Friedberger Allgemeine

Schlaflose Nächte bis zur Theater Premiere

Es sind nur noch wenige Wochen bis zum Start der Theatersai­son in der neuen Spielstätt­e. Viel Zeit für den Umbau blieb Architekti­n Annabelle Schmid nicht. Wie sie mit dem Druck umgeht und was die Besucher erwartet

- VON INA KRESSE

In sechs Wochen feiert das Augsburger Theater in seiner neuen Spielstätt­e im Martini-Park das Theater-Fest. Eine Woche später findet dort die Premiere der Oper „Der Freischütz“statt. Für Annabelle Schmid bedeutet das Druck. Viel Druck. Die Augsburger Architekti­n ist für den Ausbau der ehemaligen Industrieh­allen verantwort­lich. Viel Zeit hatte sie dafür nicht. Es hängt an ihr, dass sich rechtzeiti­g zur neuen Theatersai­son unter dem neuen Intendante­n André Bücker der Vorhang in der Interimssp­ielstätte hebt. Das bereitet der 49-Jährigen durchaus schlaflose Nächte, wie sie offen zugibt.

In der großen Halle hinter der Martini-Park-Kantine im Textilvier­tel montieren Arbeiter die Gerüste für die Tribünen. In der Wand dahinter klaffen oben zwei viereckige Löcher. Durch die soll man als Zuschauer dann in den Theatersaa­l eintreten und auf den oberen Rängen Platz nehmen. „Das kann man sich noch schwer vorstellen, oder?“, fragt Schmid und lächelt. Die Architekti­n kann es natürlich. Seit rund vier Jahren betreut Annabelle Schmid mit ihrem Architektu­rbüro den Martini-Park. Vor fast genau einem Jahr wurde sie gefragt, ob sie die Industrieh­allen zu einem Theater ausbauen wolle. „Da gab es nichts zu überlegen. Wir sagten natürlich ja. Als es hieß, bis September muss das Projekt fertig sein, dachte ich allerdings an September 2018.“

Schmid kann über ihre falsche Annahme immer noch lachen. Der Termin lautete natürlich Herbst 2017. „Normalerwe­ise braucht man für so ein Projekt eineinhalb Jahre.“Ihr blieben im Endeffekt nur sechs Monate. Bis die Baugenehmi­gung vorlag, konnte das Architektu­rbüro erst Ende März dieses Jahres mit dem Ausbau beginnen. Die Architekti­n spricht von einer enormen Anspannung. „In meinem Kopf geht ständig die Sorge herum, dass ich etwas vergessen könnte. Es ist einfach ein komplexes Thema, das zeitlich komprimier­t ablaufen muss.“Wäre sie selbst nicht so disziplini­ert, sagt Schmid, würde sie diese Zeit nicht durchstehe­n. Morgens um 5.45 Uhr klingelt der Wecker, dann macht Schmid Gymnastik. Anschließe­nd dreht sie eine Runde mit dem Hund. Etwas Zeit für sich braucht sie eben auch, bevor es wieder auf die Baustelle geht. Klar gebe es Phasen des Zweifels, aber Angst zu scheitern hat die Architekti­n nicht. Dafür besitzt sie genügend Selbstvert­rauen. „Ich habe damals im fünften Semester Zwillinge bekommen und das Studium durchgezog­en. Was soll da noch passieren.“Die zweifache Mutter betrachtet den Auftrag als einen Glücksfall für sich und ihr Büro, in dem auch ihr Mann als Architekt arbeitet. „Wann hat man schon die Chance, ein Theater zu bauen?“Ein Interimsth­eater, wie Schmid im Gespräch immer wieder betont. „Die Besucher dürfen sich keinen goldenen Vorhang und kein Geländer aus Elfenbein erwarten“, sagt sie augenzwink­ernd.

In dem insgesamt über 5000 Quadratmet­er großen Komplex kommen im Übrigen nicht nur Bühne, Orchesterg­raben, die Zuschauert­ribüne mit ihren 620 Plätzen und die zwei Foyers unter. 200 der 370 Beschäftig­ten des Theaters werden dort vorübergeh­end ein Domizil haben. Büros für die Verwaltung, Maske, Umkleiden und sämtliche Probenräum­e werden auch in den ehemaligen Industrieh­allen der Freudenber­g Haushaltsp­rodukte GmbH untergebra­cht.

Dass wohl nicht alles hinter der Bühne bis zur Premiere fertig wird, soll für die Zuschauer aber nicht bemerkbar sein. Sie werden anhand einer Lichtinsta­llation im Boden über das Martini-Gelände zum Theater geleitet. Im ersten Foyer finden sie Garderobe, Catering und Sitzgelege­nheiten vor. Im zweiten Foyer ist eine kleine Bühne angedacht. Für Lesungen etwa. Von diesem Raum führen die Eingänge in den Theatersaa­l: Zwei unten, zwei oben über eine Treppe.

Kulturrefe­rent Thomas Weitzel freut sich, dass es bald losgeht. Er verspricht sich ein neues TheaterErl­ebnis. „Die Zuschauer sind näher am Orchester und an der Bühne. Die Distanz ist nicht so groß wie im Großen Haus.“

Annabelle Schmid sieht durch das neue Theater und die neue Intendanz „eine Chance für Augsburg“. Die eine oder andere schlaflose Nacht, die der Architekti­n vielleicht noch bevorsteht, wird sie auch noch wegstecken. »Kommentar

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