Für viele liegt der Anpfiff vor dem Feierabend
Bei der Weltmeisterschaft beginnen manche Spiele schon um 14 Uhr. Das bereitet fußballbegeisterten Berufstätigen Probleme. Wir haben Unternehmen im Landkreis Günzburg gefragt, wie sie damit umgehen
Landkreis Noch vor vier Jahren, bei der WM in Brasilien, sind manchem Fan beim Fußballschauen die Augen zugefallen. Die Übertragungen liefen hierzulande bis in die frühen Morgenstunden, einige Spiele begannen erst um Mitternacht. Dieses Mal ist das anders. Wegen der Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Russland ist zu wesentlich früheren Zeiten Anstoß. Doch auch das stellt Arbeitnehmer vor Probleme.
Wenn heuer der Anpfiff bei manchen Spielen um 14 Uhr ertönt, haben viele erst die Mittagspause hinter sich. Die Spiele der deutschen Mannschaft sind nicht davon betroffen. Das erste Gruppenspiel mit deutscher Beteiligung gegen Mexiko beginnt um 17, die Partie gegen Schweden um 20 Uhr (beide am Wochenende). Nur die letzte Vorrundenbegegnung gegen Südkorea geht schon um 16 Uhr los – und das an einem Mittwoch. Nach der Gruppenphase ist ohnehin Schluss mit den 14-Uhr-Spielen. Dennoch schaffen es einige auch bis 16 oder 17 Uhr nicht auf die heimische Couch, um die erste Halbzeit mitzubekommen. Hiesige Unternehmen stellt das vor die Frage, wie sie Arbeitnehmer möglichst wenig einschränken können.
Im Kernkraftwerk Gundremmingen gibt es wegen der Fußballweltmeisterschaft keine Sonderregelungen, sagt Jan-Peter Zirkel, Sprecher des Betreibers RWE. Mitarbeiter könnten, sofern möglich, Gebrauch von flexiblen Arbeitszeiten machen. Doch dass die ganze Belegschaft früher Feierabend macht, das gehe in einem Kernkraftwerk freilich nicht. Das Spiel bei der Arbeit zu verfolgen, ist dort ebenfalls nicht möglich. Fernsehgeräte dürfe man nicht einfach in eine solche Anlage stellen.
In den Sparkassen im Landkreis wird zwar nicht Fußball geschaut, rechtzeitig zum Fernseher können es die Mitarbeiter in der Regel dennoch schaffen, sagt Heidemarie Weng, Sprecherin der Sparkasse Günzburg-Krumbach. Es gebe eine variable Arbeitszeitregelung, unabhängig von der Fußballweltermeisterschaft.
Bei der Firma Wanzl fallen die Spiele der WM ohnehin nicht in die Kernarbeitszeit des Unternehmens, sagt Jürgen Frank, Leiter der Abtei- lung Marketing. Ein „allgemeines Vorgehen“, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter die WM verfolgen können, gebe es nicht. In der Fertigung müssten die Mitarbeiter individuelle Lösungen suchen, zum Beispiel miteinander Schichten tauschen. In dem Unternehmen arbeiteten Menschen vieler verschiedener Nationalitäten, was das Problem etwas entzerre. Deshalb habe es auch bei vergangenen Sportereignissen gut funktioniert. Im Unternehmen Fußball zu schauen, wird nicht möglich sein, sagt Frank. „Wir können die Fertigung nicht einfach eine Stunde unterbrechen.“
Im Bezirkskrankenhaus Günzburg ist der Umgang mit der Fußballweltmeisterschaft je nach Bereich unterschiedlich, sagt Pflegedirektor Georg Baur. „Grundsätzlich sind wir dadurch, dass unsere Patienten 24 Stunden am Tag betreut werden müssen, etwas eingeschränkt.“Mitarbeiter, die etwa in der Verwaltung oder in bestimmten Therapieberufen arbeiteten, könnten nach Möglichkeit aber ohnehin ihre Arbeitszeit etwas freier bestimmen.
Anders sei das bei den Pflegeberufen und den Ärzten. In der Psychiatrie und der forensischen Klinik gebe es Fernseher in den Aufenthaltsräumen. Dort könnten Patienten und Mitarbeiter die Spiele verfolgen. „Natürlich kann es in der gelebten Praxis sein, dass ein Patient in seinem Zimmer Hilfe benötigt und klingelt, dann muss der Mitarbeiter springen“, sagt Baur. Kürzlich habe eine Privatperson Geld gespendet, um die neurochirurgische Intensivstation mit Fernsehern auszustatten. Nun können die Patienten auch dort die Partien ihrer Lieblingsmannschaft verfolgen.
Das Unternehmen Borgers Süd, mit Standorten in Krumbach und Ellzee, plant zunächst keine Ausnahmeregelung für die Weltmeisterschaft, zumindest in der Gruppenphase, sagt Personalchefin Sieglinde Morgenroth. Die Firma gehört zur Borgers Group und stellt Akustikteile für die Automobilindustrie her. Derzeit müsse die Produktion ohnehin auf Samstag und Sonntag ausgeweitet werden, um der starken Auftragslage gerecht zu werden. Das treffe auf beide Standorte zu, weil in Ellzee zum Teil Produkte aus Krumbach weiterverarbeitet würden. Je nach Verlauf des Turniers werde man in der Endphase möglicherweise erwägen, die Spiele in den Räumen des Unternehmens auf einer Leinwand auszustrahlen. Damit ermögliche man den arbeitenden Kollegen, die Spiele zu verfolgen. Bereits bei der vergangenen WM habe man ähnliche Lösungen gesucht. In jedem Fall würden beide Standorte gleichbehandelt, sagt Morgenroth.
Flexible Arbeitszeiten machen es möglich
Gespendete Fernseher auf der Intensivstation