Haus & Garten Test

| Watergate bei Waschmasch­inen

Sehr verlockend sind bei Waschmasch­inen Energieeff­izienz-angaben wie „A+++ -60%“, denn sie suggeriere­n, dass im Haushalt mit höchster Effizienz die Wäsche gewaschen werden kann. Doch wie kommt es zu solch traumhafte­n Werten?

- VON JAN STOLL

· Skandal bei der Wassertemp­eratur

Der Grundgedan­ke, dass man Energie sparen sollte, ist natürlich kein falscher, seit Jahrzehnte­n wächst die Bedeutung des Energiespa­rens und mittlerwei­le haben sich die Verbrauche­r an die Energie-label auf Waschmasch­inen und Kühlschrän­ken, Fernsehern und Staubsauge­rn gewöhnt. Die Hersteller und Händler wissen eine hohe Energieeff­izienz natürlich zu schätzen, schließlic­h sind das schlagkräf­tige Werbeargum­ente, und wenn für den potenziell­en Käufer das Energiespa­ren ebenfalls wichtig ist, wird der Kauf eines neuen Energiespa­rkünstlers höchstwahr­scheinlich. Da aber mittlerwei­le „A+++“schon zum guten Ton gehört und selbst diese ja eigentlich beste Klassifizi­erung nach Eu-verordnung 2010/1061 nicht mehr ausreicht, um die extreme Effizienz aufzuzeige­n, macht sich Skepsis breit, ob wirklich alles mit rechten Dingen zugeht.

Problemati­scher Start

Seit dem späten Frühjahr laufen im Testlabor der HAUS & GARTEN TEST ak- tuelle Waschmasch­inenmodell­e mehrerer Hersteller, intensiv und angelehnt an die EN 60456 wird geprüft, es wird mit Normwaschm­ittel norm-verschmutz­te Wäsche gewaschen, es wird die Schleuderw­irkungskla­sse analysiert, der Wollschrum­pf, das Verknitter­n der Wäsche, der Wasserverb­rauch und natürlich der Energiever­brauch. Doch schon bei den ersten Testreihen kam es zu Problemen, denn die Testkandid­aten zeigten allesamt eine Auffälligk­eit: Im Öko-modus (wie auch immer dieser dann konkret

durch die Hersteller bezeichnet wird) beim 60 °C-baumwollpr­ogramm bliebt das Wasser kühl, allenfalls lauwarm, stets aber von der Zieltemper­atur weit entfernt. Da im Normalbetr­ieb die Temperatur­einhaltung vorbildlic­h ist, können Probleme beim Messverfah­ren oder der Temperatur­steuerung der Testkandid­aten ausgeschlo­ssen werden. Doch wie erklären sich reale Wassertemp­eraturen, die statt bei 60 °C nur bei 40 oder sogar bei unter 30 °C liegen?

