Hamburger Morgenpost

291 Gegentreff­er – und sie

Der Verein hat 40 der letzten 42 Spiele verloren, viele davon zweistelli­g Die MOPO traf die treuen Seelen, die die Niederlage­n weiter mit Stolz ertragen

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Von FOLKE HAVEKOST

Gegentore ohne Ende und 42 Spiele ohne Sieg: Zum einst großen SV Lurup gehen die leidensfäh­igsten Anhänger der Stadt.

Matt leuchtet das Flutlicht über dem Grandplatz am Kleiberweg in Lurup, seit Stunden tröpfelt der Regen vom Himmel. Nur ein paar Fans sind gekommen. Das Wetter könnte schon die Lust auf ein Spiel beeinträch­tigen, das die eigene Mannschaft gewinnen wird. Doch der heimische SV Lurup, einst hinter HSV und St. Pauli die Nummer drei in Hamburg, erlebt einen atemberaub­enden Sturzflug.

„Wenn Lurup spielt, spielt Lurup“, sagt Jan Kröger und erklärt so, warum er gekommen ist: „Die Tradition dieses Vereins kann man nicht in die Kreisklass­e abschieben.“Seit Jahrzehnte­n ist der 48-Jährige Fan, inzwischen ist er Ligaobmann. Er geht in die Läden, um Spieltagsp­lakate anzukleben. „Da hörst du schon öfter: Na, Jungs, geht’s aufwärts?“

Kaum. Im Mai 2015 stieg der SV Lurup in die Oberliga auf. Seitdem hat die Mannschaft kein Punktspiel mehr gewonnen. Mit dem Hauptspons­or gingen die Spieler, ihre Nachfolger erleben eine Pleite nach der anderen: zwei Unentschie­den, 40 Niederlage­n, 291 Gegentore. Die meisten beim 0:18 gegen Süderelbe, Rekord für Hamburgs höchste Spielklass­e.

„Dass die Jungs das so durchziehe­n, finde ich top“, zollt Kay Carstensen den Dauerverli­erern Respekt. Der 47-Jährige spielt für Lurups Alte Herren. „Absteigen werden wir nicht, wir retten uns gerade“, ist er optimistis­ch, als das Team am Freitag in der Landesliga gegen Inter Hamburg antritt. Zuvor gelang ein 2:2 in Schnelsen, gut 30 Anhänger hoffen jetzt, dass es die Wende zum Besseren eingeleite­t hat.

Fan-Utensilien hat hier niemand. Lurup wird eher im Herzen getragen als auf der Brust. „Ich bin schon als Kind zu Lurup gegangen“, berichtet der 71-jährige Niels Hofmann, der für den Verein lange die Schiedsric­hter betreut hat: „Es gibt gute Zeiten und schlechte Zeiten. Solange ich laufen kann, werde ich hier sein.“Diesmal läuft es vergleichs­weise prima: Zur Halbzeit geht die Mannschaft mit einem 0:0 in die Kabinen. Mitte der zweiten Hälfte winkt sogar der Fußballgot­t den Lurupern zu: Ein Inter-Kicker fliegt vom Platz, kurz darauf fällt das 1:0. Nicht nur der ehemalige SVL-Fußballche­f Fritz Müller reißt da die Arme hoch – noch 23 Minuten bis zum ersehnten Sieg ...

„Ich bin hier aufgewachs­en und auch zu Spielen gekommen, als ich nicht mehr hier wohnte“, erzählt Markus Knerr: „Das ist eine kleine Liebe geworden.“Auch er ist vom Fan zum Funktionär geworden, engagiert sich als Pressespre­cher und Karten-

„Solange ich laufen kann, werde ich hier beim SV Lurup sein.“Niels Hofmann (71)

 ??  ?? Leidensfäh­ig: Lurups Trainer Frank Ramcke schleicht mit Schafi Karimi vom Platz. Diesmal setzte es nur ein 1:3.
Leidensfäh­ig: Lurups Trainer Frank Ramcke schleicht mit Schafi Karimi vom Platz. Diesmal setzte es nur ein 1:3.
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