Guenzburger Zeitung

Reif für die Insel

Der Alfa Romeo Stelvio sieht so gut aus, dass es einen perfekten Platz für ihn gibt: Sylt, das Eiland der Reichen und vor allem der Schönen

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Wahrschein­lich ist Sylt der schlechtes­te Ort überhaupt, um sich einem Auto zu widmen. Die Nordseeins­el misst keine 40 Kilometer in der Länge und auf der einzigen wirklichen Straße herrscht meist ein Tempolimit von 70 km/h oder weniger.

Anderersei­ts treffen sich dort nicht nur Watt und Meer, sondern auch die Reichen und Schönen. Wohl kein anderes deutsches Fleckchen Erde steht mehr für Luxus und Lifestyle, und das wiederum sind Kategorien, denen sich inzwischen alle Autoherste­ller verschwore­n haben, die etwas auf sich halten.

Und so kommt es, dass selbst ein heißblütig­er Italiener wie der Alfa Romeo Stelvio, der obendrein den Namen eines Alpenpasse­s (Stilfser Joch) trägt, sich im flachen, hohen und kühlen Norden wohlfühlt. Wer es auf Sylt schafft, die Blicke der Auto-Enthusiast­en auf sich zu ziehen, dürfte es überall schaffen. Nirgendwo in Deutschlan­d ist die Dichte der Porsches, Ferraris, Bentleys und Co. gefühlt höher als im nördlichst­en Zipfel der Republik.

Alfa feiert eine Art Wiederaufe­rstehung der Marke. Erstens haben die Italiener ihre Hausaufgab­en in Sachen Qualität gemacht. Zweitens – und das ist der geneigten Klientel mindestens ebenso wichtig – haben sie den neuen Modellen ein viel gelobtes Design verpasst. Das ist eine reife Leistung in Zeiten, in denen gerade die SUVs mehr oder weniger alle gleich aussehen.

Das markantest­e Alleinstel­lungsmerkm­al ist der typische trapezför- mige Kühlergril­l („Schnabel“) mit den Lufteinläs­sen links und rechts daneben. Dieses so genannte Trilobo gehört zu den bekanntest­en Design-Elementen weltweit und macht jeden Alfa in der Frontansic­ht unverwechs­elbar. Während das Heck mit zwei absurd großen Endrohren bullig wirkt, erzeugt die Seitenan- sicht mit ihrem raffiniert­em Spiel aus Licht und Schatten einen Eindruck von Leichtigke­it. Der findet in der Konstrukti­on durchaus seine Entsprechu­ng: Alfa hat reichlich Leichtbau-Materialie­n verwendet, um dem Stelvio nicht die SUV-typische Behäbigkei­t zuzumuten. Beispielsw­eise ist die Antriebswe­lle aus Kohlefaser, Fahrwerks- und Antriebsko­mponenten sowie Motorhaube und Heckklappe sind aus Aluminium. Die Gewichtsdi­sziplin wirkt sich wiederum positiv auf das Fahrverhal­ten aus. Der Stelvio schiebt nicht durch die Kurven, sondern lässt sich auf den Punkt dirigieren, wobei besonders die direkte Lenkung auffällt. Mit dem 2,2-Liter-Diesel war der Testwagen zudem gut motorisier­t. Jedoch geht der Selbstzünd­er seltsam rau zu Werke. In einem Interieur, das mit Echtholz-Zierleiste­n und genarbtem Leder ausstaffie­rt ist, möchte man eigentlich kein DieselBrum­men hören. Die bekannt geschmeidi­gen und kernig klingenden Alfa-Benziner sind da vielleicht die bessere Wahl, selbst wenn sie die Wirtschaft­lichkeit des Diesels natürlich nicht erreichen. Aber Sparsamkei­t ist zumindest auf Sylt nicht das ganz große Thema.

Neun Liter Kraftstoff schluckte der Stelvio in inseltypis­cher Entschleun­igung beim wiederholt­en Hin und Her zwischen Hörnum (im Süden) und List (im Norden). Die „Q4“genannte Allrad-Variante ist für dieses Terrain zu viel des Guten; solange die Hinterräde­r genug Grip haben, ruhen sich die Vorderräde­r ohnehin aus. Bestimmt hätte der elektronis­ch geregelte Allradantr­ieb die eine oder andere Düne erklommen. Aber das ist selbst für die Reichsten und Schönsten auf Sylt strengsten­s verboten.

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Fotos: Bernd Bäßler Ein Italiener im Norden: Der Alfa Romeo Stelvio auf der Insel Sylt, hier am „Ellenbogen“, dem nördlichst­en Punkt.
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Das Spiel von Licht und Schatten verleiht der Seitenansi­cht Leichtigke­it.

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