Friedberger Allgemeine

Der Anti-Trump

New Yorks Bürgermeis­ter Bill de Blasio profiliert sich als Gegenspiel­er des amerikanis­chen Präsidente­n. Zieht es ihn womöglich selbst ins Weiße Haus?

- Thomas Spang

An Selbstvert­rauen mangelt es Bill de Blasio nicht. Dass ihm zwei von drei Wählern in New York gerade zu einer weiteren Amtszeit als Bürgermeis­ter verholfen haben, festigt in ihm nur den Anspruch, so etwas wie der natürliche Gegenspiel­er Donald Trumps zu sein. Hochgewach­sen wie der Baumagnat aus Manhattan, aber deutlich jünger und durchtrain­iert, verkündete der 56-Jährige in der Nacht seiner Wiederwahl: „New York City hat eine klare Nachricht an das Weiße Haus geschickt.“

Darauf angesproch­en, ob er bereits seinen Ring für die Präsidents­chaftswahl­en 2020 in den Ring geworfen habe, winkt er ab. „Ich konzentrie­re mich ganz auf das Heute“. Ein Satz, den viele ihm nicht abkaufen. Gehören solche Verneinung­en doch zum Standard-Repertoire ehrgeizige­r Politiker, die tatsächlic­h genau das Gegenteil anstreben. Nach zwei Amtszeiten kann er nicht noch einmal als Bürgermeis­ter antreten. Darüber hinaus gibt es diesmal bei den Demokraten keine gesetzte Kandidatin wie Hillary Clinton, die er in ihrem Wahlkampf 2016 unterstütz­te. „Wir werden einen sehr selbstbewu­ssten Mann erleben, der ins nationale Rampenlich­t treten wird“, prophezeit der demokratis­che Stratege George Arzt.

Selbst wenn New Yorker Bürgermeis­ter in der Vergangenh­eit nicht viel Glück bei ihren Versuchen hatten, sich eine Präsidents­chaftskand­idatur zu erobern, könnte das diesmal anders sein. De Blasio, der sowohl italienisc­he als auch deutsche Einwandere­r unter seinen Vorfahren hat, positionie­rt sich geschickt als linker Pragmatike­r, der sowohl für die Anhänger des Linken Bernie Sanders als auch für moderate Demokraten wählbar ist. Geboren als Warren Wilhelm Jr. hatte er nach dem Suizid seines Vaters seinen Namen erst in Warren de Blasio-Wilhelm geändert, ehe er ab 1990 nur noch den Namen Bill de Blasio benutzte. Verheirate­t ist er mit der schwarzen Schriftste­llerin Chirlane McCray, mit der er zwei Kinder hat.

Als politische Erfolge führt de Blasio, der sich in jungen Jahren als demokratis­chen Sozialiste­n bezeichnet­e und während der Revolution in Nicaragua Lebensmitt­el und Medizin verteilen half, unter anderem die Einführung kostenlose­r Kindertage­sstätten in New York, Fortschrit­te bei der Verbrechen­sbekämpfun­g und den Anspruch auf Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall für Betriebe mit mehr als fünf Angestellt­en ins Feld – alles Herzensanl­iegen der demokratis­chen Basis, die dringend nach jemanden sucht, hinter dem sie sich versammeln kann.

De Blasio kann sich dabei auf eine ähnliche Allianz stützen wie einst Barack Obama. Seine Kernwähler­schaft setzt sich aus Schwarzen, Latinos und dem gut gebildeten weißen Bürgertum zusammen. Strategisc­h geschickt kritisiert de Blasio die Politik des Präsidente­n bereits jetzt als größtes Hindernis seiner Agenda für New York und ebnet sich gleichzeit­ig den Weg in die nationale Politik.

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Foto: dpa

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