Gränzbote

Eisiger Gegenwind für Angela Merkel

Horst Seehofer und Sebastian Kurz setzen auf „Achse der Willigen“

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Horst Seehofer (CSU) will gar nichts mehr sagen. Zumindest nichts über den großen Streitpunk­t mit Angela Merkel (CDU). Er habe der Bundestags­fraktion versproche­n, den innenpolit­ischen Konflikt zu lösen, soviel nur sagt er. Zusammen mit Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) tritt er in Berlin vor die Presse. Sebastian Kurz und er beschwören eine „Achse der Willigen“, die von Rom über Wien bis Berlin reiche. Eine Achse, die Fortschrit­te bei der Sicherung der Außengrenz­en Europas und die eigenen Grenzen schützen will. Achse der Willigen? Das geht Merkel nicht weit genug. Drei Stunden nach Seehofers Auftritt weist sie bei der Pressekonf­erenz nach dem Integratio­nsgipfel darauf hin, dass es auch Ankunftslä­nder wie Griechenla­nd und Spanien gebe und es deshalb um möglichst viele Kooperatio­nsformen gehen müsse.

„Mein Gott, das ist doch genau der alte Streit zwischen Seehofer und Merkel, der jetzt schon wieder neu aufgelegt wird“, meinen einige CDUAbgeord­nete. Aber auch GrünenChef­in Annalena Baerbock platzt die Hutschnur. Seit drei Jahren, so Baerbock, halte die Union mit ihrem internen Streit die Republik in Atem. Das sei fahrlässig, gerade auch von der Kanzlerin, denn das trage zum Gefühl der Unsicherhe­it bei.

Schlecht vorbereite­t

Fahrlässig? Unsicherhe­it? Zumindest gibt es auch in der Union Zweifel an der Führungsst­ärke der Spitze. Von schlechter Vorbereitu­ng und einem Durcheinan­der sprechen Abgeordnet­e. Kaum ein Abgeordnet­er kennt Seehofers Plan im Einzelnen, diskutiert wird vor allem der letzte Punkt, der vorsieht, Flüchtling­e an den Grenzen zurückzuwe­isen, die bereits in einem anderen europäisch­en Land registrier­t sind. Das sollen derzeit 28 Prozent der Flüchtling­e sein.

Seehofer will diese an den vier Grenzübert­ritten zu Österreich zurückschi­cken. Auf den ersten Blick trifft dies auf viel Beifall in der Unionsfrak­tion. So viel eisigen Gegenwind ist die Kanzlerin nicht gewohnt. Sie selbst kommt erst ganz zum Schluss zu Wort. Hätte sie früher geredet, hätten manche Wortmeldun­gen vielleicht auch anders ausgesehen, heißt es später.

Denn viele Fragen sind offen. Viele rätseln, ob bei den geplanten Abweisunge­n Seehofers dann nicht mehr Flüchtling­e über die grüne Grenze kämen, vielleicht an die Schweizer-Baden-Württember­gische Grenze ausweichen oder vorsichtsh­alber gar keinen Antrag in ihrem Ankunftsla­nd stellen. Und was machen dann die Italiener? Alle gleich durchwinke­n nach Deutschlan­d? Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz will nicht auf die Frage antworten, was Österreich tue, wenn Deutschlan­d die Grenzen schließt. Aber nur wenige in Berlin bezweifeln, dass Österreich dann mehr Härte an der Grenze zu Italien walten lassen würde und am Ende die Italiener und die Griechen wieder allein die Last trügen. Italiens Lega Nord-Innenminis­ter Salvini würde vermutlich beim neuen harten Kurs bleiben und die Schiffe im Mittelmeer lassen. All diese möglichen Konsequenz­en sind in der Unionsfrak­tion noch nicht diskutiert worden. Doch die Zeit drängt.

Aktuelle Stunde

Schon am Freitag soll im Bundestag auf Antrag der FDP-Fraktion eine aktuelle Stunde stattfinde­n. „Wie geht es weiter mit Seehofers Masterplan?“ist die Frage, auf deren Beantwortu­ng die FDP genüsslich wartet. Doch es gab zaghafte Zeichen für eine Annäherung Merkels und Seehofers. So stellt Horst Seehofer ausdrückli­ch fest, natürlich „wäre es der Idealfall, wenn es gelänge, die EUAußengre­nzen zu schützen.“Denn das würde die Kontrolle an den Binnengren­zen überflüssi­g machen.

Doch so lange es noch nicht so weit ist, hat er seinem Partner Sebastian Kurz versproche­n, Österreich bei der Grenzsiche­rung zu unterstütz­en. Sebastian Kurz wiederum warnt es gebe wieder mehr Ankünfte in Griechenla­nd und man dürfe nicht noch einmal warten, bis die Katastroph­e wieder da sei.

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FOTO: DPA Eine Achse, die die eigenen Grenzen schützen will: Sebastian Kurz (li.), Horst Seehofer (CSU).

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