Friedberger Allgemeine

Ehe für alle entzweit Union und SPD

Abstimmung schon am Freitag. Seehofer spricht von Koalitions­bruch

- VON RUDI WAIS

Augsburg Obwohl sich im Bundestag eine klare Mehrheit für die Ehe für alle abzeichnet, ist der Streit um das Vorgehen der Sozialdemo­kraten in der Koalition noch nicht ausgestand­en. „Normalerwe­ise ist das ein Koalitions­bruch“, betonte CSU-Chef Horst Seehofer gegenüber unserer Zeitung. Dass die SPD die Abstimmung gemeinsam mit Grünen und Linken gegen den Willen des Regierungs­partners auf die Tagesordnu­ng des Parlaments gesetzt habe, empfinde er als „unwürdig“. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) warf ihrem Herausford­erer Martin Schulz vor, das Thema genau in dem Moment für eine parteipoli­tische Auseinande­rsetzung zu missbrauch­en, in dem sich eine Mehrheit über alle Fraktionsg­renzen hinweg abgezeichn­et habe: „Das ist traurig und es ist vor allem völlig unnötig.“

Seehofer räumte ein, dass der plötzliche Kurswechse­l der Kanzlerin bei der Ehe für Schwule und Lesben in der Union sehr kontrovers gesehen wird. Ein Teil der Abgeordnet­en von CDU und CSU „fühlt sich überrollt“. Auch wenn am Freitag einzelne Parlamenta­rier seiner Partei dafür stimmen würden, bleibe die Ehe zwischen Mann und Frau das Leitbild der CSU: „Sie wird weiterhin im Zentrum unserer Gesellscha­fts- und Familienpo­litik stehen.“Nach Informatio­nen unserer Zeitung wollen aus der CSU lediglich drei oder vier Abgeordnet­e tatsächlic­h für die sogenannte Homo-Ehe stimmen, in der CDU sollen es deutlich mehr sein, von 40 bis 60 Ja-Stimmen ist dort die Rede.

Am Mittwochvo­rmittag hatte der Rechtsauss­chuss des Bundestage­s mit einem äußerst ungewöhnli­chen Schritt den Weg für die Verabschie­dung des Gesetzes an diesem Freitag frei gemacht. Entgegen den üblichen Gepflogenh­eiten setzten die Abgeordnet­en der SPD die Ehe für alle gemeinsam mit der Opposition auf die Tagesordnu­ng des Parlamente­s. „Ich rate schon mal allen Standesämt­ern in der Bundesrepu­blik, ihr Personal aufzustock­en“, sagte die Vorsitzend­e des Ausschusse­s, die Grüne Renate Künast, anschließe­nd. Seehofer kritisiert­e dabei nicht nur das eigenmächt­ige Vorgehen der Sozialdemo­kraten, sondern auch das Tempo, in dem die Ehe für alle durchgefoc­hten wird: „Alle rechtliche­n Bedenken werden ausgeblend­et. Man hätte das auch in aller Ruhe im Herbst machen können.“Nach gegenwärti­gem Stand soll die Reform am Freitagvor­mittag beschlosse­n werden, dem letzten Sitzungsta­g der Legislatur­periode, und schon in wenigen Wochen in Kraft treten. SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann will sogar eine namentlich­e Abstimmung beantragen, um offenzuleg­en, wer hinter der Ehe für alle steht und wer nicht.

Obwohl sie dann bereits beschlosse­ne Sache ist, wird die Homo-Ehe möglicherw­eise auch den beginnende­n Bundestags­wahlkampf mit bestimmen. „Wenn das Wahlergebn­is es zulässt“, warnte Seehofer, „wird die SPD die Chance ergreifen und mit Linken und Grünen paktieren.“Nach den jüngsten Umfragen ist eine solche Mehrheit allerdings fraglich. »Kommentar und Politik

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