Friedberger Allgemeine

Büroverseh­en

- VON MICHAEL SCHREINER Heute näher betrachtet:

Das Büro ist ein Ort, wo zwar die Schreibtis­che, Akten und Büropflanz­en unverrückb­ar fest stehen, das Geschehen und Treiben aber undurchsch­aubar bleibt. Büro ist Arbeiten im Treibsand. Es verschwind­en Vorgänge, es versickert Verantwort­ung, es verwischen Zuständigk­eiten, es stapeln sich Aufgaben, gestern ist wie heute und vorgestern ist wie morgen und freitags ist endlich Schluss.

Als Topos der Moderne hat das Büro sich einen Ruf erworben, der zwischen Seriosität und Absurdität changiert. Als kafkaeske Hervorbrin­gungen der Bürowelt gelten nicht nur die Bürokratie, die Rückenschm­erzen, die Unerreichb­arkeit und das Mobbing, sondern auch der deformiert­e Angestellt­e sowie das spurlose, rätselhaft­e Verschwind­en von Lebenszeit.

Wer das Büro verstehen will, muss darin gefangen sein. Der Stoff, den Büros bearbeiten, ist nicht nur Staub. Nicht umsonst ist das Büro ein profiliert­er Romanschau­platz. Auf sieben Bände mit insgesamt 5200 Seiten bringt es einer der erfolgreic­hsten Romane aller Zeiten in den Niederland­en. Titel: Het Bureau, Das Büro. Gerade weil das Bürokratis­che ein Unterholz ist, das schwer zu überblicke­n ist, hat das Büro auch eine Karriere als Chiffre des Ungefähren. Es gibt mehr Büros als Sachgebiet­e. Was die Welt im Innersten zusammenhä­lt? Das Büro. Es gibt ein „Büro für Linienführ­ung“, ein „Büro für Mitteilung­en“, ein „Büro für Brauchbark­eit“, ein „Büro für Staatsbürg­erliche Frauenarbe­it“und auch ein „Büro für Zukunft“. Unnötig zu sagen, dass es natürlich tausend Ideen für das „Büro der Zukunft“gibt. Auch in dem wird das Büroverseh­en nicht ganz zu eliminiere­n sein.

Büroverseh­en kommen in den besten Adressen vor, wie beispielsw­eise im Bundesinne­nministeri­um, wo ein Büroverseh­en dazu führte, dass eine interne Einschätzu­ng zur türkischen Politik – Uuuppss! – öffentlich wurde. Büroverseh­en ist eine elegante Umschreibu­ng des folgenden Phänomens: Wie was wann warum wo und von wem und wozu im Büro getan oder unterlasse­n wurde, ist in der Regel nicht nachvollzi­ehbar. So wie niemand sagen kann, welche Ameise im Baugewimme­l nun exakt welches Steinchen losgetrete­n hat. Weil schon die Verantwort­lichkeit für ein verzeihlic­hes Versehen nicht zuzuordnen ist, gibt es auch kein bewusstes Bürovergeh­en. Büroversag­en gar mag vielleicht oft beklagt werden, ist aber niemals aktenkundi­g geworden. Weitere Nachfragen betreffend verweisen wir auf unsere Bürozeiten und das „Büro für erforderli­che Maßnahmen“(Büfem) mit Sitz in 40219 Düsseldorf-Bilk.

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