Ein Nobody soll das Wunder schaffen
Der Hollerbach-Nachfolger war bei der U21 erfolgreich. Peters schwärmt vom Holtby-Kumpel
Das Wunder von Bernd blieb aus, seit gestern ist die Ära Hollerbach beim HSV wieder vorbei. Nun soll ein anderer das schaffen, was kaum einer noch für möglich hält: Christian Titz ist der neue Mann auf der Trainerbank des HSV, ein Nobody soll den Dino vor dem Abstieg retten. Doch auch er hat mit Problemen zu kämpfen, die Hollerbach kennt: Ob seine Prof s wirklich das Zeug dazu haben, das Wunder zu schaffen?
Der Feuerknopf wurde am Telefon gedrückt, anders war das nicht möglich. Um kurz vor 13 Uhr erschien Frank Wettsteins Name auf dem Display von Bernd Hollerbach. Der Trainer wird gewusst haben, was das bedeutet. „Ich habe mit ihm telefoniert, es war aufgrund der Entfernung nicht anders möglich“, ließ Wettstein wissen. Ein Treffen wird zeitnah folgen, dann aber unter ExKollegen. Hollerbach und der HSV – das war einmal.
Mächtig enttäuscht sei er, ließ der gefeuerte Trainer alsbald wissen. Und es wird niemanden geben, der das nicht nachvollziehen kann. Hollerbach übernahm Ende Januar eine Mannschaft, die falsch zusammengestellt wurde, taumelte und seit fünf Spielen sieglos war. Aber: Nach dem 0:6 in München waren es dann zwölf Spiele. „Und die Art und Weise, wie wir dort aufgetreten sind, hat uns nicht gefallen“, so Wettstein, der auch Hollerbachs Darstellung, die Profis seien durch die vorherigen Rauswürfe von Heribert Bruchhagen und Jens Todt verunsichert gewesen, nicht teilte: „Das als Erklärung für die Leistung zu nehmen, wäre ein Alibi.“Zu denken, dass die Profis das alles kalt ließe, allerdings eine nicht weniger krasse Fehleinschätzung des Vorstands.
So oder so stand die Entscheidung über Hollerbachs Ablösung eigentlich schon am Sonntag fest. Den ganzen Tag über hatten Wettstein, Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann und Bernhard Peters (Direktor Sport) diskutiert, überlegt und abgewägt. „Für uns war wichtig, dass wir jetzt noch mal einen Impuls setzen, der Kräfte für die letzten acht Spiele freisetzt“, so Wettstein. Am Montagmorgen fand sich Titz im Volkspark ein und gab nach längeren Gesprächen sein Okay. „Er wird die Mannschaft nun vielleicht auch anders ansprechen, so dass sie am Sonnabend gegen Hertha BSC anders auftreten kann“, hofft Wettstein.
Nach dem am Ende desillusionierten, tief enttäuschten und leer wirkenden Hollerbach nun also der unverbrauchte und erfolgsverwöhnte Titz. Ein Nobody, der den „Dino“irgendwie retten soll. Peters, der Titz’ Weg beim HSV seit drei Jahren eng begleitete, hält große Stücke auf den 46Jährigen, der 2015 über die Stationen bei Alemannia Aachen, in Passau, bei Viktoria Köln und dem FC Homburg zum HSV kam. „Mir gefällt vor allem seine absolute Leidenschaft für das Spiel, seine Akribie für alle Details und wie er eine Mannschaft und jeden Spieler individuell taktisch entwickeln kann“, lobt Peters.
Zumindest die Meriten, die sich Titz beim HSV erwarb, sprechen für ihn. Zwei Jahre lang trainierte er die U17 des Vereins „und formte aus einer mittelmäßigen Mannschaft ein Spitzenteam“, so Peters. „Jetzt hat er die U21 an die Spitze der Regionalliga geführt.“Und nun? Titz, der von seinem bisherigen U21-Assistenten Soner Uysal, Torwart-Trainer Nico Stremlau und dem schon zuvor bei den Profis tätigen Matthias Kreutzer unterstützt wird, soll den Job nur bis zum Sommer bekleiden. Würde er das Wunder Klassenerhalt schaffen, kann es nur einen einzigen Nachfolger für Titz geben. Titz selbst.
Ein Profi dürfte sich über die Neuregelung auf dem Trainerposten besonders freuen. Lewis Holtby, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, knüpfte 2015 den Kontakt zu Titz, der in Länderspielpausen als sein Individualtrainer agierte – und lotste ihn letztlich nach Hamburg. Ob der zuletzt nicht mehr in den Kader berufene Holtby unter Titz die Karriereleiter noch mal hinauf lettert, wird sich zeigen. Genauso wie die Beantwortung der Frage, ob Titz den freien Fall des HSV stoppen kann – oder wie sein Vorgänger daran verzweifelt.