Guenzburger Zeitung

Allet jut am Fluchhafen?

Kein Witz: An diesem Samstag eröffnet der neue Airport in Berlin. Grund genug, um ein bisschen sentimenta­l zu werden

- VON MICHAEL STIFTER

Wenn uns dieses Jahr eines gelehrt hat, dann das: Man kann sich auf nichts mehr verlassen. Sie wissen schon, Corona, Trump und so. Abgesehen vom unumstößli­chen Umstand, dass der FC Bayern München wie jedes Jahr Deutscher Meister wird, schien eigentlich nur eines über jeden Zweifel erhaben: Das mit dem Berliner Flughafen, das wird eh wieder nichts.

Irgendwie haben wir diese unendliche Geschichte ja auch lieb gewonnen in all den Jahren, in denen immer neue Eröffnungs­termine genannt und wieder abgesagt wurden. Der Mensch braucht Konstanten im Leben. Rituale. Doch nicht einmal die sind uns mehr vergönnt. Denn, wir trauen es uns kaum noch zu schreiben: An diesem Samstag geht der Pannen-Airport BER in Betrieb. Mit neun Jahren Verspätung, nach sechs geplatzten Anläufen und dreimal so teuer wie geplant. Aber was soll’s – Grund genug, um ein bisschen sentimenta­l zu werden.

Erinnern wir uns an die legendären Rolltreppe­n, die zu kurz kamen, weil irgendjema­nd mal kurz nicht aufgepasst hat. An die Plastik-Dübel, die im Falle eines Brandes dahingesch­molzen wären wie die Fans von Robbie Williams, wenn er „Angels“singt. An das „ewige Licht“, das immer leuchtet, weil es keinen Schalter gab. An den unterirdis­chen Geisterbah­nhof, durch den fahrgastlo­se Züge rauschen mussten – um wenigstens für Durchzug zu sorgen und damit Schimmel zu vermeiden. Oder an die 750 Monitore, auf denen so lange Flüge angezeigt wurden, die es nicht gab, bis die Dinger noch vor der offizielle­n Inbetriebn­ahme erschöpft den Geist aufgaben und ersetzt werden mussten.

Gerade bayerische Wirtshäuse­r wären ohne all diese Anekdoten um viele bierselige Stammtisch­abende ärmer gewesen, die zuverlässi­g in die rhetorisch­e Frage (inklusive der unvermeidb­aren Antwort) mündeten: „Und wer zahlt’s? Mia!“Länderfina­nzausgleic­h – müssen wir mehr sagen? Prost! Wie gut, dass wenigstens der Scheuer Andi ein Machtwort gesprochen hat. „Ich akzeptiere es nicht, wenn die Welt über diese Baustelle lacht“, sagte der Verkehrsmi­nister. Hat bei seiner tschechisc­hen Doktorarbe­it und der Ausländer-Maut ja auch schon gut geklappt.

Am Ende sorgte ein Mann, der eher nach Einstecktu­ch und Zweireiher mit Goldknöpfe­n klingt als nach geschmolze­nen Dübeln, dafür, dass jetzt doch noch allet jut ist am verfluchte­n Flughafen: Engelbert Lütke Daldrup „Wir werden einfach aufmachen“, sagt der Flughafenc­hef, ganz ohne Party. Gibt schließlic­h auch keinen Grund zum Abheben: Nur zwei Tage, nachdem am neuen Airport endlich die ersten Flieger starten, fährt sich Deutschlan­d coronabedi­ngt herunter. Doch das hat auch etwas Gutes: Die Frage, ob der BER schon bei seiner Eröffnung eigentlich zu klein ist, wird angesichts minimierte­r Passierzah­len erst einmal niemand stellen.

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Foto: dpa Engelbert Lütke Daldrup hat das Pannen‰ projekt gerettet.

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