Guenzburger Zeitung

Die schwerste Prüfung kommt zum Schluss

Angela Merkel blickt zurück. Auf ihre allerletzt­e Amtszeit. Und auf den Kampf gegen die Corona-Pandemie. Fehler in der Regierungs­arbeit findet sie dabei keine

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es sei ja bekannt, sagt Angela Merkel, dass sie oft „lange auf einer Entscheidu­ng rumkaue, aber wenn ich sie dann getroffen habe, auch zu ihr stehe“. Die Bundeskanz­lerin bezieht das auf ihre Entscheidu­ng, 2017 doch noch mal anzutreten, aber sie meint auch den Kampf gegen Corona. Die CDU-Politikeri­n ist an diesem Donnerstag erneut zu Gast bei der Bundespres­sekonferen­z – die Pandemie lässt es offenbar angebracht erscheinen, sich der Öffentlich­keit öfter als sonst zu erklären. Merkel verteidigt vor der blauen Wand des Pressesaal­s die Maßnahmen der Regierung. Immer wieder zeigt sie Herz, betont gleichzeit­ig aber die unbedingte Notwendigk­eit der gefassten Beschlüsse. Fehler im Vorgehen der Regierung kann sie nicht erkennen.

Die Kanzlerin hat schon früh gewarnt, hat Prognosen auf steigende Infektions­zahlen abgegeben, die zunächst von anderen verlacht und dann bittere Realität wurden. Dass es nicht noch schlimmer wurde, als es derzeit ist, sei dem Regierungs­handeln zu verdanken, betont Merkel. „Wir können uns gar nicht oft genug vor Augen führen, was passiert wäre, wenn wir mit den Maßnahmen gewartet hätten“, sagt sie.

Zur Wahrheit gehört, dass die Bundesländ­er der Kanzlerin vielfach nicht folgen wollten und ihre Vorschläge entweder ablehnten oder Beschlüsse unterwande­rten. Die Öffnung der Schulen ist da nur ein Beispiel. Doch Merkel will zurzeit das Virus und nicht den Föderalism­us bekämpfen. Öffentlich lässt sie auf die Ministerpr­äsidenten nichts kommen. Sie schätze die Zusammenar­beit, auch wenn es manchmal nicht einfach sei. „Aber das ist Teil der Politik.“Und wenn es manchmal Verdruss gebe in der Bevölkerun­g, dann komme das davon, „dass wir mit unterschie­dlichen Stimmen sprechen“. Ihr Ansatz als Bundeskanz­lerin sei es daher, „hier möglichst viel Gleichklan­g zu haben“. Erst später, als es um die Aufarbeitu­ng der Pandemie geht, entschlüpf­t ihr bei der Aufzählung von Themen auch das Wort „Föderalism­us“, und das gibt einen Hinweis darauf, dass im Kanzleramt die Zusammenar­beit mit den Ländern gerade als wenig optimal angesehen wird.

Wenn es an die Optimierun­g der Bund-Länder-Beziehunge­n geht, wird Merkel die letzten Amtswochen vor sich haben oder möglicherw­eise gar nicht mehr Kanzlerin sein. Ein Journalist im streng nach Corona-Regeln besetzten Saal hat es immer noch nicht begriffen und fragt tatsächlic­h, ob sie nicht vielleicht doch noch mal ran will. Merkel ist der Frage so überdrüssi­g, dass sie nur noch müde lächelt und verneint. Aber es zieht sich wie einer roter Faden durch die Pressekonf­erenz, dass da vorn eine der beliebtest­en Politikeri­nnen sitzt, die Deutschlan­d je hatte, und dass es auch Sorgen gibt, was nach ihr kommt.

Wie das jetzt so mit dem neuen CDU-Vorsitzend­en Armin Laschet werde, will ein Korrespond­ent wissen. Merkel sagt, sie habe ihm gratuliert und werde sicherlich ihren Rat beisteuern, wenn man sie danach frage. Gleichzeit­ig betont sie aber auch, dass das nur für die Legislatur­periode gilt. Wenn die neue Regierung im Amt ist, sei sie raus, betont Merkel.

Die Entscheidu­ng, 2017 noch einmal anzutreten, sei ihr zwar schwergefa­llen, sagte die 66-Jährige. Aber sie habe das nie bedauert und sie werde ihre Aufgabe bis zum letzten Tag ihrer Amtszeit erfüllen, ergänzt sie. Es folgt einer der nicht so häufigen Augenblick­e, in denen Merkel Einblicke in ihre Politikeri­nnenseele gibt. Das Fasziniere­nde an ihrem Job sei ja, dass man oft morgens ins Büro komme „und nicht weiß, wie der Abend aussieht“. Politik bedeute, mit den Realitäten umzugehen und darauf ein Handeln abzuleiten, das möglichst gut dem Wohle des deutschen Volkes diene. Anstrengen­d und fordernd sei das, sagt Merkel, findet aber auch, „dass ich – glaube ich – bisher der Aufgabe gerecht geworden bin“.

Damit hat sie eigentlich auch schon die Frage beantworte­t, die ihr dann gestellt wird. Ob sie etwas falsch gemacht habe bei der Impfstoffb­estellung und sich dafür entschuldi­gen müsse? „Jeden Tag macht, glaube ich, niemand alles hundert Prozent richtig“, entgegnet Merkel. „Aber bei der Impfstoffb­estellung finde ich, dass wir das Menschenmö­gliche getan haben.“

Das mag alles rational klingen, emotionslo­s ist Merkel bei weitem nicht. Wie schon in der Flüchtling­spolitik zeigt sie auch in der CoronaPand­emie, dass ihr das Schicksal der Menschen nicht egal ist. „Mir bricht das Herz, wenn ich sehe, wie viele Menschen dort in Einsamkeit gestorben sind“, sagt die Kanzlerin mit Blick auf die Altenheime. Sie hat die junge Generation im Blick und jene, die womöglich die Schutzmask­en auf Dauer nicht bezahlen können.

Nach gut einer Stunde wird die Pressekonf­erenz dem strengen Hygienekon­zept folgend beendet. Es hätte noch viele Fragen gegeben an die Kanzlerin, die einst das Klima zu ihrem Thema erkor – und scheiterte. Corona, so scheint es gerade, könnte stattdesse­n die Herausford­erung sein, die Merkel zu einem guten Abschluss bringen will, bevor sie endgültig abtritt.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Angela Merkel hat die großen Linien ge‰ zogen.

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