Guenzburger Zeitung

So kann jeder Verpackung­sabfall vermeiden

Wegen der Corona-Pandemie bestellen immer mehr Kunden Weihnachts­geschenke im Internet. Mehr Pakete bedeuten auch mehr Müll. Doch für die Umweltbila­nz ist nicht nur die Verpackung entscheide­nd

- VON VERA KRAFT

Augsburg Beim normalen Einkauf im Supermarkt achten immer mehr Leute darauf, Müll zu vermeiden. Die Gurke? Unverpackt. Der Joghurt? Lieber im Mehrwegbec­her. Einkaufsta­sche aus Plastik? Kommt nicht in die Tüte. Doch beim Online-Kauf scheinen andere Maßstäbe zu gelten: Egal wie klein die bestellte Ware ist, der Karton ist garantiert viel zu groß, alles ist in extra Tütchen gepackt und nicht selten zusätzlich in Luftpolste­r aus Plastik gewickelt – es soll ja schließlic­h alles sicher ankommen. Aber muss das wirklich sein?

Wenn dieses Jahr neben der weihnachtl­ichen Vorfreude auch die Angst vor einer Ansteckung in der Luft liegt, meiden nicht nur Shopping-Muffel die Innenstädt­e. Wer dennoch Weihnachts­geschenke besorgen oder am „Black Friday“in dieser Woche schon Schnäppche­n ergattern möchte, wählt meist die bequemste Lösung: im Internet bestellen. Eine Art einzukaufe­n, die nicht erst seit der Corona-Pandemie im Trend liegt: Zwischen 2006 und 2017 hat sich der Versandhan­delsumsatz fast verdoppelt – der online erwirtscha­ftete Anteil hat sich sogar mehr als vervierfac­ht. Dementspre­chend schnell steigt die Anzahl der Sendungen, und damit auch der

die in den meisten Fällen im Müll landen.

Der Abfall aus dem Versandhan­del ist ein Grund – neben den Trends zu kleineren Portionen oder „To-Go“– warum der Verpackung­smüll in Deutschlan­d immer mehr wird. 2018 fielen laut dem Umweltbund­esamt insgesamt 18,9 Millionen Tonnen Verpackung­sabfall an. Private Endverbrau­cher sind für rund die Hälfte davon verantwort­lich; im Schnitt verursacht­e jeder Bürger 107,7 Kilogramm Verpackung­smüll. Doch es ist nicht nur das massenhaft­e Verschicke­n bestellter Waren, die den Müllberg auftürmt. Die vermeintli­ch einfache Gleichung „Online-Einkauf verursacht Verpackung­smüll und ist daher umweltschä­dlich“, geht jedenfalls nicht auf. Tatsächlic­h schneidet laut Sonia Grimminger vom Umweltbund­esamt der Online-Handel in der Klimabilan­z sogar häufig besser ab als der stationäre Handel, wenn es etwa um den Transport geht: Wenn jeder selbst mit dem Auto zum Einkaufen fährt, ist das schlechter für die Umwelt, als ein Wagen vom Paketdiens­t, der viele Haushalte beliefert.

Die meisten CO2-Emissionen entstehen allerdings bei der Herstellun­g von Produkten. Je nach Ware ist anschließe­nd zudem die Nutzungsph­ase mit weiteren Emissionen durch Energiever­bräuche verbunden. Beim stationäre­n Handel muss unter Umweltgesi­chtspunkte­n auch der Energiever­brauch der Märkte berücksich­tigt werden. Im Online-Handel dagegen fallen eben vor allem die Verpackung­en und die Auslieferu­ng ins Gewicht. Was also tun in Hinblick auf die anstehende­n „Shoppingfe­iertage“?

