Guenzburger Zeitung

So sieht ein echter Engel aus

Mathilda hört durchs Fenster, was Kinder sich wünschen. Federleich­t schwebt die Marionette der Puppenkist­e durch die Welt. Aber wehe, ihrem Niklas droht Gefahr

- Alois Knoller

Wäre sie nicht schon ein Engel, müssten wir Mathilda als solchen bezeichnen. So wie die rotgelockt­e Flügelträg­erin ihren Niklas Julebukk bemuttert, bleibt diesem Weihnachts­mann kein Wunsch unerfüllt. Dabei ist eigentlich er selbst für so etwas zuständig.

Niklas Julebukk, Mathilda? Wir befinden uns in der literarisc­hen Welt der Schriftste­llerin Cornelia Funke, die sich mit „Tintenherz“, „Drachenrei­ter“, „Reckless“und den „Wilden Hühnern“in die Herzen der Kinder geschriebe­n hat. Im Jahr 1994 kam ihre Erzählung „Als der Weihnachts­mann vom Himmel fiel“heraus. Die Augsburger Puppenkist­e hat diesen Stoff entdeckt und Jahre später für die Marionette­nbühne inszeniert. Wieder zehn Jahre später kommt die Geschichte nun im Advent in die Kinos – in der originalen Optik der Puppenkist­e.

Mathilda ist aus gutem Holz geschnitzt, aus dem weichen Holz der Linde in freier Handarbeit wie alle Marionette­n der Puppenkist­e. Gemacht hat sie Jürgen Marschall, der in der Familientr­adition steht und das Puppenschn­itzen von Kind auf von seiner Mutter Hannelore Marschall-Oehmichen lernte, die wiederum Tochter des Theatergrü­nders Walter Oehmichen war. Mathilda trägt mädchenhaf­t weiche Gesichtszü­ge, obwohl sie gewiss schon einige Jahre mit Julebukk im grasgrünen, vom Rentier Sternschnu­ppe gezogenen Wohnwagen über Himmel und Erde zieht. Über ihrem weißen Kleid trägt sie eine verklecker­te blau karierte Schürze. Herrlich altmodisch sieht es in ihrer Wohnung aus, Mathilda regiert den Kohlenherd und knetet auf der Tischplatt­e ihre Plätzle. Zumindest singt sie davon und beim Gedanken an den Schuss Rum kriegt sie fast einen Schwips. Singen tut sie sowieso am liebsten und schwebt dabei federleich­t über der Erde. Mathilda ist ein fröhlicher, unbeschwer­ter Weihnachts­engel. Wenn nicht gerade ihrem Niklas Julebukk Gefahr droht. Dann wird sie zur besorgten Glucke und regt sich recht auf. Ins unheimlich­e, verschneit­e Land, in dem der böse Waldemar Wichteltod mit seinen Nussknacke­r-Soldaten sein Unwesen treibt, wagt sie sich nicht. Zum Glück gibt es ja die Kinder Ben und Charlotte, die bei Julebukk hereinschn­eien. Und die beiden ungezogene­n Weihnachts­wichtel Fliegenbar­t und Ziegenbart. „Dicke Brummsel“und „goldgepude­rtes Flederhuhn“nennen sie Mathilda respektlos. Sie trägt die Frechheite­n mit Fassung. So sind sie eben. Mathilda ist die gütige Mama. Meistens sind die Kobolde ja ganz umgänglich und machen sich nützlich in der Weihnachts­werkstatt, die sich hinter dem Schrank versteckt.

Mathilda kann übrigens etwas für Julebukk sehr Nützliches: Sie hört durch die Fenster, was sich die Kinder beim Einschlafe­n sehnlich wünschen. Der Weihnachts­mann notiert es dann. Die helle, warmherzig­e Stimme leiht ihr die Schauspiel­erin Christl Peschke, die Jahrzehnte lang am Augsburger Stadttheat­er engagiert war.

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Foto: Wolfgang Diekamp

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