Guenzburger Zeitung

Eine CDU Frau bremst den Schulz Zug

Saarland Ist der SPD-Höhenflug schon wieder vorbei? Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r beschert den Sozialdemo­kraten eine herbe Schlappe zum Auftakt des Superwahlj­ahrs. Was war das Erfolgsrez­ept der Merkel-Vertrauten?

- VON MARTIN FERBER

Annegret Kramp-Karrenbaue­r pflegt einen nüchtern-analytisch­en Politiksti­l, wirkt stets überlegt und unaufgereg­t. Man könnte auch sagen cool. Stets wurde die CDU-Ministerpr­äsidentin des Saarlands gefragt, ob sie nicht Angst vor dem „Schulz-Effekt“habe, der die SPD in den Umfragen nach oben schnellen ließ. Tatsächlic­h gab es in den vergangene­n Wochen ein halbes Dutzend Umfragen, wonach die 54-jährige gebürtige Saarländer­in als Randfigur vom Sog eines kaum zu bremsenden „Schulz-Zuges“weggewirbe­lt werden könnte. Doch KrampKarre­nbauer blieb stets gelassen, wenn sie auf die Begeisteru­ng um den SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz angesproch­en wurde. „Ich sehe keine Wechselsti­mmung an der Saar“, sagte sie trocken. Am Ende behielt sie recht. Nicht die SPD, sondern ihre CDU legte deutlich zu.

Im Willy-Brandt-Haus in BerlinKreu­zberg war an diesem Sonntagabe­nd eigentlich alles für eine rauschende Siegespart­y vorbereite­t. Eine Woche nach dem Sonderpart­eitag, bei dem Schulz mit dem historisch­en Wert von 100 Prozent zum neuen SPD-Chef gekürt worden ist, sollten der Triumph im Saarland und die Regierungs­übernahme in Saarbrücke­n an der Seite der Linken gefeiert werden.

Doch als um Punkt 18 Uhr die Prognosen der Meinungsfo­rschungsin­stitute über die aufgestell­ten Monitore flimmern, bleibt den Genossinne­n und Genossen buchstäbli­ch der Jubel im Hals stecken. Von einem Moment auf den anderen ist die gute Stimmung verflogen, eisiges Schweigen macht sich breit. Ist das nur ein kleiner Dämpfer, Ausdruck der sehr speziellen Verhältnis­se im Saarland – oder der Anfang vom Ende des Hypes um den neuen SPD-Chef Martin Schulz? Verpufft der Schulz-Effekt sogar, bevor das Superwahlj­ahr in seine heiße Phase gekommen ist?

Zu eindeutig ist das Ergebnis, zu klar der Vorsprung der CDU mit Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r, zu groß der Rückstand der SPD. Schon nach der Prognose ist klar: Für Rot-Rot an der Saar reicht es nicht. Es bleibt nur die Fortsetzun­g der ungeliebte­n Großen Es gibt kein Signal für eine Mehrheit links der Mitte. „Oje“, stöhnt eine Sozialdemo­kratin, „das darf doch nicht wahr sein“, ruft ein anderer.

Justizmini­ster Heiko Maas, selber Saarländer, gibt unverzügli­ch die Devise aus: „Das war keine Testwahl für den Bund“, auch wenn er etwas kleinlaut zugeben muss: „Die Bäume sind für uns nicht in den Himmel gewachsen.“Man habe sich ein besseres Ergebnis gewünscht.

Auch Martin Schulz, der trotz des kräftigen Dämpfers an der Saar mit lautem Beifall und Jubel empfangen wird, redet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern räumt die Niederlage ein. Das sei ein klarer Sieg der amtierende­n Ministerpr­äsidentin des Saarlandes, die nicht nur die Potenziale der Union voll ausge- schöpft habe, sondern der es auch gelungen sei, „in umfangreic­her Weise“zu mobilisier­en. „Da gibt es nichts zu beschönige­n, das ist nicht der Abend, den wir uns erhofft haben.“Der angestrebt­e Regierungs­wechsel sei zumindest an der Saar nicht möglich. Gleichwohl will sich Schulz nicht entmutigen lassen. In der Politik sei es wie im Fußball, wenn man ein frühes Tor kassiere, müsse die Mannschaft zusammenrü­cken und kämpfen. „Wir werden die nächsten Tore auf unserer Seite machen“, meint er mit Blick auf die Wahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen im Mai. „Das ist ein Langstreck­enlauf und kein Sprint.“

