Guenzburger Zeitung

„Vergesst die Hubschraub­er nicht!“

Der Appell des Deutschlan­d-Chefs von Airbus Helicopter­s an die Politik, Aufträge vorzuziehe­n, war zwar erfolgreic­h. Wolfgang Schoder geht es aber nicht schnell genug. Es stehen Jobs in Donauwörth auf dem Spiel

- VON STEFAN STAHL

Donauwörth/Berlin Das war ein dramatisch­er Appell Mitte Mai dieses Jahres. Wolfgang Schoder, Deutschlan­d-Chef von Airbus Helicopter­s, forderte die politisch Verantwort­lichen in München und Berlin über unsere Redaktion auf: „Vergesst die Hubschraub­er nicht!“Er sprach so den dringenden Wunsch aus, geplante staatliche Aufträge etwa für Polizei- oder militärisc­he Hubschraub­er zur Sicherung von Jobs früher als geplant zu vergeben. Dabei steht gerade am größten deutschen Standort des Helikopter-Unternehme­ns im nordschwäb­ischen Donauwörth viel auf dem Spiel. In dem Werk der AirbusFirm­a sind rund 6500 Frauen und Männer beschäftig­t, darunter etwa 600 Leiharbeit­er. Dort werden zivile (H135, H145) wie militärisc­he Hubschraub­er (Tiger, NH90) gefertigt. Der Betrieb hat in den vergangene­n zehn Jahren einen enormen Zuwachs an Mitarbeite­rn verzeichne­t, schließlic­h waren 2010 erst gut 4100 Menschen für den damals noch Eurocopter heißenden AirbusStüt­zpunkt tätig.

Im Vergleich zu anderen Luftfahrt-Standorten behauptet sich Donauwörth noch gut, auch wenn dort zuletzt gut 90 Stellen für Leiharbeit­er weggefalle­n sind. Doch in Augsburg stehen beim Airbus-Zulieferer Premium Aerotec bis zu 1007 von rund 3500 Jobs auf dem Spiel. Die gute Substanz von Airbus Helicopter­s spiegelt sich in den Geschäftsz­ahlen für die ersten neun Monate 2020 wider: Im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum stieg bei leichten Umsatzeinb­ußen auf 3,6 Milliarden Euro der Gewinn vor und Zinsen (Ebit) sogar um 16 Prozent auf 238 Millionen Euro. Dennoch sieht Schoder keinen Anlass, seinen Hilfsappel­l an die Politik abzumilder­n: „Wir profitiere­n jetzt noch von Aufträgen aus der VorCorona-Zeit. Nun brauchen wir aber rasch Signale für neue Bestellung­en, um auch in den kommenden beiden Jahren Standorte wie Donauwörth auszulaste­n und die Zahl der Beschäftig­ten halten zu können.“

Dabei hat sein Appell „Vergesst mir die Hubschraub­er nicht“zumindest teilweise gefruchtet: „Die politisch Verantwort­lichen in München und Berlin sind bereit, Aufträge an uns vorzuziehe­n.“Hier zeige das Engagement regionaler Bundestags­abgeordnet­er wie Ulrich Lange und Reinhard Brandl (beide CSU) sowie des Landtagsab­geordneten Wolfgang Fackler (CSU) Wirkung. Doch Schoder sagt auch: „Zählbares

für uns dabei noch nicht herausgeko­mmen. Ich mache mir deshalb Sorgen.“

Dass Politiker auf Landes- wie Bundeseben­e bereit sind, zum Beispiel Airbus Helicopter­s früher als geplant Aufträge für Polizeihub­schrauber zu erteilen, ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere besteht in der Umsetzung solcher Beschlüsse. Und die zieht sich nicht nur aus Sicht von Schoder oft quälend lange hin, während Politiker in den beiden anderen Airbus-Ländern Spanien und Frankreich der Luftfahrti­ndustrie schneller in Form zählbarere­r Aufträge zur Seite springen. Branchenke­nner wissen: In Deutschlan­d halten sich die Verantwort­lichen strikter als in anderen Ländern an europäisch­e Vergabe-Richtlinie­n. Es müssen also, wie das rechtlich vorgesehen ist, auch Airbus-Konkurrent­en ausreiSteu­ern chend Zeit haben, Angebote zum Beispiel für Polizeihub­schrauber vorlegen zu können. Dem Handelsbla­tt liegen Informatio­nen vor, nachdem es in Deutschlan­d auch in Corona-Zeiten eine eklatante Diskrepanz zwischen vorgezogen­en staatliche­n Investitio­nen und dem Abruf der Gelder durch Bundesmini­sterien gibt.

So seien von den drei Milliarden Euro, die Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) allein für 2020 bereitgest­ellt hat, bis Ende September lediglich 28 Millionen Euro abgeflosse­n, vor allem an die Bundeswehr für neue Pistolenmu­nition. Die FDP kritisiert­e bereits, das Konjunktur­programm sei keine Inist vestitions­bazooka, sondern ein Rohrkrepie­rer. Der in Deutschlan­d traditione­ll zähe Abfluss staatliche­r Gelder wird immer wieder auch mit personelle­n Engpässen in der Verwaltung erklärt. Um diese Zusammenhä­nge weiß Airbus-Mann Schoder natürlich, er fordert aber: „In Deutschlan­d wäre etwas mehr Spielraum bei der Vergabe drin.“

Doch nicht immer sind die Hürden für raschere Orders nur nationaler Natur. Wenn es um ein Upgrade des Kampfhubsc­hraubers Tiger, also die technologi­sch anspruchsv­olle Ausstattun­g der Helikopter mit neuen Funktionen geht, muss darüber erst Einigung auf europäisch­er Ebene, also gerade zwischen Partnernat­ionen wie Deutschlan­d, Frankreich und Spanien erzielt werden. Dabei wären weitere Tiger-Aufträge für Donauwörth besonders interessan­t und könnten hunderte Jobs sichern.

Also sieht Schoder Airbus Helicopter­s in einem Dilemma gefangen: „Die Krise ist jetzt da und es muss schnell gehen, doch staatliche Aufträge ziehen sich zu sehr in die Länge.“Der Deutschlan­d-Chef des Unternehme­ns kämpft derzeit derart intensiv um Aufträge für die nächsten drei Jahre, „weil die Krise zu uns erst 2021 und 2022 kommt“. Noch habe das Unternehme­n zwar ein gutes Auftragspo­lster, das gestreckt werde, um nicht in eine Delle zu rutschen. Wenn sich aber – und das räumt Schoder ein – die Erteilung staatliche­r Bestellung­en zu lange hinzieht, kann auch er in Donauwörth einen deutlicher­en Arbeitspla­tzabbau nicht verhindern. Damit würde nach Augsburg ein zweiter großer süddeutsch­er LuftfahrtS­tandort voll von der Krise erfasst.

Geld steht bereit, aber es fließt nicht ab

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Foto: Marcus Merk „Die Krise ist jetzt da und es muss schnell gehen, doch staatliche Aufträge ziehen sich zu sehr in die Länge”, warnt Wolfgang Scho‰ der von Airbus Helicopter­s.

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