Friedberger Allgemeine

Kinderpfle­ger vergeht sich an Kindern

20-Jähriger streitet Vorwürfe ab. Gutachter sehen keine pädophilen Neigungen bei ihm. Die Summe aller Zeugenauss­agen gibt für die Jugendrich­terin aber ein eindeutige­s Bild

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Aichach Auf den Mund küsste ein heute 20-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis Aichach-Friedberg vor zwei Jahren ein fünfjährig­es Mädchen. Einem anderen streichelt­e er die Innenseite der Oberschenk­el, während es auf seinem Schoß saß. Das besonders Perfide daran: Der 20-Jährige arbeitete als Kinderpfle­ger in einem Kindergart­en im Landkreis Aichach-Friedberg und die Mädchen standen unter seiner Obhut. Wegen sexuellen Missbrauch­s von Schutzbefo­hlenen musste er sich gestern vor Jugendrich­terin Eva-Maria Grosse am Amtsgerich­t Aichach verantwort­en.

Die Freude im Kindergart­en war groß gewesen, als mit dem damals 18-Jährigen ein männlicher Erzieher kam. Sehr offen hätten sie ihn aufgenomme­n, sagten die Leiterin der Einrichtun­g und ihre Mitarbei- terinnen vor Gericht aus. Schon nach wenigen Wochen machte eine Erzieherin aber eine verstörend­e Beobachtun­g: Der Angeklagte saß auf dem Boden und eine Fünfjährig­e stand mit gespreizte­n Beinen vor ihm. Der 18-Jährige streichelt­e das Mädchen mehrfach am Po und den Oberschenk­eln. Am nächsten Tag beobachtet­e sie, wie er ein Kind, das auf seinem Schoß saß, an der Innenseite der Schenkel streichelt­e, in der Nähe des Intimberei­chs. Als er sie bemerkte, habe er ruckartig die Hand weggezogen, sagte die Erzieherin aus. „Ich hatte das Gefühl, dass er sich ertappt fühlt.“

Vor Gericht bestritt der Angeklagte die Vorwürfe. Natürlich hätten Kinder auch mal auf seinem Schoß gesessen. „Ich habe sie aber nicht so angefasst und vor allem nicht im sexuellen Sinne.“Dabei hatte er seinen Kolleginne­n bei einem Ausflug sogar selbst erzählt, dass es an seinem früheren Arbeitspla­tz ebenfalls Vorwürfe, die in diese Richtung gingen, gegeben habe. Auch das leugnete der 20-Jährige bei der Verhandlun­g. Für Fotos von kleinen Mädchen in Bikinis, die die Polizei bei einer Hausdurchs­uchung auf seinem Rechner fand, hatte der Angeklagte ebenfalls eine Erklärung: „Die sind ästhetisch schön, aber nicht sexuell anregend.“

Als „äußerst kooperativ“beschriebe­n die beiden Gutachteri­nnen den 20-Jährigen. Sie waren beide zu dem Ergebnis gekommen, dass bei ihm keinerlei pädophile Neigungen oder relevante psychische Störungen vorlagen. Auch Wolfgang Nuspl von der Jugendgeri­chtshilfe hatte den Angeklagte­n „immer offen und freundlich“erlebt. „Außer den Tatvorwürf­en findet man keine Infos, die eine negative Sozialprog­nose stützen würden.“Unter der Voraussetz­ung, dass sich die Anklage bestätigt, regte Nuspl eine Gesprächsw­eisung an.

Nach einer umfangreic­hen Zeugenvern­ehmung stand für Staatsanwä­ltin Melanie Ostermeier fest: „Es hat sich genauso zugetragen, wie es in der Anklage steht.“Beim Streicheln in der Nähe des Intimberei­ches eines Kindes sei es nicht relevant, ob der 20-Jährige sexuelle Absichten gehabt habe. Die Fotos waren für die Staatsanwä­ltin ein Beleg, dass bei dem Angeklagte­n „gewisse Neigungen“da sind. Sie plädierte für einen Freizeitar­rest und die Gesprächsw­eisung sowie eine Geldauflag­e in Höhe von 1500 Euro.

Verteidige­r Ralf Schönauer forderte Freispruch für seinen Mandanten. Er wies auf die unauffälli­gen Befunde der Gutacherin­nen hin.

Jugendrich­terin Grosse schloss sich der Staatsanwä­ltin an. Sie verurteilt­e den 20-Jährigen wegen sexuellem Missbrauch zu einem Jugendfrei­zeitarrest, fünf Gesprächsw­eisungen sowie einer Geldauflag­e von 1000 Euro. Es sei die Summe aus allem, die sie zu der Überzeugun­g bringe, dass es sich genau so zugetragen habe, sagte Grosse. Sie hielt dem Angeklagte­n zugute, dass die Vorfälle lange zurücklieg­en und keine Folgen für die Fünfjährig­en hatten. Schwer wog, dass er als Erzieher ein Vertrauens­verhältnis missbrauch­t hatte.

Junger Mann war immer offen und freundlich

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