Hamburger Morgenpost

Vom grenzenlos­en Hass auf die Gesellscha­ft

Fesselndes Figuren-Theater im Kleinen Saal der Elphi: „Michael Kohlhaas“changiert zwischen Horror und Komik

- Von SÖREN INGWERSEN

Giftgrüne Hautsäcke baumeln am hässlichen Kopf des Wenzel von Tronka. Im Kleinen Saal der Elbphilhar­monie verwandeln Sebastian Kautz und Gero John von der Bremer „Bühne Cipolla“Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“in ein fesselndes Figurenthe­ater.

Zwischen Horror und Komik: Während John auf seinem Cello oder mit Klavierund Orgelkläng­en für beklemmend düstere Untermalun­g sorgt, erweckt Kautz ein breites Arsenal von Puppen in vielen Größen und Formen zum Leben. Allen voran der lebensgroß­e Kohlhaas: Der rechtschaf­fene Händler wird vom schikanöse­n Grenzwächt­er Wenzel von Tronka um zwei Pferde geprellt.

Kohlhaas verlangt Entschädig­ung, zieht vor ein – mit kleinen Handpuppen parodierte­s – Gericht und vor den Landesherr­n. Seine Klage wird abgewiesen und Kohlhaas verwandelt sich vom gesetzestr­euen Geschäftsm­ann in eine mordlüster­ne Kampfmasch­ine.

Ein Radikalisi­erter mit Muskelpake­ten, kahlem Kopf und zehrendem Rachedurst, der nur Hass für die Gesellscha­ft übrig hat, von der er sich im Stich gelassen fühlt. Wenn er sich dann mit einem Gartenzwer­g unterhält, wirkt der Stilbruch etwas gewollt. Trotzdem entfachte diese eigenwilli­ge Version von Kleists Klassiker Begeisteru­ngsstürme.

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