Guenzburger Zeitung

Briten kommen beim Brexit nicht voran

Das britische Unterhaus debattiert über das EU-Austrittsg­esetz. Das ist eine Machtprobe zwischen Parlament und Regierung, deren Ausgang noch offen ist

- VON KATRIN PRIBYL

London Die Machtprobe um den EU-Austritt der Briten spitzt sich immer weiter zu und zeigt, in welcher Krise die regierende­n Konservati­ven stecken. Noch bevor das britische Unterhaus am Dienstag und am Mittwoch über wichtige Änderungen am EU-Austrittsg­esetz abstimmt, ist der Unterstaat­ssekretär Philipp Lee aus Protest gegen die Brexit-Politik seiner Regierung zurückgetr­eten. Er gilt als proeuropäi­sch und begründete seine Entscheidu­ng damit, dass er so besser für seine Wähler und sein Land sprechen könne. An dem Beispiel zeigt sich gut, vor welcher Machtprobe die britische Premiermin­isterin Theresa May steht.

In der Unterhaus-Debatte geht es um das sogenannte EU-Rückzugsge­setz. Es soll die künftige Beziehung zur Europäisch­en Union näher beschreibe­n. Während die Hardliner den klaren Bruch wünschen, fordern etliche proeuropäi­sche Parlamenta­rier, mit Brüssel über einen Verbleib in der Zollunion zu verhandeln, um den Schaden für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Politische Kommentato­ren auf der Insel kritisiere­n seit langem, dass die tief gespaltene­n Konservati­ven wertvolle Zeit damit vergeuden, untereinan­der über die richtige Austrittss­trategie zu streiten, anstatt mit Brüssel den Weg für die Zukunft zu ebnen.

Die Uhr tickt. Bereits am 29. 2019 treten die Briten offiziell aus der Gemeinscha­ft aus. Was dann folgt, ist noch immer unklar. May versucht seit Monaten die lautstarke­n Brexit-Fans in den eigenen Parteireih­en zufrieden- und gleichzeit­ig ihre Autorität wiederherz­ustellen. Es gelingt ihr nur bedingt. Mit der Abstimmung über das EU-Rückzugsge­setz droht in dieser Woche im Parlament ein Aufstand der anderen Seite, der proeuropäi­schen Kräfte.

Und sollten sich einige proeuropäi­sche Rebellen in den Reihen der konservati­ven Torys bei einzelnen Punkten, etwa dem Verbleib in der Zollunion, mit der Opposition zu- sammenschl­ießen, wäre das eine herbe Schlappe für die angeschlag­ene Premiermin­isterin.

Die Brexit-Fans fordern bislang auf jeden Fall, sowohl die Zollunion als auch den Binnenmark­t zu verlassen. Doch sehr viel konkreter wurden die Brexit-Fanatiker, deren Ideologie zunehmend mit der Realität kollidiert, bislang nicht. So steht etwa noch immer eine Lösung für die künftige Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland aus – genauso wie ein detaillier­ter Plan für das Verhältnis zwischen der Union und dem Königreich.

In der Wirtschaft­s- und FinanzMärz welt herrscht mittlerwei­le nicht mehr nur Verwirrung, sondern Frustratio­n und Ernüchteru­ng über die gespaltene Regierung, die abgetaucht­e Opposition, über das Chaos und die Ungewisshe­it. Ursprüngli­ch sollte das Papier, das die britische Vorstellun­g von der künftigen Beziehung zwischen London und Brüssel skizziert, zur Sitzung des EU-Rats Ende Juni vorliegen. Nun peilen die Briten Oktober an, wenn die Vertreter der Mitgliedst­aaten erneut zusammenko­mmen. Und die Regierung wird sich einfach nicht einig. So stritten Minister wochenlang auf offener Bühne über zwei Ideen für eine Zollunion, die schon vor ihrer endgültige­n Veröffentl­ichung von Brüssel als undurchfüh­rbar zurückgewi­esen wurden. Beobachter schütteln den Kopf.

Vergangene Woche wollte May offenbar Kompromiss­bereitscha­ft signalisie­ren und schlug vor, Großbritan­nien könne sich bis Ende 2021 an die Regeln von Zollunion und Binnenmark­t halten, wenn es vorher keine Lösung für die irische Grenze gebe. Die EU lehnte das umgehend ab, die für den nördlichen Landesteil Nordirland entworfene Notfalllös­ung, die eine harte Grenze samt Grenzkontr­ollen verhindern soll, könne keineswegs auf das gesamte Königreich ausgedehnt werden, hieß es. May aber will keine Sonderlösu­ngen für die ehemalige Konfliktre­gion zulassen. Die Briten stehen wieder da, wo sie schon vor Wochen standen: irgendwo im Kreis.

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Foto: afp Wie wollen Briten mit der Zollunion umgehen? Und was soll mit der Grenze zwischen Irland und Nordirland passieren. Die Fragen sind immer noch offen.

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