Neuer SPDChef: Wer will diesen Job?
Natascha Kohnen hört auf. Nun treten wohl zwei sehr unterschiedliche Kandidaten an. Doch kaum ein neuer Vorsitzender kann die Sozialdemokraten in Bayern zu alter Stärke führen
München Nein, oft feiern konnte oder besser durfte Natascha Kohnen in ihrem Amt als bayerische SPDChefin wahrlich nicht. In den rund dreieinhalb Jahren, seit die 53-Jährige an der Spitze des Landesverbandes steht, reihen sich die schmerzhaften Niederlagen bei Wahlen wie Perlen an einer Kette aneinander: 2018 waren es 9,7 Prozent bei der Landtagswahl, 2019 dann 9,3 Prozent bei der Europawahl, und 2020 bei der Kommunalwahl verlieren die Genossen viele Hochburgen wie Nürnberg an die CSU.
Kohnen selbst fasst es bei ihrer Rücktrittserklärung am Samstag zusammen: „Die letzten 12 Jahre waren für mich erst als Generalsekretärin und seit 2017 als Landesvorsitzende der Bayern-SPD mit Höhen und auch bitteren Tiefen verbunden. Aber ich weiß, dass ich keinen Tag missen möchte.“Sie erntet für ihre Arbeit viel Respekt auch von Politikern mit anderen Parteibüchern. „Das war sicher keine leichte Entscheidung, Respekt vor diesem Schritt. Vielen Dank dir für deine langjährige Arbeit für unsere Demokratie“, schreibt etwa die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, Katharina Schulze, unter Kohnens persönliche Erklärung bei Facebook.
Kohnens Abschied ist aus verschiedenen Gründen symptomatisch und symbolisch für ihre Amtszeit: Selbst wenn die zweifache Mutter etwa im Landtag auch laute Wortgefechte nicht scheut, gehört sie doch zu der kleinen Gruppe von Politikern, die glaubhaft nicht bei jeder Aktion daran denken, wie sie sich nun bestmöglich in Szene setzen können. Doch zur Wahrheit über Kohnens Amtszeit gehört eben auch, dass etwas mehr gelenkte Aufmerksamkeit ihr und ihrer Partei an der einen oder anderen Stelle sicher nicht geschadet hätte.
So hätte es der SPD nach der Wahl 2018 sicher in ihrer Schockstarre medial wie emotional als „Lebenszeichen“gutgetan, wenn Kohnen – anders als vielfach überliefert – auf den Anruf von CSU-Chef Markus Söder zwecks Koalitionsgesprächen irgendwie anders reagiert hätte, als ihn nicht anzunehmen. Auch wenn ein politisches Bündnis für beide Seiten nie auch nur ansatzweise ernsthaft zur Disposition stand. Doch Kohnen hatte schon nach ihrer Wahl zur Landeschefin am 12. Mai 2017 einen Kurs vorgegeben, der dies im Grunde ausschloss: „Ich möchte eine Stiländerung, wir sollen uns künftig nicht mehr nur an der CSU abarbeiten, sondern müssen eigene Akzente setzen“, sagte sie kurz nach ihrer Wahl in die Kameras. Die SPD brauche wieder ein soziales Profil, damit die Menschen ein Gefühl für sie als politische Alternative bekommen. Rückblickend sagt Kohnen, dass dies nur teilweise erreicht wurde. Tatsächlich fristet die SPD in Bayern neben CSU, Freien Wählern und Grünen ein eher unauffälliges Dasein.
Doch wo genau stehen die Genossen in Bayern eigentlich? Eine umfassende Antwort fällt alles andere als leicht. Nimmt man die Wahlergebnisse und die aktuellen Umfragen als Maßstab, so steht die Partei am Rande des politischen Existenzminimums. Doch das wäre zu leicht, denn zur SPD in Bayern gehört auch, dass sie gerade für junge Menschen durchaus eine politische Heimat und auch auf kommunaler Ebene noch immer relevant ist. Und so könnte ein geordneter Machtwechsel genau jetzt auch eine Chance bieten, denn zu verlieren haben die Genossen in Bayern im Grunde nicht mehr wirklich viel. Hinzu kommt als Lichtblick, dass die SPD sich auch im Bund angesichts des absehbaren Endes der Großen Koalition auch wieder etwas gefangen hat.
Doch zurück zur Personalfrage.
Einer derjenigen, der wohl nie zu Kohnens Fans zählte, ist Florian von Brunn. 2017 hatte der Münchner Landtagsabgeordnete erfolglos versucht, selbst Landeschef zu werden. Ob er jetzt seinen Hut erneut in den Ring werfen wird, will er nicht sagen. „Was wir jetzt brauchen, sind grundsätzliche Überlegungen, wie wir angesichts der sehr schwierigen Lage der bayerischen SPD im Team eine neue Strategie entwickeln, uns wieder in die Offensive bringen und unsere Politik viel sichtbarer machen“, sagt von Brunn.
Doch nicht nur von Brunns Name wird am Wochenende schon kurz nach Kohnens Rücktrittsankündigung in der SPD als möglicher Kandidat öfter genannt. Ebenso gilt Generalsekretär Uli Grötsch als Anwärter. Auch er verzichtet darauf, seine Ambitionen zu früh kundzutun. Eile ist in dieser Frage nicht nötig. Denn bis zur geplanten Neuwahl auf einem für die Wahl notwendigen PräsenzParteitag am 20. März 2021 haben die Kandidaten noch viel Zeit für ihre Schauläufe. Bis dahin muss die SPD noch klären, ob auch der Landesverband künftig wie im Bund von einer Doppelspitze geführt wird.
Marco Hadem und Christoph Trost, dpa