Fachstelle Sucht startet Ersatzdrogen-Therapie
Ankündigung bei Jubiläumsfeier: Substitionspraxis soll Anfang 2016 öffnen – Rückblick auf 40 Jahre
TUTTLINGEN - 40 Jahre hat die Fachstelle Sucht inzwischen hinter sich, und mit einer positiven Nachricht geht sie in die kommenden 40 Jahre: Spätestens im ersten Quartal 2016 soll die Fachstelle eine eigene Substitutionspraxis bekommen. Das kündigten Bernd Mager, Sozialdezernent des Landkreises, und Fachstellen-Leiter Ulrich Mayer bei der Jubiläumsfeier am Freitag an.
Das Problem besteht schon lange: Für eine Substitutionstherapie, mit der Drogenabhängige mit Methadon zum Beispiel von Heroin entwöhnt werden sollen, müssen Patienten bislang meist in andere Landkreise fahren. „Teilweise bis Kehl oder Konstanz“, sagt Wolfgang Höcker, Medizinischer Direktor der Suchtklinik Reichenau. Seine Klinik habe deshalb vor einiger Zeit angeboten, die Organisation und Abrechnung der Behandlungen zu übernehmen – sofern in Tuttlingen Räume zur Verfügung gestellt würden.
Die wiederum sollen nun im Untergeschoss der Fachstelle Sucht eingerichtet werden. Das Landratsamt spendiert 5000 Euro, damit die Medi- kamente vorschriftsgemäß aufbewahrt werden können – das heißt im Panzerschrank. Diese Voraussetzungen hätten drei Tuttlinger Ärzte überzeugt, sich am Programm zu beteiligen, sagt Höcker. In der Praxis könnten Abhängige dann, voraussichtlich immer vormittags, ihre tägliche Dosis abholen. Bislang hatte nur ein Arzt in Tuttlingen in seiner Praxis die Therapie angeboten.
„Darauf haben wir lange gewartet, das ist toll, dass wir das bald anbieten können“, sagte Mayer beim Jubiläum. Die Gemeinschaftspraxis soll laut Höcker ein Modell für andere Landkreise sein: „Ländliche Regionen haben ja alle dieses Problem.“
Dass Drogenbehandlung überhaupt bei der Fachstelle Sucht angesiedelt ist, ist übrigens nicht selbstverständlich: Von 1994 bis 2004 gab es eine eigene Drogenberatungsstelle in Tuttlingen, aus Kostengründen wurden beide Stellen zusammengelegt. Inzwischen sind die Abhängigkeiten, die die Fachstelle behandelt, aber noch vielfältiger geworden. Mediensucht gehört ebenso dazu wie Drogen- oder Alkoholsucht, das betonten alle Redner bei der Jubiläumsfeier.
Dennoch habe sich in Sachen Therapie viel geändert, sagte Rolf Hüllinghorst bei seinem Fachvortrag. Der langjährige Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen beleuchtete die Geschichte der Suchttherapie in Worten, die Mitarbeiter der Fachstelle lieferten das passende Theaterstück dazu: Am Beispiel von Herrn Sorge erzählten sie von den „Trinkerheilanstalten“des 19. Jahrhunderts, den strikten Konsequenzen für Trinker im Nationalsozialismus, der Gründung der Fachstelle Sucht und der heutigen, modernen, selbstbestimmten Therapie. Nachholbedarf, das machte Hüllinghorst allerdings deutlich, sieht er noch in der Prävention: „Auf 465 Werbespots für Alkohol kommt einer für Suchtprävention. Alkoholwerbung gehört verboten.“