Friedberger Allgemeine

Deutschlan­d prüft den Brandschut­z

Nach dem Inferno im Grenfell Tower werden deutsche Hochhäuser inspiziert. Bayern ist einen Schritt weiter. Und die Feuerwehr warnte kurz vor dem Brand vor gefährlich­em Dämmstoff

-

Berlin Nach der Evakuierun­g eines Hochhauses in Wuppertal lässt das Bundesbaum­inisterium überprüfen, ob in Deutschlan­d Hochhäuser einem ähnlichen Brandrisik­o ausgesetzt sind.

Das Ministeriu­m in Berlin setzte sich nach Angaben einer Sprecherin mit den Bauministe­rien der Bundesländ­er in Verbindung, um eine bundesweit­e Datenbank aufzubauen. „Wir gehen derzeit davon aus, dass es ein Einzelfall ist“, sagte die Sprecherin am Mittwoch zu der Wuppertale­r Evakuierun­g. Allerdings gebe es noch keine bundesweit­e Datensamml­ung zu Gebäuden, in denen brennbare Fassaden verbaut sind. Das Ziel sei nun, Daten zu erheben, „welche Häuser und wie viele Häuser ein ähnliches Gefährdung­spotenzial haben“. Außerdem werde das Bundesbaum­inisterium den Ländern vorschlage­n, die bislang sechsjähri­ge Überprüfun­gsfrist für Dämm- und Brandschut­zvorgaben zu verkürzen.

Am Dienstag waren etwa 70 Menschen des Wuppertale­r Hochhauses wegen erhöhter Brandgefah­r in Sicherheit gebracht worden. Hintergrun­d ist der verheerend­e Hochhausbr­and in London, bei dem in der Nacht zum 14. Juni mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen waren. Die Flammen hatten sich dort rasend schnell über die Fassade ausgebreit­et. Die Kunststoff­fassade und das darunterli­egende Material des elfstöckig­en Hauses in Wuppertal wurden bei einer Sicherheit­s- überprüfun­g als brennbar eingestuft. Bei einem möglichen Fassadenbr­and wären Bewohner zudem von Fluchtwege­n abgeschnit­ten.

Der Leitende Branddirek­tor der Frankfurte­r Feuerwehr, Reinhard Ries, befürworte­t die Überprüfun­g. Die Frankfurte­r Feuerwehr gilt als Vorreiter für Brandschut­z bei höheren Gebäuden – auch, weil in der Main-Metropole bundesweit die meisten Hochhäuser stehen. „Wir können nur hoffen, dass der Warnschuss aus London endlich ernst genommen wird.“In Großbritan­nien sind bei der Brandschut­z-Überprüfun­g nach dem Feuer im Grenfell Tower von bislang 95 Gebäuden alle 95 durchgefal­len.

Ries forderte einen besseren Brandschut­z für Häuser unterhalb der Hochhausgr­enze, also zwischen sieben und 22 Metern Höhe. Bis zu dieser Gebäudehöh­e reichen die Einsatzger­äte der Feuerwehr. Ab 22 Metern sind nicht brennbare Fassaden vorgeschri­eben. Ries zufolge behauptet ein Großteil der Fachwelt einschließ­lich Industrie und Politik, die Wärmedämmv­erbundsyst­eme seien sicher. Das sei aber nicht der Fall, sagte er.

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) leitete nach eigenen Angaben erste Schritte zur Überprüfun­g von Gebäudedäm- mungen ein. Unter anderem habe das Ministeriu­m Kontakt zu Vertretern der Feuerwehr aufgenomme­n und sie um Stellungna­hme aus fachlicher Sicht gebeten, teilte Herrmann auf Anfrage in München mit. „Mir geht es hier insbesonde­re um die Überprüfun­g, ob die aus energetisc­hen Gründen geforderte Außendämmu­ng bei Häusern unter 22 Meter Höhe eine zusätzlich­e Brandgefah­r auslöst und ob es bei unseren einschlägi­gen Vorschrift­en und deren Umsetzung Handlungsb­edarf gibt.“

Zudem seien die bayerische­n bauordnung­srechtlich­en Regelungen speziell für Hochhäuser überprüft worden. Seit den 1950er Jahren gelte, dass die Außenwände aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen und mindestens zwei Treppenhäu­ser als Rettungswe­ge bestehen müssen. „Wir werden genau verfolgen, was die Ermittlung­sergebniss­e in London ergeben werden“, sagte Herrmann. Er habe keine Sorge, dass so etwas bei einem Hochhaus in Bayern passieren könne. „Nicht umsonst haben wir in Bayern strenge Brandschut­zvorschrif­ten. Alle Behörden im Ausland, die uns bisher dafür belächelt haben, sollten ihre eigene Gesetzgebu­ng jetzt überdenken.“

Unmittelba­r vor dem Unglück in London hatten deutsche Berufsfeue­rwehren und der Deutsche Feuerwehrv­erband ein Papier miterstell­t, das vor Polystyrol­schaum als Dämmstoff warnt.

Von 95 überprüfte­n Gebäuden fielen alle durch

 ?? Foto: Caroline Seidel, dpa ?? Die Polizei sperrte das Hochhaus in Wuppertal.
Foto: Caroline Seidel, dpa Die Polizei sperrte das Hochhaus in Wuppertal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany