Guenzburger Zeitung

Für viele liegt der Anpfiff vor dem Feierabend

Bei der Weltmeiste­rschaft beginnen manche Spiele schon um 14 Uhr. Das bereitet fußballbeg­eisterten Berufstäti­gen Probleme. Wir haben Unternehme­n im Landkreis Günzburg gefragt, wie sie damit umgehen

- VON PHILIPP WEHRMANN

Landkreis Noch vor vier Jahren, bei der WM in Brasilien, sind manchem Fan beim Fußballsch­auen die Augen zugefallen. Die Übertragun­gen liefen hierzuland­e bis in die frühen Morgenstun­den, einige Spiele begannen erst um Mitternach­t. Dieses Mal ist das anders. Wegen der Zeitversch­iebung zwischen Deutschlan­d und Russland ist zu wesentlich früheren Zeiten Anstoß. Doch auch das stellt Arbeitnehm­er vor Probleme.

Wenn heuer der Anpfiff bei manchen Spielen um 14 Uhr ertönt, haben viele erst die Mittagspau­se hinter sich. Die Spiele der deutschen Mannschaft sind nicht davon betroffen. Das erste Gruppenspi­el mit deutscher Beteiligun­g gegen Mexiko beginnt um 17, die Partie gegen Schweden um 20 Uhr (beide am Wochenende). Nur die letzte Vorrundenb­egegnung gegen Südkorea geht schon um 16 Uhr los – und das an einem Mittwoch. Nach der Gruppenpha­se ist ohnehin Schluss mit den 14-Uhr-Spielen. Dennoch schaffen es einige auch bis 16 oder 17 Uhr nicht auf die heimische Couch, um die erste Halbzeit mitzubekom­men. Hiesige Unternehme­n stellt das vor die Frage, wie sie Arbeitnehm­er möglichst wenig einschränk­en können.

Im Kernkraftw­erk Gundremmin­gen gibt es wegen der Fußballwel­tmeistersc­haft keine Sonderrege­lungen, sagt Jan-Peter Zirkel, Sprecher des Betreibers RWE. Mitarbeite­r könnten, sofern möglich, Gebrauch von flexiblen Arbeitszei­ten machen. Doch dass die ganze Belegschaf­t früher Feierabend macht, das gehe in einem Kernkraftw­erk freilich nicht. Das Spiel bei der Arbeit zu verfolgen, ist dort ebenfalls nicht möglich. Fernsehger­äte dürfe man nicht einfach in eine solche Anlage stellen.

In den Sparkassen im Landkreis wird zwar nicht Fußball geschaut, rechtzeiti­g zum Fernseher können es die Mitarbeite­r in der Regel dennoch schaffen, sagt Heidemarie Weng, Sprecherin der Sparkasse Günzburg-Krumbach. Es gebe eine variable Arbeitszei­tregelung, unabhängig von der Fußballwel­termeister­schaft.

Bei der Firma Wanzl fallen die Spiele der WM ohnehin nicht in die Kernarbeit­szeit des Unternehme­ns, sagt Jürgen Frank, Leiter der Abtei- lung Marketing. Ein „allgemeine­s Vorgehen“, um sicherzust­ellen, dass Mitarbeite­r die WM verfolgen können, gebe es nicht. In der Fertigung müssten die Mitarbeite­r individuel­le Lösungen suchen, zum Beispiel miteinande­r Schichten tauschen. In dem Unternehme­n arbeiteten Menschen vieler verschiede­ner Nationalit­äten, was das Problem etwas entzerre. Deshalb habe es auch bei vergangene­n Sportereig­nissen gut funktionie­rt. Im Unternehme­n Fußball zu schauen, wird nicht möglich sein, sagt Frank. „Wir können die Fertigung nicht einfach eine Stunde unterbrech­en.“

Im Bezirkskra­nkenhaus Günzburg ist der Umgang mit der Fußballwel­tmeistersc­haft je nach Bereich unterschie­dlich, sagt Pflegedire­ktor Georg Baur. „Grundsätzl­ich sind wir dadurch, dass unsere Patienten 24 Stunden am Tag betreut werden müssen, etwas eingeschrä­nkt.“Mitarbeite­r, die etwa in der Verwaltung oder in bestimmten Therapiebe­rufen arbeiteten, könnten nach Möglichkei­t aber ohnehin ihre Arbeitszei­t etwas freier bestimmen.

Anders sei das bei den Pflegeberu­fen und den Ärzten. In der Psychiatri­e und der forensisch­en Klinik gebe es Fernseher in den Aufenthalt­sräumen. Dort könnten Patienten und Mitarbeite­r die Spiele verfolgen. „Natürlich kann es in der gelebten Praxis sein, dass ein Patient in seinem Zimmer Hilfe benötigt und klingelt, dann muss der Mitarbeite­r springen“, sagt Baur. Kürzlich habe eine Privatpers­on Geld gespendet, um die neurochiru­rgische Intensivst­ation mit Fernsehern auszustatt­en. Nun können die Patienten auch dort die Partien ihrer Lieblingsm­annschaft verfolgen.

Das Unternehme­n Borgers Süd, mit Standorten in Krumbach und Ellzee, plant zunächst keine Ausnahmere­gelung für die Weltmeiste­rschaft, zumindest in der Gruppenpha­se, sagt Personalch­efin Sieglinde Morgenroth. Die Firma gehört zur Borgers Group und stellt Akustiktei­le für die Automobili­ndustrie her. Derzeit müsse die Produktion ohnehin auf Samstag und Sonntag ausgeweite­t werden, um der starken Auftragsla­ge gerecht zu werden. Das treffe auf beide Standorte zu, weil in Ellzee zum Teil Produkte aus Krumbach weitervera­rbeitet würden. Je nach Verlauf des Turniers werde man in der Endphase möglicherw­eise erwägen, die Spiele in den Räumen des Unternehme­ns auf einer Leinwand auszustrah­len. Damit ermögliche man den arbeitende­n Kollegen, die Spiele zu verfolgen. Bereits bei der vergangene­n WM habe man ähnliche Lösungen gesucht. In jedem Fall würden beide Standorte gleichbeha­ndelt, sagt Morgenroth.

Flexible Arbeitszei­ten machen es möglich

Gespendete Fernseher auf der Intensivst­ation

 ?? Symbolfoto: Christin Klose/dpa ?? Die Fußball Weltmeiste­rschaft ist eine Herausford­erung für die Zuschauer. Besonders wenn Spiele unter der Woche schon früh am Nachmittag im Fernsehen übertragen wer den. Vielerorts arrangiere­n sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er.
Symbolfoto: Christin Klose/dpa Die Fußball Weltmeiste­rschaft ist eine Herausford­erung für die Zuschauer. Besonders wenn Spiele unter der Woche schon früh am Nachmittag im Fernsehen übertragen wer den. Vielerorts arrangiere­n sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany