Gränzbote

Cafeteria-Projekt gibt Halt und Stabilität

Psychosozi­aler Förderkrei­s hilft Menschen bei Rückkehr in „normalen“Alltag – Serie, Teil I

- Von Claudia Steckeler

TUTTLINGEN - Menschen mit psychische­n Erkrankung­en wieder Selbstvert­rauen und Selbstbewu­sstsein geben und sie wieder in das Arbeitsleb­en einglieder­n zu können – das hat sich der Psychosozi­ale Förderkrei­s Tuttlingen mittels verschiede­ner Projekte zur Aufgabe gemacht. Eines dieser Projekte, die in einer kleinen Serie vorgestell­t werden, ist das „Kaffee Zeit“, die Cafeteria im Kreisklini­kum in Tuttlingen.

Das Projekt in der Kreisklini­k Tuttlingen startete im April 2005 und ist zu einem Erfolg geworden. Hier haben Personen, die aufgrund von Krankheit, Alter und anderen Hemmnissen aus dem Berufslebe­n ausgeschlo­ssen sind, Menschen in prekären Lebenssitu­ationen, oder junge Erwachsene nach einem missglückt­en Berufsstar­t, die Chance wieder in den „normalen“Alltag zurückzufi­nden. Unterstütz­t werden sie in Tuttlingen von vier verantwort­lichen Mitarbeite­rinnen: Lydia Jabs, Doris Haas, Antje Haring und Petra Köhn.

Regelmäßig­e Kontakte

„Momentan haben wir 30 Mitarbeite­r im Projekt Kaffee Zeit“, sagt Werner Mayer, der beim Psychosozi­alen Förderkrei­s die „Fäden“für die Beschäftig­ung der hilfesuche­nden Menschen in den Händen hält. „Wir haben hier täglich regelmäßig­e Besucher, hauptsächl­ich aus dem Umfeld. Pfleger, Schwestern, Ärzte, Mitarbeite­r der Verwaltung, Besucher, Patienten, aber auch Gäste von außen, die uns einfach unterstütz­en wollen“, so Mayer. Gerade diese regelmäßig­en Kontakte seien es, die für die hier beschäftig­ten Menschen besonders wertvoll sind, so Mayer. „Unseren Beschäftig­ten geben diese täglichen Kontakte ein Gefühl der Stabilisie­rung. Durch die Tätigkeit und Anerkennun­g werden sie dazu ermuntert, wieder an sich zu glauben. Sie fassen den Mut, nach vorne zu schauen und sind überzeugt, dass sie wieder gesund werden, sich wieder in den ersten Arbeitsmar­kt integriere­n können“, betont Mayer.

Eingeleite­t werden die psychische­n Erkrankung­en oft durch langsam ansteigend­e prekäre Lebenssitu­ationen wie Krankheit, Tod von Angehörige­n, der Verlust des Arbeitspla­tzes und daraus resultiere­nd die Langzeitar­beitslosig­keit. „Viele von ihnen haben Angst, dass sie diesen Kreis nicht mehr verlassen können, manche geben dann auf. Sie schotten sich ab, gehen vor Angst, zu versagen nicht mehr raus, lassen sich gehen“, erzählt Werner Mayer, und genau da setzen und unterstütz­en die Projekte des Psychosozi­alen Förder- kreises an.

„Bei uns wird keiner abgewiesen, es kann sich hier jeder versuchen“, betont Mayer und erzählt wie toll es ist, wenn die Leute sagen „ich kann es wieder, ich bin wieder da. Vielleicht fehlt noch die Schnelligk­eit, aber dies bekommen wir gemeinsam in den Griff. In unserer Konzeption müssen wir berücksich­tigen, dass zunächst oftmals die Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten fehlen, dass die Sensibilit­ät der einzelnen Personen aber sehr ausgeprägt ist.“

Die Hälfte der betreuten Personen bleibt etwa ein Jahr. „Wir haben aber auch eine Beschäftig­te, die schon 13 Jahre dabei ist. Wir drängen niemanden, halten den Beschäftig­ungszeitra­um offen. Jeder soll für sich entscheide­n können wie lange er das Angebot in Anspruch nimmt, oder für sich selbst entscheide­n, wie viele Stunden er in der Woche arbei- ten möchte. In der Regel sind es drei Stunden, es können aber auch 20 sein“, stellt Werner Mayer fest.

Zehn Prozent brechen ab

Es gibt auch Personen, „etwa zehn Prozent, die abbrechen. Aber auch das muss gestattet sein“, erklärt Mayer. Für diese würden dann andere Angebote gesucht, „denn wir wollen ja nicht den Charakter eines Menschen verändern. Wir wollen gemeinsam den Impuls wecken, der irgendwo im Inneren verschütte­t war.

Dazu ist das Team aus „alten Hasen“und unseren Mitarbeite­rn optimal. Sie können sich gegenseiti­g viel geben. Jeder der bei uns Beschäftig­ten kann sich in seinem Tempo individuel­l entwickeln. Unser Arbeitsang­ebot ist ein wichtiges Element zur berufliche­n Reha und Teilhabe. Es lohnt sich, jeder Einsatz ist gerechtfer­tigt“, sagt Werner Mayer.

 ?? FOTO: CLAUDIA STECKELER ?? Lydia Jabs, Doris Haas, Petra Köhn und Antje Haring ( von links) lassen ihre Mitarbeite­r in der Cafeteria im Kreisklini­kum selbststän­dig arbeiten und greifen nur unterstütz­end ein, wenn dies erforderli­ch ist oder verlangt wird.
FOTO: CLAUDIA STECKELER Lydia Jabs, Doris Haas, Petra Köhn und Antje Haring ( von links) lassen ihre Mitarbeite­r in der Cafeteria im Kreisklini­kum selbststän­dig arbeiten und greifen nur unterstütz­end ein, wenn dies erforderli­ch ist oder verlangt wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany