Guenzburger Zeitung

Immer mehr Kindergeld Empfänger im Ausland

Fast 270000 Bezieher registrier­t. Sinti-Sprecher Romani Rose kritisiert „rassistisc­he Stereotype­n“

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Berlin Die Zahl ausländisc­her Kindergeld­empfänger hat deutlich zugenommen und wegen der hohen Kosten Forderunge­n nach einer raschen Reform verstärkt. „Im Juni 2018 wurde für 268 336 Kinder, die außerhalb von Deutschlan­d in der EU oder im Europäisch­en Wirtschaft­sraum leben, Kindergeld gezahlt“, sagte ein Sprecher des Finanzmini­steriums. Das ist eine Zunahme um 10,4 Prozent. Ende 2017 lag die Zahl bei 243 234 Kindergeld­empfängern im EU-Ausland.

Das Thema bewegt seit langem die Gemüter, gewinnt nun aber an Dynamik, da es um mehrere hundert Millionen Euro im Jahr geht. Mehrere Oberbürger­meister sprechen von einer alarmieren­den Zunahme einer Migration in das deutsche Sozialsyst­em. „Die Bundesregi­erung verschläft dieses Problem, sie muss endlich was dagegen tun, dass es Armutsflüc­htlinge in Europa gibt“, sagte Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD). „Wir haben derzeit rund 19000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in Duisburg, Sinti und Roma. Vor knapp sechs Jahren, 2012, hatten wir erst 6000 in Duisburg.“Er verwies darauf, dass dies Gefahren für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt berge. Im Zuge der Ausweitung der europäisch­en Freizügigk­eit auf Osteuropa sind auch die Kindergeld­zahlungen stark angewachse­n. Fürths OB Thomas Jung (SPD) berichtete ebenfalls von großen Problemen, als ihn jüngst SPD-Chefin Andrea Nahles besuchte. Städte mit niedrigen Mieten lockten gerade Menschen aus Osteuropa an. Zum einen gibt es Zuzügler, die mit ihren Familien in Deutschlan­d komplett leben und arbeiten, zum anderen EU-Bürger, die hier arbeiten und sozialvers­ichert sind und damit berechtigt sind, Kindergeld für ihre in der Heimat lebenden Kinder zu beziehen. Das entspricht den gültigen EU-weiten Regelungen.

Ein Beispiel: Im Juni bezogen rund 119 362 rumänische Kinder in Deutschlan­d Kindergeld und 18 855 in Rumänien. Insgesamt erhalten derzeit rund drei Millionen Kinder aus anderen EU-Staaten Kindergeld, besonders umstritten sind dabei die Überweisun­gen in das Ausland, da dort die Lebenshalt­ungskosten in der Regel geringer sind. In Rumänien beträgt das Kindergeld zwischen 18 und 43 Euro (bis zwei Jahre). Auf der Basis vom deutschen Kindergeld­satz von 194 Euro für das erste Kind fallen für die Kinder von ausländisc­hen EU-Bürgern, die sich in Deutschlan­d anmelden, aber deren Nachwuchs oft gar nicht hier lebt, jeden Monat rund 50 Millionen Euro an. Pro Jahr liegen die Kosten dann bei weit über 600 Millionen Euro für Zahlungen ins EU-Ausland.

Link sprach von kriminelle­n Schleppern, die gezielt Sinti und Roma nach Duisburg bringen würden und ihnen eine häufig herunterge­kommene Wohnung verschafft­en, damit sie einen Wohnsitz zum Bezug des Kindergeld­es hätten. „Ich muss mich hier mit Menschen beschäftig­en, die ganze Straßenzüg­e vermüllen und das Rattenprob­lem verschärfe­n. Das regt die Bürger auf“, kritisiert­e der SPD-Politiker. Der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Sinti und Roma, Romani Rose, kritisiert­e Links Aussagen. „Hier werden rassistisc­he Stereotype gezielt benutzt, um Sündenböck­e zu produziere­n – selbst auf die Gefahr von Gewaltansc­hlägen hin“, sagte Rose.

Die für die Auszahlung des Kindergeld­s zuständige Familienka­sse der Bundesanst­alt für Arbeit (BA) bestätigte, dass Betrugsfäl­le zuletzt vor allem in Nordrhein-Westfalen festgestel­lt worden seien, dies sei aber kein Massenphän­omen. Man habe kürzlich mit den Behörden in Wuppertal und Düsseldorf 100 Verdachtsp­rüfungen durchgefüh­rt und in 40 Fällen fehlerhaft­e Angaben festgestel­lt. „Die Summe des in diesen 40 Fällen unberechti­gt bezogenen Kindergeld­s lag bei 400 000 Euro.“2017 wurden bereits 343 Millionen Euro an Kindergeld auf Konten im Ausland überwiesen. Wobei auch deutsche Empfänger Konten im Ausland haben können. Denn in der Statistik der Empfänger im Ausland werden auch rund 31000 deutsche Staatsbürg­er aufgeführt. Während deren Zahl jedoch seit Jahren konstant bleibt, ist die Zahl polnischer Empfänger seit 2017 um fast 15000 gestiegen, aus Tschechien sind es etwa 5000 mehr und aus Rumänien knapp 2000.

Der Vorsitzend­e der CSU-Fraktion im Bayerische­n Landtag, Thomas Kreuzer, forderte die SPD auf, sich einer Bundesrats­initiative Bayerns anzuschlie­ßen, die auf eine Eindämmung der Zahlungen im EUAusland abzielt. Ein Sprecher von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) betonte, die Regierung setze sich für eine europäisch­e Lösung ein, die die unterschie­dlichen Lebenshalt­ungskosten in den EU-Staaten bei der Zahlung von Familienle­istungen berücksich­tige.

Einträglic­hes Geschäft für kriminelle Schlepper

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Foto: Kästle, dpa Kindergeld: Kritiker warnen vor einer Ausnutzung des Systems.

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