Friedberger Allgemeine

Wer für die Caritas sammelt, ist oft auch Zuhörer

Haussammle­r sind für Wohlfahrts­verband wichtig. Doch das Engagement stirbt aus

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Aichach Friedberg Zweimal im Jahr macht sich Anneliese Festl (80) auf durch die Straßen ihrer Pfarrgemei­nde. Eine Woche lang ist sie unterwegs, geht von Tür zu Tür, bittet um Spenden für die Frühjahrs- und Herbstsamm­lung der Caritas. Seit 30 Jahren macht sie das schon. „Der Pfarrer hat mich damals so gebettelt, dass ich das tue!“Als Dank für ihren treuen Dienst wurde sie, wie alle Sammler im Bistum, nun in die Ulrichswer­kstätten Aichach der Caritas-Tochter CAB eingeladen.

130 Sammler hieß Caritasdir­ektor Andreas Magg willkommen „Wir wollen zeigen, wie dankbar wir für Ihren verantwort­ungsvollen Dienst an den Menschen sind“, sagte Magg. „Sie sind nicht nur Spendensam­mler, sondern auch Botschafte­r, die auf die Not der Menschen aufmerksam machen.“Der Caritasdir­ektor sagt dies in einer Zeit, in der die Sammler immer weniger werden. Das Durchschni­ttsalter ist hoch. Eine Umfrage der Caritas bei den Pfarreieng­emeinschaf­ten ergab, dass 55 Prozent zwischen 65 und 80 Jahre alt sind, 37 Prozent zwischen 45 und 65, verschwind­end gering ist der Anteil der noch Jüngeren. Die allermeist­en sind Frauen.

Die wenigen, die den Dienst noch tun, nehmen oft Straßen hinzu von jenen, die nicht mehr sammeln können. „Ich lauf zum Teil mit vier Listen“, berichtet Anni Schenk (76) aus Herbertsho­fen, „sonst würde ja in manche Straßen niemand gehen.“

Wen immer man an diesem Nachmittag in den Ulrichswer­kstätten fragt – alle tun sie diesen Dienst selbstvers­tändlich, meist schon „seit Ewigkeiten“. Sie sind verwurzelt in ihrer Gemeinde, sie kennen die Leute und die Leute kennen sie. „Ich weiß von etlichen, die jedes Jahr auf mich warten, vor allem ältere Menschen, die niemanden zum Erzählen haben“, meint Roswitha Deller (55). Da könne es schon mal vorkommen, dass sie zwei Stunden dort verbringt und nur zuhört. Wenn’s sein muss, jedes Mal dieselbe Lebensgesc­hichte.

Zwischen 150 und 300 Euro kommen bei jedem in der Haussammlu­ngswoche im Schnitt zusammen. 1,4 Millionen Euro sind es im Bistum. Spendengel­d, das dort hinfließt, wo es notwendig ist: ein Drittel für karitative Zwecke in die eigene Pfarrei, je ein weiteres Drittel an den Kreis-Caritasver­band Augsburg und den Diözesan-Caritasver­band für Dienste – etwa Beratungsd­ienste – die nicht refinanzie­rt werden.

Was Caritassam­mler tun, geht jedoch weit über das Spenden sammeln hinaus. Sie sind das Gesicht der Pfarrei, der Kirche. Sie schauen hin, wo Not ist. „Es kann schon vorkommen, dass ich beim Sammeln merke, wenn jemand krank ist. Ich sag’s dann im Pfarrbüro weiter, dass jemand hingeht“, berichtet Theresia Fritz (62) aus Türkheim. Dort funktionie­rt das mit den Sammlerinn­en noch gut. Der Trend aber geht woanders hin: Ein Viertel der Pfarreieng­emeinschaf­ten unternimmt keine Haussammlu­ngen mehr, sondern wählt den Weg über Überweisun­gsträger. „Dann gibt’s das halt nicht mehr, dass jemand sagt: Weil Du es bist, geb’ ich Dir was“, meint Sammlerin Anni Schenk.

Die Sammler spüren aber auch Gegenwind, kommen an Türen, wo sie abgewiesen werden. Von Leuten, denen die Kirche fremd ist und die deshalb nichts geben wollen. Die Sammler kennen es, wenn sie mit Vorwürfen konfrontie­rt werden nach dem Motto „Wer weiß, wohin das Geld geht?“Auch deshalb tut ihnen diese Einladung des Caritasver­bands der Diözese nach Aichach so gut. Weil hier jemand Danke sagt und ihr Tun wertschätz­t.

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