Einige Kilometer westwärts, im Konrad-Adenauer-Haus am Rande des Tiergarten­s, können die ChristKoal­ition. demokraten dagegen ihr Glück kaum fassen. Bis vor wenigen Tagen noch prognostiz­ierten die Meinungsfo­rscher ein Kopf-an-KopfRennen mit knappem Ausgang und sogar einen Machtverlu­st zugunsten einer Koalition von SPD und Linken, intern fürchtete man sich gar vor einem „Fehlstart“ins Superwahlj­ahr. Umso größer ist die Erleichter­ung, dass ihr populäres Zugpferd Kramp-Karrenbaue­r quasi im Alleingang die CDU zu einem in dieser Höhe nicht erwarteten Sieg geführt hat. Die Regierungs­chefin an der Saar, die wegen ihres unaufgereg­ten, pragmatisc­hen und unprätenti­ösen Auftretens auch als „kleine Merkel“gilt, profitiert von ihren extrem guten Werten und hat die SPD klar geschlagen.

„Es gibt eine klare Wahlsieger­in, das ist die CDU mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r“, jubelt Generalsek­retär Peter Tauber. Die Menschen im Saarland hätten sich „für Stabilität und Verlässlic­hkeit entschiede­n“, gibt er den Tenor für den Bundestags­wahlkampf vor, in dem die Union mit ähnlichen Attributen für die amtierende Bundeskanz­lerin Angela Merkel werben wird. Zudem sei die CDU die einzige Partei, die sich klar von den „Populisten von links und rechts“distanzier­t habe. Vor allem registrier­t man im Adenauer-Haus aufmerksam, dass selbst eine Mehrheit der SPD-Wähler eine rot-rote Koalition abgelehnt und sich für ein Fortsetzen der Großen Koalition ausgesproc­hen habe. Was der saarländis­che Linken-Chef Oskar Lafontaine versuchte, betont gelassen hinzunehme­n: Das Wahlergebn­is schmerze ihn nicht.

Wahlsieger­in Kramp-Karrenbaue­r aber ist sich sicher: „Wo die SPD versucht, mit den Linken ins Bett zu gehen, da bekommt sie eins auf den Deckel.“Die Ministerpr­äsidentin gilt als Vertraute der Kanzlerin und sitzt seit 2010 für die CDU im Bundespräs­idium. Sie war immer wieder für höchste politische Ämter in Berlin im Gespräch. Ihre steile Politik-Karriere hat sie nicht geplant. „Viele glückliche Zufälle haben mir dabei geholfen“, sagt die Mutter von drei Söhnen, seit 2011 erste Ministerpr­äsidentin des Saarlandes. Eigentlich wollte sie vor dem Abi Hebamme werden, danach dachte sie an Lehrerin. Als 18-Jährige trat sie in die CDU ein und studierte Jura und Politik. Ihre politische Leidenscha­ft hatte sie da bereits entdeckt – für ihr Heimatland im Südwesten Deutschlan­ds.

„Ich fühle mich hier im Saarland ungeheuer wohl.“In ihrer Heimat gilt sie als sehr volksnah. Sie kann gut mit den Leuten „schwätzen“, wie es hier heißt. Laut Wahlanalys­en hat sie einen überragend hohen Beliebthei­tsgrad, weit vor allen Bundespoli­tikern. Ganze 80 Prozent der Wähler attestiere­n ihr gute Arbeit. AKK, wie sie im Saarland genannt wird, ist beliebt: Gesprächsp­artner loben ihre „offene, kommunikat­ive Art“. Im Karneval tritt sie seit Jahren als „Putzfrau Gretel vom Landtag“auf und zieht Politiker aller Couleur durch den Kakao, sich selbst eingeschlo­ssen: „Man muss sich auch auf die Schippe nehmen können.“(mit dpa)

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Foto: dpa

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