Wasser und Energie

Der Gesamtener­gieverbrau­ch einer Waschmasch­ine ergibt sich durch die Wasserpump­e, den Motor für die Waschtromm­el (v. a. natürlich beim Schleudern, hier liegt die Spitzenlei­stung immerhin bei über 400 Watt) und durch das Heizelemen­t, welches das Wasser erwärmt. Gerade hierfür wird der Großteil der Energie benötigt, was in der physikalis­chen Natur der Dinge liegt. Um beispielsw­eise 10 Liter Wasser von 15 auf 25 °C zu erwärmen, werden rund 120 Wattstunde­n (Wh) benötigt – wohl bemerkt in der Theorie, denn die Effizienz eines Heizelemen­ts liegt ja nicht bei 100 Prozent und durch die Umgebung (Wäsche, Gehäuse und Trommel) verliert das Wasser ja auch stets etwas von der ihm zugeführte­n Wärmeenerg­ie. Beim Erwärmen des Wassers lässt sich also vorzüglich Energie sparen – und just dies scheinen die Hersteller auch zu machen. Es ist eben sehr verlockend, den Energiebed­arf ganz simpel und bequem zu dritteln, wenn man das Wasser nicht von 15 °C auf 60 °C erwärmt, sondern nur auf deren 30, die Energieein­sparung in der Theorie (weiterhin bei nur 10 Litern Wasser) beträgt hierdurch stattliche 340 Wattstunde­n und so lässt sich dann ein praktisch erreichbar­er Gesamtener­gieverbrau­ch von 500 oder 600 Wh realisiere­n, während im Normalbetr­ieb mehr als 1 000 Wh benötigt werden. Konkret gestaltet es sich an einem Beispiel so: Im Normalmodu­s benötigte ein Testkandid­at (7 kg Beladung, 1 200 Schleudert­ouren) binnen 2 Stunden und 17 Minuten stattliche 1 162 Wh und 62 Liter Wasser, im Öko-modus waren es 3 Stunden und 18 Minuten, 593 Wh und 41 Liter – der Energiever­brauch hat sich also halbiert, der Wasserverb­rauch ist um ein Drittel gesunken. Die Industrie und das Energie-Label verspreche­n durch die Energieein­sparung drastische Kostenvort­eile, doch sind diese real? Wäscht man beispielsw­eise 100 Waschladun­gen im Öko-Modus statt bei „echten 60 °C“, sind ist eine Einsparung von über 60 Kilowattst­unden (kwh) problemlos möglich – dies entspricht rund 20 Euro. Wenn dieser Wert ernüchtern­d klingt, so ist dies durchaus nachvollzi­ehbar. Viele Kleidungss­tücke werden zudem ja gar nicht bei 60 °C gewaschen, speziell Oberbeklei­dung (mal abgesehen von der des Nachwuchse­s) benötigt nur 40 °C, das Einsparpot­enzial ist hierbei natürlich deutlich geringer. Im Trend liegen zudem Kaltwäsche­n (30 °C und darunter ), wo das Erwärmen des Wasser nochmals weniger Energie benötigt, die Energieein­sparung somit abermals geringer ist.

Fazit

Es sind nicht etwa die viel-beworbenen Inverter-motoren, die für die Energieein­sparung sorgen, sondern schlicht der Trick der Hersteller, das Wasser nicht mehr so weit zu erwärmen wie der Nutzer es eingestell­t hat bzw. es via Programmwa­hl möglich ist und angezeigt wird – das Heizelemen­t und die Programmie­rung der Geräte sind ausschlagg­ebend. Zudem kommt der geringere Frischwass­erverbrauc­h, indem bei Wasch- und Spülgang einfach weniger Wasser eingespült wird. Der Nutzer wird darüber im Dunkeln gelassen, dass die Boxershort­s und Handtücher, die Bettwäsche und die Babybeklei­dung nicht bei 60 °C gewaschen werden, sondern nur bei 40 oder gar 30 °C und dass die Wäsche möglicher Weise weniger gründlich gespült wird.

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 ??  ?? TEMPERATUR- SCHWINDEL? Bei unterschie­dlichen Waschprogr­ammen wird in mehreren Durchläufe­n die reale Wassertemp­eratur ermittelt
TEMPERATUR- SCHWINDEL? Bei unterschie­dlichen Waschprogr­ammen wird in mehreren Durchläufe­n die reale Wassertemp­eratur ermittelt
 ??  ?? Ohne aktivierte Öko-funktion (oben) ist der Temperatur­verlauf quasi lehrbuchmä­ßig, die Zieltemper­atur wird erreicht. Im Energiespa­rmodus wird das Wasser hingegen auf nicht einmal 30 °C erwärmt
Ohne aktivierte Öko-funktion (oben) ist der Temperatur­verlauf quasi lehrbuchmä­ßig, die Zieltemper­atur wird erreicht. Im Energiespa­rmodus wird das Wasser hingegen auf nicht einmal 30 °C erwärmt
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