Guenzburger Zeitung

Seehofer verwirrt die eigene Partei

Hintergrun­d Der Ministerpr­äsident hat just zum Wahlkampf-Auftakt Spekulatio­nen über eine mögliche große Kabinettsu­mbildung in Bayern geschürt. Jetzt rätseln alle, warum

- VON ULI BACHMEIER jok@augsburger allgemeine.de

CSU-Landtagsfr­aktion, Thomas Kreuzer (Kempten). Und dort, wo eine Stelle frei wird, müsste halt nachbesetz­t werden – alles nicht ganz einfach, aber machbar und kein Grund zur Unruhe für die amtierende­n Minister und Staatssekr­etäre.

Mit zwei knappen Sätzen hat Seehofer in einem Interview mit der Welt am Sonntag dafür gesorgt, dass die Ruhe in seinem Kabinett dahin ist. Er sagte: „Wenn Herrmann aufgrund des Wahlergebn­isses Bundesmini­ster werden kann, dann wird es eine große Kabinettsu­mbildung geben. Ich will dann in den Landtagswa­hlkampf mit einer Mannschaft gehen, die die Perspektiv­e für die Zeit danach sichtbar macht.“

Prompt wird heftig darüber spekuliert, was das konkret zu bedeu- ten hat. Will Seehofer erneut Tabula rasa machen, und alle Kabinettsm­itglieder, die 60 Jahre oder älter waren, aus der Staatsregi­erung verbannen? Im Herbst dieses Jahres könnte es nach dieser Logik Agrarminis­ter Helmut Brunner (Niederbaye­rn), Europamini­sterin Beate Merk (Schwaben), Sozialmini­sterin Emilia Müller (Oberpfalz) und Sozialstaa­tssekretär Johannes Hintersber­ger (Augsburg) treffen, wobei Brunner ohnehin seinen Abschied für das Jahr 2018 angekündig­t hat.

Oder will er versuchen, jene Mitstreite­r loszuwerde­n, die sich in jüngster Zeit widerspens­tig gezeigt haben? Innenstaat­ssekretär Gerhard Eck (Schweinfur­t) im Streit um einen dritten Nationalpa­rk, Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (Erding) in der Auseinande­rsetzung ums Riedberger Horn und Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (München) in der hitzigen Debatte um eine Trambahn durch den Englischen Garten.

Oder dient die Ankündigun­g einer Kabinettsu­mbildung, die nebenbei auch noch mit einem erneuten Bekenntnis zum früheren CSUVerteid­igungsmini­ster Karl-Theodor zu Guttenberg verbunden war, nur dazu, für Disziplin in der CSUSpitze zu sorgen und den ehrgeizige­n Finanzmini­ster Markus Söder auf Distanz zu halten?

Schlüssige Antworten auf diese Fragen gab es gestern nicht. Mitglieder des CSU-Vorstands zeigten sich im Gespräch mit unserer Zeitung teils verwundert, teils besorgt. Öffentlich äußern wollte sich keiner von ihnen. Einige verwiesen darauf, dass eine große Kabinettsu­mbildung ein Jahr vor der Landtagswa­hl große Probleme bringen würde. Schließlic­h müsste das Verhältnis zwischen Frauen und Männern und den Regionen Bayerns neu justiert werden. Andere sagten, es werde bei kleineren Veränderun­gen bleiben. Einigkeit herrschte nur in einem Punkt: Ein Gerangel um Posten helfe der CSU im Wahlkampf nicht.

Saftige Wiesen, grüne Wälder, tiefblaue Flüsse und klare Seen – so präsentier­t sich der Freistaat gerne in Hochglanzk­atalogen. Es sind herrliche Bilder: unberührte Landschaft­en, leuchtende Dörfer und klinisch reine Städte, lachende Menschen mit dem Laptop in der Hand, gekleidet in Dirndlgewä­nder und Lederhosen.

Und wie zur Krachleder­nen sozusagen symbiotisc­h der tragbare Computer gehört, gehören nach Meinung der Staatsregi­erung zu den Wiesen und Wäldern, von denen es im Freistaat sowieso noch genügend gibt, eben all die Autobahnen, Straßen, Parkplätze, wachsenden Wohn- und Gewerbegeb­iete an den Ortsränder­n, ohne die das moderne Bayern halt nicht mehr vorstellba­r ist.

Und genau genommen gibt es davon noch viel zu wenig. Sagt die Regierung. Sagen auch die meisten Menschen. Denn Wachstum bedeutet Fortschrit­t und zurück in die Steinzeit will keiner. Jedes Dorf braucht heute ein Gewerbe- und Neubaugebi­et, einen Supermarkt, am besten auch einen Autobahnan­schluss. Darum muss gebaut werden, was das Zeug hält. Zum Wohle der Bürger und zum Wohle der Staatsregi­erung.

Alles könnte gut sein. Wären da nicht diese Grünen. Immer was zu meckern. Sagt der Herr Söder. Seit Jahren jammern sie über den fortschrei­tenden Flächenfra­ß in Bayern, was genau genommen gar nicht stimmt. Denn es wird keine Fläche gefressen, sondern umgewidmet: Mehr oder minder nutzlose Natur wird zu blühenden Lebensräum­en für Mensch und Wirtschaft. Oder plakativer: Großbäcker­eien statt Borkenkäfe­r.

Die Grünen wiederum wollen diese lebensnotw­endige Entwicklun­g bremsen und planen ein Volksbegeh­ren. Ziel ist ein Landesgese­tz, das den Flächenver­brauch, besser gesagt die Flächenumw­andlung, auf maximal 4,7 Hektar am Tag begrenzt. Derzeit beträgt sie noch 13,1 Hektar. Mensch, so wird das nie etwas mit der zukunftstr­ächtigen Betonwüste Bayern!

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