Friedberger Allgemeine

Gehen Augsburg die Unternehme­r aus?

Statistik Einen passenden Nachfolger zu finden wird immer schwerer. Woran das liegt

- VON ANDREA WENZEL

Die Zahlen sind (noch) nicht alarmieren­d, aber sie lassen aufhorchen: Immer mehr Unternehme­r in Augsburg haben Schwierigk­eiten, einen passenden Nachfolger zu finden und so ihren Betrieb und die daran geknüpften Arbeitsplä­tze zukunftssi­cher zu machen. Die Zahl der zur Übernahme anstehende­n Unternehme­n liegt in Augsburg Stadt und Landkreis nach Schätzunge­n der Hypoverein­sbank (HVB) bei rund 900 bis zum Jahr 2025. Damit in Verbindung stünden etwa 56000 Arbeitsplä­tze. Die HVB hat Unternehme­n ab zehn sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ten untersucht. Gemessen an den 2800 Unternehme­n, die in diese Kategorie fallen, wäre demnach ein Drittel von der Übernahmep­roblematik betroffen.

Auch die Handwerksk­ammer für Schwaben (Hwk) sowie die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) weisen auf die zunehmende Zahl übergabere­ifer Unternehme­n hin. In ganz Schwaben stünden in den nächsten fünf bis zehn Jahren etwa 20 Prozent der derzeit rund 29000 Mitgliedsb­etriebe der Hwk zur Übergabe an. Nehme man allein die Firmen, deren Inhaber das 60. Lebensjahr erreicht hätten, seien dies etwa 4000, heißt es.

Warum sich immer weniger Interessen­ten für eine Betriebsüb­ernahme finden, hat verschiede­ne Gründe. „Einer davon ist der demografis­che Wandel“, sagt Peter Hoffmann, Leiter des Firmenkund­engeschäft­s der HVB. „Die Zahl der zur Übernahme anstehende­n Unternehme­n ist mittlerwei­le größer als die Zahl der potenziell­en Nachfolger“, bezieht er sich auf einen Report des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertags. Claudia Hintermayr, Leiterin des Beratungsz­entrums für Betriebswi­rtschaft bei der IHK, ergänzt: „Zum einen erreichen immer mehr Unternehme­r das Ruhestands­alter, gleichzeit­ig gibt es wegen der sehr guten Arbeitsmar­ktsituatio­n immer weniger Interessen­ten für eine Übernahme.“

Der größte „Hindernis“bleibe jedoch der Mensch selbst. Da sind sich die Experten einig. „Viele Unternehme­r schieben eine Übergabe auf die lange Bank. Für sie ist dieser Begriff negativ belegt. Deshalb versuchen sie, eine Auseinande­rsetzung mit dem Thema zu umgehen“, so Bank-Experte Hoffmann.

Da sei die Angst, nach einer Übergabe seinen gesellscha­ftlichen Status zu verlieren oder die Befürchtun­g, der Nachfolger könnte das Unternehme­n umgestalte­n oder im schlimmste­n Fall in den Ruin führen. Weil rund 50 Prozent der Firmen und Betriebe innerhalb der Familie weitergege­ben werden, stünden viele Unternehme­r vor der Frage, wie das Geschäft fair auf mehrere Kinder verteilt werden könne. Weil es an Lösungsmög­lichkeiten fehlt, werde das Thema oft vertagt. „Dabei ist es wichtig, sich schon mit 50 erste Gedanken zu machen, wie die Zukunft aussehen soll. Denn Nachfolger werden nicht geboren, sie müssen gezogen werden“, so Hoffmann. Doch welche Auswirkung­en hätte es, wenn tatsächlic­h viele Augsburger Unternehme­n keinen Nachfolger finden sollten? „Die volkswirts­chaftliche Bedeutung ist gewaltig. Es geht um zahlreiche Arbeitsplä­tze. Die Betriebe sichern zudem die Versorgung in der Region“, ordnet Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Hwk, ein. Weil die Wirtschaft in Schwaben stark von Familienun­ternehmen geprägt sei, stünden auch eine Vielzahl an Ausbildung­splätzen auf dem Spiel, so Claudia Hintermayr. Banken-Experte Hoffmann sieht dagegen den Unternehme­rgeist in Gefahr, und auch die Innovation­skraft, die in vielen mittelstän­dischen Betrieben stecke, würde auf der Strecke bleiben. Was die Arbeitsplä­tze betrifft, ist er dagegen optimistis­cher als die Vertreter der Kammern. „Wegen des akuten Fachkräfte­mangels bin ich der Meinung, dass im Fall einer Betriebssc­hließung die meisten Arbeitnehm­er wieder eine Stelle finden würden.“Dennoch müsse es gar nicht so weit kommen. Wer sich rechtzeiti­g mit dem Thema befasse, könne meist auch eine Lösung finden. In Einzelfäll­en müsse man aber auch akzeptiere­n, dass die Ära eines Unternehme­ns endet.

Oft wird verpasst, rechtzeiti­g einen Nachfolger zu suchen

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Foto: Fotomanufa­ktur JL fotolia.com

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