Ein Schwein in bester Gesellschaft
Was eint die Tierplastik im Hof des Maximilianmuseums und den Prunkofen im Fürstenzimmer des Rathauses? Die Antwort: Gertrud Nein, Keramikerin und Bildhauerin
Tatsächlich! Es hat sich ein Warzenschwein in den hehren Kreis von Kaiser, Göttern und Grazien gemischt, und oben von der Terrasse schaut auch noch ein siecher Hund auf diese ungewöhnliche Szene. Er selbst ist ungewöhnlich, denn er hat ebenso wie das Warzenschwein eigentlich nichts im Viermetzhof des Maximilianmuseums verloren. Dieser ist bekanntlich den Bronzen der drei Augsburger Prachtbrunnen und dem imposanten SiegelhausAdler vorbehalten.
Für die Sonderausstellung „Mensch Tier“wurde aber eine Ausnahme gemacht. So gesellt sich das bronzene Warzenschwein der Keramikerin und Bildhauerin Gertrud Nein (1943-2012) zu den um 1600 geschaffenen Figuren der Hofbildhauer Hubert Gerhard, Adriaen de Vries und Hans Reichle. Eine bessere Gesellschaft gibt es nicht. Und es spricht für Gertrud Nein, in ihr beweisen zu dürfen, dass sie nicht nur als Ofenbauerin meisterhaft war. Als solche ist die gebürtige Nürnbergerin in Augsburg bekannt, denn ihr verdankt man die wunderbare Rekonstruktion des Prunkofens im nordwestlichen Fürstenzimmer des Rathauses. Mit dem Bau von Elias Holl war 1944 auch der Prunkofen von Melchior Lott unter Bomben zugrunde gegangen; und mit ihm wird er als Musterbeispiel großer Wiederaufbauleistung im Museum der Bayerischen Geschichte dokumentiert sein, wenn dieses 2018 in Regensburg eröffnet.
Die jetzige Ausstellung im Maximilianmuseum nimmt das teilweise vorweg, denn der knapp fünfeinhalb Meter hohe, fast drei Tonnen schwere, aus 238 Einzelstücken bestehende Prunkofen zeigt sich hier als Modell im Maßstab 1:10. Dieses Präsentationsmodell war 1990 für die Auftragsvergabe des Augsburger Stadtrats an Gertrud Nein ausschlaggebend. Es steht in einer der zwölf Wand- und Standvitrinen, in einer anderen das Quartett der Kardinaltugenden als Nischenfiguren des Kachelofens. Sie nachzubilden, obwohl direkte Vorlagen nur unzureichend oder gar nicht vorhanden waren, bedeutete eine ebenso investigative wie kombinatorische, eine ebenso handwerkliche wie künstlerische Großtat. Diese gelang im Zusammenwirken von Gertrud Nein und ihrem Mann, dem Bildhauer Gerd Weiland. Er hat dem Maximilianmuseum die für die Nachschöpfung des Prunkofens erforderlichen Werkmittel (Präsentationsmodell, Planzeichnungen, Gipsformen, Probestücke) übereignet.
Diese Schenkung gab den Anlass der Sonderschau „Mensch Tier“. Unter den Menschendarstellungen befindet sich das einzige hier gezeigte Selbstbildnis Gertrud Neins. Die kleine Bronzeplastik zeigt sie sitzend mit einem der Zeichenblöcke, wie sie in zwei Ausstellungsvitrinen aufgeschlagen sind. Darin ist auch der erwähnte alte Hund zu erkennen, der als lebensgroße Bronze in einer Gruppe anderer Tiere (Eule, Hase, Meerkatze, Schwan) von der Terrasse zum Viermetzhof hinabschaut. Auch dieser Hund bekundet die Erfassung des Wesenhaften, die Neins Tierskulpturen auszeichnet.
Übrigens hatte der Hund einen Namen, hieß „Schwabbel“und war Zuchtrüde auf Schloss Kirchheim. Dort fand Gertrud Nein in Freundschaft mit der Schlossherrin Angela Fürstin Fugger von Glött eine langjährige Wirkungsstätte – zum Wohl der bildhauerischen und keramischen Kunst (wobei Neins Gefäßkeramiken eine eigene Betrachtung verdienten) und schließlich auch zum Nutzen Augsburgs.
„Mensch Tier“heißt die Sonderschau im Maximilianmuseum, die das Schaf fen von Gertrud Nein (1943 2012) würdigt. Laufzeit bis 24. September, Dienstag bis Sonntag 10 17 Uhr. Der Ausstellungskatalog kostet 14,80 ¤.