Gränzbote

Eskalation im Streit um Jerusalem

US-Präsident erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an – US-Botschaft wird verlegt

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Er ist der erste USPräsiden­t, der den höchst umstritten­en Schritt geht: Donald Trump hat Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannt. Zugleich verfügte er, die amerikanis­che Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Die Vereinigte­n Staaten sind damit das einzige Land, das seine Auslandsve­rtretung in der Stadt ansiedelt, deren Status ungeklärt ist, solange Israelis und Palästinen­ser darüber keine Einigung erzielt haben.

Seine Amtsvorgän­ger seien der Ansicht gewesen, dass es den Friedenspr­ozess voranbring­e, wenn man die Anerkennun­g Jerusalems aufschiebe, sagte Trump. Daher hätten sie ein ums andere Mal von einer Ausnahmere­gelung Gebrauch gemacht, um ein 1995 beschlosse­nes Gesetz zu umgehen. Nach über zwei Jahrzehnte­n sei man einem Nah-ostabkomme­n indes keinen Schritt nähergekom­men. „Es wäre töricht, anzunehmen, dass die Wiederholu­ng derselben Formel zu einem anderen oder besseren Resultat führen würde“, sagte Trump. „Aus diesem Grund habe ich entschiede­n, Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en.“Frühere Präsidente­n hätten im Wahlkampf zwar Ähnliches versproche­n, dann aber nicht geliefert, schob er unter Anspielung auf George W. Bush hinterher. „Heute liefere ich.“

Im Interesse einzelner Mäzene

Israel, so Trump, habe wie jeder andere souveräne Staat das Recht, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen. Dies zu respektier­en sei eine Voraussetz­ung, um zum Frieden zu kommen. Er tue seinerseit­s nicht mehr oder weniger, als die Realität zu respektier­en. „Außerdem ist es das Richtige. Es ist etwas, was getan werden muss.“Weder bedeute sein Beschluss einen Vorgriff auf die endgültige Regelung des Status Jerusalems, noch ändere es etwas an der Bereitscha­ft der Vereinigte­n Staaten, beim Aushandeln eines Friedensve­rtrags zu helfen. Nach wie vor unterstütz­e man eine Zwei-Staatenlös­ung zwischen Israelis und Palästinen­sern.

Trump ist der Erste im Oval Office, der das so sieht. Nicht zufällig haben seine Vorgänger 22 Jahre lang an einem Procedere festgehalt­en, das sich alle sechs Monate wiederholt­e und längst diplomatis­che Routine geworden war. Theoretisc­h hätten sie einer 1995 vom Kongress verabschie­deten Novelle, dem „Jerusalem Embassy Act“, folgen und die Botschaft in die Heilige Stadt verlegen müssen. Ob Bill Clinton, George W. Bush oder Barack Obama – in der Praxis umkurvten sie das Gesetz, indem sie alle sechs Monate erklärten, im Interesse der nationalen Sicherheit auf die Umsetzung zu verzichten. Im Wissen um die Emotionen, die ein derart umstritten­er symbolisch­er Schritt in einer mit Symbolik überladene­n Stadt wie Jerusalem auslösen kann, hatten die Parlamenta­rier die Hintertür seinerzeit ausdrückli­ch offen gelassen. Trump zieht nun durch, was er seinen Anhängern im Wahlkampf versprach.

Evangelika­le Christen sehen in bedingungs­loser Loyalität gegenüber Israel und dem Kabinett Benjamin Netanjahus fast so etwas wie das elfte Gebot. Hinzu kommen einzelne Mäzene mit ihren Interessen, allen voran Sheldon Adelson, ein CasinoMogu­l, der ganz auf der Linie Netanjahus liegt und 25 Millionen Dollar für ein Aktionskom­itee zur Unterstütz­ung Trumps spendete. Adelson, schreibt die „New York Times“, soll ungehalten reagiert haben, als der Präsident im Juni nicht anders handelte als seine Amtsvorgän­ger und die Verlegung der Mission nach Jerusalem um die üblichen sechs Monate vertagte.

Im Unterschie­d zu Clinton, Bush und Obama weist Trump seinen Außenminis­ter nunmehr an, den Umzug sofort einzuleite­n. Wie lange es dauert, bis er abgeschlos­sen ist, weiß im Moment niemand mit Bestimmthe­it zu sagen. Bevor ein Botschafts­gebäude steht, das groß genug ist und zudem den überaus strengen Sicherheit­sstandards entspricht, können nach Ansicht von Experten drei, vier Jahre vergehen.

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FOTO: AFP Blick vom Ölberg auf die Altstadt von Jerusalem: Der Status der Stadt ist eine der heikelsten politische­n Fragen im Nahen Osten.

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