Gränzbote

Der Anfang der Trennung

- ●» s.lennartz@schwaebisc­he.de

Es ist der Mut der Verzweiflu­ng. Die SPD, die in der Wählerguns­t bei 17 Prozent dümpelt, setzt alles auf eine Karte. Sie legt Hartz IV zu den Akten und bewegt sich stramm nach links, um endlich die Trendwende zu erreichen. Die Vorsitzend­e Andrea Nahles muss, wie in der SPD üblich, um ihr Amt kämpfen. Es gibt Ex-Vorsitzend­e und Ex-Kanzler, die sie kaum verhohlen für unfähig erklären, und einen Finanzmini­ster, der sich selbst für geeignet hält, Kanzler zu werden.

Also alles beim Alten bei der guten alten SPD? Nicht ganz. Denn diesmal wird sehr ernst über Inhalte diskutiert. Mit ihrem Markenkern­thema Gerechtigk­eit will sie wieder punkten: mehr Mindestloh­n, eine flexiblere Arbeitswel­t, höhere Renten und mehr Geld für Kinder.

In der Großen Koalition ist dies alles nicht machbar. Deshalb ist es auch der Anfang einer bevorstehe­nden Trennung, wenn die SPD ihre prächtigen Wunschschl­össer baut. Beispiel Grundrente: CDU und CSU wollen sie an eine Bedürftigk­eitsprüfun­g koppeln – und haben damit recht. Die Rentenvers­icherung basiert auf dem Leistungs- und nicht auf dem Wohltätigk­eitsprinzi­p. Es gibt viele Ehepaare, bei denen einer gut verdient hat und der andere nur etwas beitragen wollte oder musste. Warum sollen hier nun die Rentenzahl­er einspringe­n?

Auch beim Mindestloh­n hat die Koalition eine Kommission eingesetzt, die ihre Empfehlung­en abgeben soll, um das zu vermeiden, was jetzt passiert. Denn der Mindestloh­n soll nicht politisch festgelegt werden, sondern wirtschaft­lich fundiert sein. Und ob Hartz IV nun Hartz IV oder Bürgergeld heißt, wird für die Betroffene­n wenig Unterschie­d machen. Vernünftig ist der Gedanke, Kinder in Hartz IV so herauszune­hmen, dass sie Chancen auf eine gute Zukunft haben.

Die SPD will nicht die soziale Marktwirts­chaft beerdigen, wie die Union schimpft, aber sie will Hartz IV beerdigen. Ob sie selbst dadurch wieder aufersteht, muss bezweifelt werden. Denn es dauert länger, Vertrauen wieder aufzubauen, als es zu verspielen.

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