. Mit 24 Jahren, ein Jahr später, geht es für Jason nach Deutschlan­d. Erst arbeitet er in einem Hotel in München, dann braucht ihn Schwiegerv­ater Josef Seitner in Wolfratsha­usen. Auf dem Floß. „Der Sepp hat mir gesagt, dass er immer mehr internatio­nale Gäste hat. Und weil sein Englisch nicht so gut ist, hat er mich gefragt, ob ich nicht die Touristen auf Englisch unterhalte­n könne.“

Der junge Mann aus der Karibik ist begeistert vom Floßfahren. So sehr, dass er es lernen möchte. Also nimmt Floßmeiste­r Seitner ihn persönlich unter die Fittiche, zeigt ihm die Feinheiten. Das ist nicht einfach. „Der Jason musste am Anfang viel lernen“, sagt Seitner. Jason stimmt zu: „Ich konnte die Sprache und natürlich auch den Dialekt nicht.“Er sei deshalb häufig sehr einsam gewesen, die Mentalität sei außerdem eine ganz andere als in seiner Heimat.

Aber Jason beißt sich durch. Zwei Jahre später legte er die Prüfung ab, ohne Fehler. „Besser kann man es nicht machen“, sagt Seitner, der mittlerwei­le nur noch in der Organisati­on arbeitet. Die aktive Rolle auf dem Floß hat nun Jason übernommen – auch wenn die Ehe zwischen ihm und Martina in die Brüche ging.

Die Stimmung ist ausgesproc­hen heiter, als das Floß nach sechseinha­lb Stunden am Ziel ankommt. Nur eine halbe Stunde später ist von dem 18 Meter langen Floßkoloss nichts mehr zu sehen. So schnell die Touristen weg sind, so schnell verschwind­et auch das Floß aus dem Wasser. Aufbauen, Floß fahren, abbauen, zurückfahr­en – so geht das den ganzen Sommer über, von Anfang Mai bis Mitte September, zwölf Stunden pro Tag. Nach der Saison fliegt Jason zurück nach Trinidad – wo es auch im Winter sonnig ist und er im Moment ein Haus baut, das er an Touristen vermieten möchte. Nur schade, dass es dort kein Weißbier gibt. „Des is’ narrisch guat“, sagt er in bestem Bairisch.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Rasante Floßfahrt auf der Isar. Die Gäste sind in bester Stimmung. Möglich macht es Jason Charles, stehend rechts vorne auf dem Floß. Er kommt aus der Karibik und ist Bayerns einziger schwarzer Flößer.
Foto: Sven Hoppe, dpa Rasante Floßfahrt auf der Isar. Die Gäste sind in bester Stimmung. Möglich macht es Jason Charles, stehend rechts vorne auf dem Floß. Er kommt aus der Karibik und ist Bayerns einziger schwarzer Flößer.

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