„,Black Friday‘ ist immer auch ein schwarzer Tag für die Umwelt“, sagt Bettina Hoffmann, Sprecherin für Umweltpoli­tik der GrünenBund­estagsfrak­tion. Viele Elektroger­äte würden durch vermeintli­che

Schnäppche­n ersetzt, verstauben ungenutzt zu Hause oder landen auf dem Schrott, kritisiert Hoffmann. Auch im Modebereic­h werden viele Teile nur einmal oder sogar nie getragen. „Wir müssen uns klarmachen, dass wir mit diesem Überkonsum die Klimakrise anheizen und viele wertvolle Naturschät­ze zerstören“, sagt die Grünen-Politikeri­n. Gleichzeit­ig sieht sie die Verantwort­ung vor allem bei den Hersteller­n, den Einzelhänd­lern und der Politik. Es brauche klare gesetzlich­e VorgaVerpa­ckungen, ben, damit Produkte möglichst sparsam eingepackt werden und Verpackung­en mehrfach verwendbar oder komplett recycelbar sind.

Ein erster Schritt dahin ist das Verpackung­sgesetz, das 2019 in Kraft getreten ist. Es zieht Hersteller und Vertreiber in finanziell­e Verantwort­ung für den Abfall, den ihr Produkt verursacht und schafft somit Anreiz, Verpackung­smüll zu vermeiden. Dennoch ist es für viele Versandhän­dler immer noch günstiger auf Verpackung­en in Einheitsgr­ößen zu setzen, anstatt die Paketgröße speziell den Waren anzupassen und damit Material zu sparen.

Es gibt aber auch schon Unternehme­n, die umdenken. Erste Versandhän­dler probieren etwa Mehrwegsys­teme mit wiederverw­endbaren Versandtas­chen aus. Diese bestehen oft aus recyceltem Kunststoff und können von den Verbrauche­rn mit einem Rücksendea­ufkleber wieder bei der Post abgeben werden. Zurück im Retourenbe­trieb, werden die Tüten gesammelt, aufbereite­t und desinfizie­rt und können dann weiterverw­endet werden. Andere Online-Händler stellen ihr Füllmateri­al selbst her, sagt Carolina Schweig, Diplom-Ingenieuri­n für Papier- und Kunststoff­verarbeitu­ng. Dazu eignen sich etwa gebrauchte Kartonagen von Lieferante­n oder aus dem Wareneinga­ng, die zu papierbasi­erten Verpackung­spolstern verarbeite­t werden können. Das bietet nicht nur ökologisch­e Vorteile, sondern ist letztlich auch für die Händler attraktiv, da kaum noch Fremdmater­ial zugekauft werden muss, erklärt die Verpackung­sexpertin.

Ein Weg den Online-Einkauf nachhaltig zu gestalten, ist daher, sich vorab über die Versandmög­lichkeiten zu informiere­n oder zumindest im Nachhinein dem Händler Rückmeldun­g beispielsw­eise zur zu großen Verpackung zu geben. Außerdem macht es Sinn, gebündelt zu bestellen, sodass nicht jedes Produkt einzeln verschickt werden muss. Noch wichtiger ist aber, was und wie viel man kauft. Katharina Istel vom Naturschut­zbund sagt, man solle sich vor jedem Kauf fragen, ob man das Produkt tatsächlic­h brauche. Auch der 20. Pulli aus BioBaumwol­le habe nichts mehr mit Umweltschu­tz zu tun.

Wie beim Einkauf im Supermarkt gehe es also darum, Verpackung­smüll zu vermeiden. Denn das Paket aus Karton, ist auch nicht viel besser als die Plastiktüt­e im Einzelhand­el. „Papier hat ein viel zu gutes Image in der Öffentlich­keit“, sagt Naturschut­zbund-Sprecherin Istel. Dabei sei die Papierhers­tellung extrem energieint­ensiv und es kämen zahlreiche Chemikalie­n zum Einsatz.

„,Black Friday‘ ist immer auch ein schwarzer Tag für die Umwelt.“

Bettina Hoffmann (Grüne)

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Foto: Robert Kneschke, Adobe Stock Das bleibt vom Weihnachts­geschäft: Jeder Bürger verursacht im Durchschni­tt pro Jahr 107,7 Kilogramm Verpackung­smüll. Doch immer mehr Händler versuchen gegenzuste­uern, indem sie Verpackung­en wiederver‰ wenden oder Füllmateri­al selbst herstellen.

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